ziehen. Ob ich schon vergessen, daß ich in meiner An¬ trittspredigt gesaget: daß ich bei meiner Gemein in Noth und Tod wölle verharren. Möchte dannenhero noch ein wenig verziehen, und sie selbsten einmal nach der Lie¬ pen senden dieweilen sie hoffe, bei ihrer Freundschaft und anderswo was rechtes für uns aufzutreiben. Solche Rede, insonderheit von meiner Antrittspredigt fiel mir fast schwer aufs Gewissen, und ich schämete mich für meinen Unglauben, sintemalen nicht allein mein Töch¬ terlein, besondern auch meine Magd einen stärkern Glau¬ ben hätten denn ich, der ich doch wöllte ein Diener beim Worte sein. Erachtete also, daß der Herr um mich armen, furchtsamen Miethling zurücke zu halten, und gleicher Weiß mich zu demüthigen diese arme Magd ewecket, so mich versuchen gewußt wie wailand die Magd im Pallast des Hohenpriesters den furchtsamen St. Pe¬ trum. Wandte dahero wie Hiskias mein Angesicht gen die Wand und demüthigte mich vor dem Herrn, was kaum geschehen als mein Töchterlein abermals mit einem Freudengeschrei zur Thüren hereinfuhr. Siehe ein christliches Herze war zur Nacht heimlich ins Haus ge¬ stiegen und hatte uns zwo Brode, ein gut Stück Fleisch, einen Beutel mit Grütze item einen Beutel mit Salz, bei einer Metzen wohl, in die Kammer gesetzet. Da kann nun männiglich gießen, welch groß Freudengeschrei wir allesammt erhoben. Auch schämete mich nit, für meiner Magd meine Sünden zu bekennen, und in un¬ serm gemeinen Morgengebet, so wir auf den Knieen
ziehen. Ob ich ſchon vergeſſen, daß ich in meiner An¬ trittspredigt geſaget: daß ich bei meiner Gemein in Noth und Tod wölle verharren. Möchte dannenhero noch ein wenig verziehen, und ſie ſelbſten einmal nach der Lie¬ pen ſenden dieweilen ſie hoffe, bei ihrer Freundſchaft und anderswo was rechtes für uns aufzutreiben. Solche Rede, inſonderheit von meiner Antrittspredigt fiel mir faſt ſchwer aufs Gewiſſen, und ich ſchämete mich für meinen Unglauben, ſintemalen nicht allein mein Töch¬ terlein, beſondern auch meine Magd einen ſtärkern Glau¬ ben hätten denn ich, der ich doch wöllte ein Diener beim Worte ſein. Erachtete alſo, daß der Herr um mich armen, furchtſamen Miethling zurücke zu halten, und gleicher Weiß mich zu demüthigen dieſe arme Magd ewecket, ſo mich verſuchen gewußt wie wailand die Magd im Pallaſt des Hohenprieſters den furchtſamen St. Pe¬ trum. Wandte dahero wie Hiskias mein Angeſicht gen die Wand und demüthigte mich vor dem Herrn, was kaum geſchehen als mein Töchterlein abermals mit einem Freudengeſchrei zur Thüren hereinfuhr. Siehe ein chriſtliches Herze war zur Nacht heimlich ins Haus ge¬ ſtiegen und hatte uns zwo Brode, ein gut Stück Fleiſch, einen Beutel mit Grütze item einen Beutel mit Salz, bei einer Metzen wohl, in die Kammer geſetzet. Da kann nun männiglich gießen, welch groß Freudengeſchrei wir alleſammt erhoben. Auch ſchämete mich nit, für meiner Magd meine Sünden zu bekennen, und in un¬ ſerm gemeinen Morgengebet, ſo wir auf den Knieen
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0061"n="45"/>
ziehen. Ob ich ſchon vergeſſen, daß ich in meiner An¬<lb/>
trittspredigt geſaget: daß ich bei meiner Gemein in Noth<lb/>
und Tod wölle verharren. Möchte dannenhero noch ein<lb/>
wenig verziehen, und ſie ſelbſten einmal nach der Lie¬<lb/>
