rannte alsogleich aus der Stuben, umb über das Hak¬ kelwerk zu schauen. Währete auch nit lange, so kam sie wieder zurücke gelaufen, fiel mir umb meinen Hals und schriee in einem wegk: "der Junker, der Junker!" wollte darauf abereins heraus ihme entgegen, was ich ihr aber wehrete, und sölle sie sich lieber ihre Haare wegkstecken, was sie auch einsah und lachende weinende und betende zugleich sich ihre langen Haare wieder auf¬ bund. Nunmehro kam aber auch der Junker schon umb die Ecken gegaloppiret, hatte ein grün sammet Wam¬ mes an, mit rothen seidinen Aermeln, und einen grauen Hut mit einer Reiherfeder, summa war stattlich ange¬ than, wie eim Bräutigam gebühret. Und als wir nun¬ mehro aus der Thüren liefen, rief er meinem Töchter¬ lein auf lateinisch schon von ferne entgegen: quomodo stat dulcissima virgo*)? worauf sie zur Antwort gabe: bene, te aspecto**). Sprung also lächelnd vom Roß, und gab solches meinem Ackersknecht, so mit der Magd auch herbeikommen war, umb sein zu pflegen, verschrak sich aber als er mein Töchterlein also blaß sahe, und sprach, sie bei ihrer Hand fassend, auf teutsch: "mein Gott, was fehlet Ihr liebe Jungfer, Sie sieht ja blasser aus, denn da Sie auf den Scheiterhaufen sollte?" worauf sie zur Antwort gab: "ich bin auch alle Tage zum Schei¬ terhaufen gefahren, seitdem Er uns verlassen, lieber Herre,
*) Wie steht es süße Jungfrau?
**) gut, da ich dich erblickt habe.
rannte alſogleich aus der Stuben, umb über das Hak¬ kelwerk zu ſchauen. Währete auch nit lange, ſo kam ſie wieder zurücke gelaufen, fiel mir umb meinen Hals und ſchriee in einem wegk: „der Junker, der Junker!“ wollte darauf abereins heraus ihme entgegen, was ich ihr aber wehrete, und ſölle ſie ſich lieber ihre Haare wegkſtecken, was ſie auch einſah und lachende weinende und betende zugleich ſich ihre langen Haare wieder auf¬ bund. Nunmehro kam aber auch der Junker ſchon umb die Ecken gegaloppiret, hatte ein grün ſammet Wam¬ mes an, mit rothen ſeidinen Aermeln, und einen grauen Hut mit einer Reiherfeder, summa war ſtattlich ange¬ than, wie eim Bräutigam gebühret. Und als wir nun¬ mehro aus der Thüren liefen, rief er meinem Töchter¬ lein auf lateiniſch ſchon von ferne entgegen: quomodo stat dulcissima virgo*)? worauf ſie zur Antwort gabe: bene, te aspecto**). Sprung alſo lächelnd vom Roß, und gab ſolches meinem Ackersknecht, ſo mit der Magd auch herbeikommen war, umb ſein zu pflegen, verſchrak ſich aber als er mein Töchterlein alſo blaß ſahe, und ſprach, ſie bei ihrer Hand faſſend, auf teutſch: „mein Gott, was fehlet Ihr liebe Jungfer, Sie ſieht ja blaſſer aus, denn da Sie auf den Scheiterhaufen ſollte?“ worauf ſie zur Antwort gab: „ich bin auch alle Tage zum Schei¬ terhaufen gefahren, ſeitdem Er uns verlaſſen, lieber Herre,
*) Wie ſteht es ſüße Jungfrau?
**) gut, da ich dich erblickt habe.
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rannte alſogleich aus der Stuben, umb über das Hak¬
kelwerk zu ſchauen. Währete auch nit lange, ſo kam
ſie wieder zurücke gelaufen, fiel mir umb meinen Hals
und ſchriee in einem wegk: „der Junker, der Junker!“
wollte darauf abereins heraus ihme entgegen, was ich
ihr aber wehrete, und ſölle ſie ſich lieber ihre Haare
wegkſtecken, was ſie auch einſah und lachende weinende
und betende zugleich ſich ihre langen Haare wieder auf¬
bund. Nunmehro kam aber auch der Junker ſchon umb
die Ecken gegaloppiret, hatte ein grün ſammet Wam¬
mes an, mit rothen ſeidinen Aermeln, und einen grauen
Hut mit einer Reiherfeder, summa war ſtattlich ange¬
than, wie eim Bräutigam gebühret. Und als wir nun¬
mehro aus der Thüren liefen, rief er meinem Töchter¬
lein auf lateiniſch ſchon von ferne entgegen: quomodo
stat dulcissima virgo *)? worauf ſie zur Antwort gabe:
bene, te aspecto **). Sprung alſo lächelnd vom Roß,
und gab ſolches meinem Ackersknecht, ſo mit der Magd
auch herbeikommen war, umb ſein zu pflegen, verſchrak
ſich aber als er mein Töchterlein alſo blaß ſahe, und
ſprach, ſie bei ihrer Hand faſſend, auf teutſch: „mein
Gott, was fehlet Ihr liebe Jungfer, Sie ſieht ja blaſſer
aus, denn da Sie auf den Scheiterhaufen ſollte?“ worauf
ſie zur Antwort gab: „ich bin auch alle Tage zum Schei¬
terhaufen gefahren, ſeitdem Er uns verlaſſen, lieber Herre,
*) Wie ſteht es ſüße Jungfrau?
**) gut, da ich dich erblickt habe.
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Meinhold, Wilhelm: Maria Schweidler die Bernsteinhexe. Berlin, 1843, S. 285. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meinhold_bernsteinhexe_1843/301>, abgerufen am 28.04.2024.
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