Pest- und Kriegeszeit manchen Diener seines Worts ab¬ gerufen, ich auch nicht, wie ein Miethling von seiner Heerde flöhe, besondern bis dato Noth und Tod mit ihr getheilet. Ob sie aber wohl des Tages ein oder zwo Meilen würde gehen künnen? dann wöllten wir uns gen Hamburg durchbitten zu meiner seligen Frauen ihrem Stiefbruder, Martin Behring so dorten ein für¬ nehmer Kaufmann ist.
Solliches kam ihr anfänglich seltsam für, inmassen sie wenig aus unserm Kapsel gekommen auch ihre se¬ lige Mutter und Brüderlein auf unserm Kirchhof la¬ gen. "Wer dann ihr Grab aufmachen und mit Blu¬ men bepflanzen söllte? item, da der Herre ihr ein glatt Gesicht gegeben, was ich thun wöllte, wenn sie in die¬ ser wilden grimmigen Zeit auf der Landstraßen von dem umbherstreichenden Kriegsvolk und andern Lotterbuben angefallen würd, da ich ein alter schwacher Mann sei und sie nit schützen könnte, item womit wir uns für dem Froste schützen wöllten, da der Winter hereinbräch, und der Feind unsere Kleider geraubet, so daß wir ja kaum unsere Blöße decken künnten?" -- Dieses Alles hatte ich mir noch nicht fürgestellet, mußte ihr also recht geben, und wurde nach vielem Disputiren beschlossen, daß wir zur Nacht die Sache wöllten dem Herrn über¬ lassen, und was er am andern Morgen uns würde in das Herze geben, wöllten wir thun. Doch sahen wir wohl, daß wir auf keinerlei Weiß würden die alte Magd länger behalten können. Rief sie also aus der Küchen
Peſt- und Kriegeszeit manchen Diener ſeines Worts ab¬ gerufen, ich auch nicht, wie ein Miethling von ſeiner Heerde flöhe, beſondern bis dato Noth und Tod mit ihr getheilet. Ob ſie aber wohl des Tages ein oder zwo Meilen würde gehen künnen? dann wöllten wir uns gen Hamburg durchbitten zu meiner ſeligen Frauen ihrem Stiefbruder, Martin Behring ſo dorten ein für¬ nehmer Kaufmann iſt.
Solliches kam ihr anfänglich ſeltſam für, inmaſſen ſie wenig aus unſerm Kapſel gekommen auch ihre ſe¬ lige Mutter und Brüderlein auf unſerm Kirchhof la¬ gen. „Wer dann ihr Grab aufmachen und mit Blu¬ men bepflanzen ſöllte? item, da der Herre ihr ein glatt Geſicht gegeben, was ich thun wöllte, wenn ſie in die¬ ſer wilden grimmigen Zeit auf der Landſtraßen von dem umbherſtreichenden Kriegsvolk und andern Lotterbuben angefallen würd, da ich ein alter ſchwacher Mann ſei und ſie nit ſchützen könnte, item womit wir uns für dem Froſte ſchützen wöllten, da der Winter hereinbräch, und der Feind unſere Kleider geraubet, ſo daß wir ja kaum unſere Blöße decken künnten?" — Dieſes Alles hatte ich mir noch nicht fürgeſtellet, mußte ihr alſo recht geben, und wurde nach vielem Disputiren beſchloſſen, daß wir zur Nacht die Sache wöllten dem Herrn über¬ laſſen, und was er am andern Morgen uns würde in das Herze geben, wöllten wir thun. Doch ſahen wir wohl, daß wir auf keinerlei Weiß würden die alte Magd länger behalten können. Rief ſie alſo aus der Küchen
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0057"n="41"/>
Peſt- und Kriegeszeit manchen Diener ſeines Worts ab¬<lb/>
gerufen, ich auch nicht, wie ein Miethling von ſeiner<lb/>
Heerde flöhe, beſondern bis <hirendition="#aq">dato</hi> Noth und Tod mit<lb/>
ihr getheilet. Ob ſie aber wohl des Tages ein oder<lb/>
