Töchterlein insonderheit, ward von Tag zu Tag blasser, grauer und gelber, und spiee immer wieder die Speiß aus, da sie Allens ohne Salz und Brod genoß. Wun¬ derte mich schon lange, daß das Brod aus der Liepe nit wollte all werden, sondern ich alle Mittag bisher ein Stücklein gehabt. Hatte auch öftermalen gefraget, wo hastu denn immerfort das liebe Brod her, am Ende hebest du Alles vor mich allein auf, und nimmst weder vor dich ein Stücklein, noch vor die Magd. Aber beide hoben dann immer ein Stücklein tannen Bork *) in die Höhe, so sie zurecht geschnitten und vor ihren Teller ge¬ legt, und da es dunkel war in der Stuben, merkete ich die Schalkheit nit, sondern gläubete sie äßen auch Brod. Aber endiglichen zeigt es mir die Magd an, daß ich es nit länger leiden söllte, dieweil mein Töchterlein ihr selb¬ sten nit hören wölle. Da kann nun männiglich abneh¬ men, wie mir um das Herze war, als ich mein arm Kind auf ihr Moosbett liegen und ringen sah mit dem grimmigen Hunger. Aber es sollte noch härter kom¬ men, denn der Herr wollte mich ganz zerschlagen in sei¬ nem Zorn wie einen Topf. Siehe auf den Abend des¬ selbigen Tages kommt der alte Paassch angelaufen kla¬ gende, daß all sein und mein Korn im Felde umbgeha¬ ket und elendiglich zerstöret sei, und müsse dies schier der leidige Satan gethan haben, angesehen nicht die Spur eines Ochsen weder eines Rosses zu sehen wär. Für
*) Rinde.
3 *
Töchterlein inſonderheit, ward von Tag zu Tag blaſſer, grauer und gelber, und ſpiee immer wieder die Speiß aus, da ſie Allens ohne Salz und Brod genoß. Wun¬ derte mich ſchon lange, daß das Brod aus der Liepe nit wollte all werden, ſondern ich alle Mittag bisher ein Stücklein gehabt. Hatte auch öftermalen gefraget, wo haſtu denn immerfort das liebe Brod her, am Ende hebeſt du Alles vor mich allein auf, und nimmſt weder vor dich ein Stücklein, noch vor die Magd. Aber beide hoben dann immer ein Stücklein tannen Bork *) in die Höhe, ſo ſie zurecht geſchnitten und vor ihren Teller ge¬ legt, und da es dunkel war in der Stuben, merkete ich die Schalkheit nit, ſondern gläubete ſie äßen auch Brod. Aber endiglichen zeigt es mir die Magd an, daß ich es nit länger leiden ſöllte, dieweil mein Töchterlein ihr ſelb¬ ſten nit hören wölle. Da kann nun männiglich abneh¬ men, wie mir um das Herze war, als ich mein arm Kind auf ihr Moosbett liegen und ringen ſah mit dem grimmigen Hunger. Aber es ſollte noch härter kom¬ men, denn der Herr wollte mich ganz zerſchlagen in ſei¬ nem Zorn wie einen Topf. Siehe auf den Abend deſ¬ ſelbigen Tages kommt der alte Paaſsch angelaufen kla¬ gende, daß all ſein und mein Korn im Felde umbgeha¬ ket und elendiglich zerſtöret ſei, und müſſe dies ſchier der leidige Satan gethan haben, angeſehen nicht die Spur eines Ochſen weder eines Roſſes zu ſehen wär. Für
*) Rinde.