pen ſenden dieweilen ſie hoffe, bei ihrer Freundſchaft<lb/>
und anderswo was rechtes für uns aufzutreiben. Solche<lb/>
Rede, inſonderheit von meiner Antrittspredigt fiel mir<lb/>
faſt ſchwer aufs Gewiſſen, und ich ſchämete mich für<lb/>
meinen Unglauben, ſintemalen nicht allein mein Töch¬<lb/>
terlein, beſondern auch meine Magd einen ſtärkern Glau¬<lb/>
ben hätten denn ich, der ich doch wöllte ein Diener<lb/>
beim Worte ſein. Erachtete alſo, daß der Herr um<lb/>
mich armen, furchtſamen Miethling zurücke zu halten,<lb/>
und gleicher Weiß mich zu demüthigen dieſe arme Magd<lb/>
ewecket, ſo mich verſuchen gewußt wie wailand die Magd<lb/>
im Pallaſt des Hohenprieſters den furchtſamen <hirendition="#aq">St. Pe¬<lb/>
trum</hi>. Wandte dahero wie <hirendition="#aq">Hiskias</hi> mein Angeſicht<lb/>
gen die Wand und demüthigte mich vor dem Herrn,<lb/>
was kaum geſchehen als mein Töchterlein abermals mit<lb/>
einem Freudengeſchrei zur Thüren hereinfuhr. Siehe ein<lb/>
chriſtliches Herze war zur Nacht heimlich ins Haus ge¬<lb/>ſtiegen und hatte uns zwo Brode, ein gut Stück Fleiſch,<lb/>
einen Beutel mit Grütze <hirendition="#aq">item</hi> einen Beutel mit Salz,<lb/>
bei einer Metzen wohl, in die Kammer geſetzet. Da<lb/>
kann nun männiglich gießen, welch groß Freudengeſchrei<lb/>
wir alleſammt erhoben. Auch ſchämete mich nit, für<lb/>
meiner Magd meine Sünden zu bekennen, und in un¬<lb/>ſerm gemeinen Morgengebet, ſo wir auf den Knieen<lb/></p></div></body></text></TEI>
[45/0061]
ziehen. Ob ich ſchon vergeſſen, daß ich in meiner An¬
trittspredigt geſaget: daß ich bei meiner Gemein in Noth
und Tod wölle verharren. Möchte dannenhero noch ein
wenig verziehen, und ſie ſelbſten einmal nach der Lie¬
pen ſenden dieweilen ſie hoffe, bei ihrer Freundſchaft
und anderswo was rechtes für uns aufzutreiben. Solche
Rede, inſonderheit von meiner Antrittspredigt fiel mir
faſt ſchwer aufs Gewiſſen, und ich ſchämete mich für
meinen Unglauben, ſintemalen nicht allein mein Töch¬
terlein, beſondern auch meine Magd einen ſtärkern Glau¬
ben hätten denn ich, der ich doch wöllte ein Diener
beim Worte ſein. Erachtete alſo, daß der Herr um
mich armen, furchtſamen Miethling zurücke zu halten,
und gleicher Weiß mich zu demüthigen dieſe arme Magd
ewecket, ſo mich verſuchen gewußt wie wailand die Magd
im Pallaſt des Hohenprieſters den furchtſamen St. Pe¬
trum. Wandte dahero wie Hiskias mein Angeſicht
gen die Wand und demüthigte mich vor dem Herrn,
was kaum geſchehen als mein Töchterlein abermals mit
einem Freudengeſchrei zur Thüren hereinfuhr. Siehe ein
chriſtliches Herze war zur Nacht heimlich ins Haus ge¬
ſtiegen und hatte uns zwo Brode, ein gut Stück Fleiſch,
einen Beutel mit Grütze item einen Beutel mit Salz,
bei einer Metzen wohl, in die Kammer geſetzet. Da
kann nun männiglich gießen, welch groß Freudengeſchrei
wir alleſammt erhoben. Auch ſchämete mich nit, für
meiner Magd meine Sünden zu bekennen, und in un¬
ſerm gemeinen Morgengebet, ſo wir auf den Knieen
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Meinhold, Wilhelm: Maria Schweidler die Bernsteinhexe. Berlin, 1843, S. 45. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meinhold_bernsteinhexe_1843/61>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.