zwo Meilen würde gehen künnen? dann wöllten wir<lb/>
uns gen Hamburg durchbitten zu meiner ſeligen Frauen<lb/>
ihrem Stiefbruder, Martin Behring ſo dorten ein für¬<lb/>
nehmer Kaufmann iſt.</p><lb/><p>Solliches kam ihr anfänglich ſeltſam für, inmaſſen<lb/>ſie wenig aus unſerm Kapſel gekommen auch ihre ſe¬<lb/>
lige Mutter und Brüderlein auf unſerm Kirchhof la¬<lb/>
gen. „Wer dann ihr Grab aufmachen und mit Blu¬<lb/>
men bepflanzen ſöllte? <hirendition="#aq">item</hi>, da der Herre ihr ein glatt<lb/>
Geſicht gegeben, was ich thun wöllte, wenn ſie in die¬<lb/>ſer wilden grimmigen Zeit auf der Landſtraßen von dem<lb/>
umbherſtreichenden Kriegsvolk und andern Lotterbuben<lb/>
angefallen würd, da ich ein alter ſchwacher Mann ſei<lb/>
und ſie nit ſchützen könnte, <hirendition="#aq">item</hi> womit wir uns für<lb/>
dem Froſte ſchützen wöllten, da der Winter hereinbräch,<lb/>
und der Feind unſere Kleider geraubet, ſo daß wir ja<lb/>
kaum unſere Blöße decken künnten?" — Dieſes Alles<lb/>
hatte ich mir noch nicht fürgeſtellet, mußte ihr alſo recht<lb/>
geben, und wurde nach vielem Disputiren beſchloſſen,<lb/>
daß wir zur Nacht die Sache wöllten dem Herrn über¬<lb/>
laſſen, und was er am andern Morgen uns würde in<lb/>
das Herze geben, wöllten wir thun. Doch ſahen wir<lb/>
wohl, daß wir auf keinerlei Weiß würden die alte Magd<lb/>
länger behalten können. Rief ſie alſo aus der Küchen<lb/></p></div></body></text></TEI>
[41/0057]
Peſt- und Kriegeszeit manchen Diener ſeines Worts ab¬
gerufen, ich auch nicht, wie ein Miethling von ſeiner
Heerde flöhe, beſondern bis dato Noth und Tod mit
ihr getheilet. Ob ſie aber wohl des Tages ein oder
zwo Meilen würde gehen künnen? dann wöllten wir
uns gen Hamburg durchbitten zu meiner ſeligen Frauen
ihrem Stiefbruder, Martin Behring ſo dorten ein für¬
nehmer Kaufmann iſt.
Solliches kam ihr anfänglich ſeltſam für, inmaſſen
ſie wenig aus unſerm Kapſel gekommen auch ihre ſe¬
lige Mutter und Brüderlein auf unſerm Kirchhof la¬
gen. „Wer dann ihr Grab aufmachen und mit Blu¬
men bepflanzen ſöllte? item, da der Herre ihr ein glatt
Geſicht gegeben, was ich thun wöllte, wenn ſie in die¬
ſer wilden grimmigen Zeit auf der Landſtraßen von dem
umbherſtreichenden Kriegsvolk und andern Lotterbuben
angefallen würd, da ich ein alter ſchwacher Mann ſei
und ſie nit ſchützen könnte, item womit wir uns für
dem Froſte ſchützen wöllten, da der Winter hereinbräch,
und der Feind unſere Kleider geraubet, ſo daß wir ja
kaum unſere Blöße decken künnten?" — Dieſes Alles
hatte ich mir noch nicht fürgeſtellet, mußte ihr alſo recht
geben, und wurde nach vielem Disputiren beſchloſſen,
daß wir zur Nacht die Sache wöllten dem Herrn über¬
laſſen, und was er am andern Morgen uns würde in
das Herze geben, wöllten wir thun. Doch ſahen wir
wohl, daß wir auf keinerlei Weiß würden die alte Magd
länger behalten können. Rief ſie alſo aus der Küchen
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Meinhold, Wilhelm: Maria Schweidler die Bernsteinhexe. Berlin, 1843, S. 41. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meinhold_bernsteinhexe_1843/57>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.