3 *
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0051"n="35"/>
Töchterlein inſonderheit, ward von Tag zu Tag blaſſer,<lb/>
grauer und gelber, und ſpiee immer wieder die Speiß<lb/>
aus, da ſie Allens ohne Salz und Brod genoß. Wun¬<lb/>
derte mich ſchon lange, daß das Brod aus der Liepe<lb/>
nit wollte all werden, ſondern ich alle Mittag bisher<lb/>
ein Stücklein gehabt. Hatte auch öftermalen gefraget,<lb/>
wo haſtu denn immerfort das liebe Brod her, am Ende<lb/>
hebeſt du Alles vor mich allein auf, und nimmſt weder<lb/>
vor dich ein Stücklein, noch vor die Magd. Aber beide<lb/>
hoben dann immer ein Stücklein tannen Bork <noteplace="foot"n="*)">Rinde.</note> in die<lb/>
Höhe, ſo ſie zurecht geſchnitten und vor ihren Teller ge¬<lb/>
legt, und da es dunkel war in der Stuben, merkete ich<lb/>
die Schalkheit nit, ſondern gläubete ſie äßen auch Brod.<lb/>
Aber endiglichen zeigt es mir die Magd an, daß ich es<lb/>
nit länger leiden ſöllte, dieweil mein Töchterlein ihr ſelb¬<lb/>ſten nit hören wölle. Da kann nun männiglich abneh¬<lb/>
men, wie mir um das Herze war, als ich mein arm<lb/>
Kind auf ihr Moosbett liegen und ringen ſah mit dem<lb/>
grimmigen Hunger. Aber es ſollte noch härter kom¬<lb/>
men, denn der Herr wollte mich ganz zerſchlagen in ſei¬<lb/>
nem Zorn wie einen Topf. Siehe auf den Abend deſ¬<lb/>ſelbigen Tages kommt der alte Paaſsch angelaufen kla¬<lb/>
gende, daß all ſein und mein Korn im Felde umbgeha¬<lb/>
ket und elendiglich zerſtöret ſei, und müſſe dies ſchier der<lb/>
leidige Satan gethan haben, angeſehen nicht die Spur<lb/>
eines Ochſen weder eines Roſſes zu ſehen wär. Für<lb/><fwplace="bottom"type="sig">3 *<lb/></fw></p></div></body></text></TEI>
[35/0051]
Töchterlein inſonderheit, ward von Tag zu Tag blaſſer,
grauer und gelber, und ſpiee immer wieder die Speiß
aus, da ſie Allens ohne Salz und Brod genoß. Wun¬
derte mich ſchon lange, daß das Brod aus der Liepe
nit wollte all werden, ſondern ich alle Mittag bisher
ein Stücklein gehabt. Hatte auch öftermalen gefraget,
wo haſtu denn immerfort das liebe Brod her, am Ende
hebeſt du Alles vor mich allein auf, und nimmſt weder
vor dich ein Stücklein, noch vor die Magd. Aber beide
hoben dann immer ein Stücklein tannen Bork *) in die
Höhe, ſo ſie zurecht geſchnitten und vor ihren Teller ge¬
legt, und da es dunkel war in der Stuben, merkete ich
die Schalkheit nit, ſondern gläubete ſie äßen auch Brod.
Aber endiglichen zeigt es mir die Magd an, daß ich es
nit länger leiden ſöllte, dieweil mein Töchterlein ihr ſelb¬
ſten nit hören wölle. Da kann nun männiglich abneh¬
men, wie mir um das Herze war, als ich mein arm
Kind auf ihr Moosbett liegen und ringen ſah mit dem
grimmigen Hunger. Aber es ſollte noch härter kom¬
men, denn der Herr wollte mich ganz zerſchlagen in ſei¬
nem Zorn wie einen Topf. Siehe auf den Abend deſ¬
ſelbigen Tages kommt der alte Paaſsch angelaufen kla¬
gende, daß all ſein und mein Korn im Felde umbgeha¬
ket und elendiglich zerſtöret ſei, und müſſe dies ſchier der
leidige Satan gethan haben, angeſehen nicht die Spur
eines Ochſen weder eines Roſſes zu ſehen wär. Für
*) Rinde.
3 *
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Meinhold, Wilhelm: Maria Schweidler die Bernsteinhexe. Berlin, 1843, S. 35. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meinhold_bernsteinhexe_1843/51>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.