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Meinhold, Wilhelm: Maria Schweidler die Bernsteinhexe. Berlin, 1843.

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Pest- und Kriegeszeit manchen Diener seines Worts ab¬
gerufen, ich auch nicht, wie ein Miethling von seiner
Heerde flöhe, besondern bis dato Noth und Tod mit
ihr getheilet. Ob sie aber wohl des Tages ein oder
zwo Meilen würde gehen künnen? dann wöllten wir
uns gen Hamburg durchbitten zu meiner seligen Frauen
ihrem Stiefbruder, Martin Behring so dorten ein für¬
nehmer Kaufmann ist.

Solliches kam ihr anfänglich seltsam für, inmassen
sie wenig aus unserm Kapsel gekommen auch ihre se¬
lige Mutter und Brüderlein auf unserm Kirchhof la¬
gen. "Wer dann ihr Grab aufmachen und mit Blu¬
men bepflanzen söllte? item, da der Herre ihr ein glatt
Gesicht gegeben, was ich thun wöllte, wenn sie in die¬
ser wilden grimmigen Zeit auf der Landstraßen von dem
umbherstreichenden Kriegsvolk und andern Lotterbuben
angefallen würd, da ich ein alter schwacher Mann sei
und sie nit schützen könnte, item womit wir uns für
dem Froste schützen wöllten, da der Winter hereinbräch,
und der Feind unsere Kleider geraubet, so daß wir ja
kaum unsere Blöße decken künnten?" -- Dieses Alles
hatte ich mir noch nicht fürgestellet, mußte ihr also recht
geben, und wurde nach vielem Disputiren beschlossen,
daß wir zur Nacht die Sache wöllten dem Herrn über¬
lassen, und was er am andern Morgen uns würde in
das Herze geben, wöllten wir thun. Doch sahen wir
wohl, daß wir auf keinerlei Weiß würden die alte Magd
länger behalten können. Rief sie also aus der Küchen

Peſt- und Kriegeszeit manchen Diener ſeines Worts ab¬
gerufen, ich auch nicht, wie ein Miethling von ſeiner
Heerde flöhe, beſondern bis dato Noth und Tod mit
ihr getheilet. Ob ſie aber wohl des Tages ein oder
zwo Meilen würde gehen künnen? dann wöllten wir
uns gen Hamburg durchbitten zu meiner ſeligen Frauen
ihrem Stiefbruder, Martin Behring ſo dorten ein für¬
nehmer Kaufmann iſt.

Solliches kam ihr anfänglich ſeltſam für, inmaſſen
ſie wenig aus unſerm Kapſel gekommen auch ihre ſe¬
lige Mutter und Brüderlein auf unſerm Kirchhof la¬
gen. „Wer dann ihr Grab aufmachen und mit Blu¬
men bepflanzen ſöllte? item, da der Herre ihr ein glatt
Geſicht gegeben, was ich thun wöllte, wenn ſie in die¬
ſer wilden grimmigen Zeit auf der Landſtraßen von dem
umbherſtreichenden Kriegsvolk und andern Lotterbuben
angefallen würd, da ich ein alter ſchwacher Mann ſei
und ſie nit ſchützen könnte, item womit wir uns für
dem Froſte ſchützen wöllten, da der Winter hereinbräch,
und der Feind unſere Kleider geraubet, ſo daß wir ja
kaum unſere Blöße decken künnten?" — Dieſes Alles
hatte ich mir noch nicht fürgeſtellet, mußte ihr alſo recht
geben, und wurde nach vielem Disputiren beſchloſſen,
daß wir zur Nacht die Sache wöllten dem Herrn über¬
laſſen, und was er am andern Morgen uns würde in
das Herze geben, wöllten wir thun. Doch ſahen wir
wohl, daß wir auf keinerlei Weiß würden die alte Magd
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[41/0057] Peſt- und Kriegeszeit manchen Diener ſeines Worts ab¬ gerufen, ich auch nicht, wie ein Miethling von ſeiner Heerde flöhe, beſondern bis dato Noth und Tod mit ihr getheilet. Ob ſie aber wohl des Tages ein oder zwo Meilen würde gehen künnen? dann wöllten wir uns gen Hamburg durchbitten zu meiner ſeligen Frauen ihrem Stiefbruder, Martin Behring ſo dorten ein für¬ nehmer Kaufmann iſt. Solliches kam ihr anfänglich ſeltſam für, inmaſſen ſie wenig aus unſerm Kapſel gekommen auch ihre ſe¬ lige Mutter und Brüderlein auf unſerm Kirchhof la¬ gen. „Wer dann ihr Grab aufmachen und mit Blu¬ men bepflanzen ſöllte? item, da der Herre ihr ein glatt Geſicht gegeben, was ich thun wöllte, wenn ſie in die¬ ſer wilden grimmigen Zeit auf der Landſtraßen von dem umbherſtreichenden Kriegsvolk und andern Lotterbuben angefallen würd, da ich ein alter ſchwacher Mann ſei und ſie nit ſchützen könnte, item womit wir uns für dem Froſte ſchützen wöllten, da der Winter hereinbräch, und der Feind unſere Kleider geraubet, ſo daß wir ja kaum unſere Blöße decken künnten?" — Dieſes Alles hatte ich mir noch nicht fürgeſtellet, mußte ihr alſo recht geben, und wurde nach vielem Disputiren beſchloſſen, daß wir zur Nacht die Sache wöllten dem Herrn über¬ laſſen, und was er am andern Morgen uns würde in das Herze geben, wöllten wir thun. Doch ſahen wir wohl, daß wir auf keinerlei Weiß würden die alte Magd länger behalten können. Rief ſie alſo aus der Küchen

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Zitationshilfe: Meinhold, Wilhelm: Maria Schweidler die Bernsteinhexe. Berlin, 1843, S. 41. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meinhold_bernsteinhexe_1843/57>, abgerufen am 23.11.2024.