Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Meinhold, Wilhelm: Maria Schweidler die Bernsteinhexe. Berlin, 1843.

Bild:
<< vorherige Seite

sacket, daß ihr Kränzlein meinem Herrn Gevatter fast
seine Knie berühret. Und hat selbiger nunmehro dem
Gutscher anbefohlen, einen Augenblick stille zu halten, und
zu einer kleinen Flaschen mit Wein gegriffen, so er im¬
mer in seiner Taschen führet, wenn Hexen gebrennet
werden *) umb ihnen in solcher Angst beizuspringen,
(will es hinfüro auch so halten, dieweil mir diese Mode
von meim lieben Gevatter wohl gefällt). Von solchem
Wein hat er erstlich mir in meinen Hals gegossen, und
nachgehends auch meinem Töchterlein, und seind wir kaum
wieder zu uns kommen, als ein grausamer Rumor und
Tumult sich unter dem Volke hinter uns erhoben, und
selbiges nicht nur in Todesangst gerufen: der Amtshaubt¬
mann kommt wieder! besondern auch, da es weder vor¬
wärts noch rückwärts entweichen mügen (denn hinter
sich scheueten sie das Gespenst und vor sich mein Töch¬
terlein) zur Seiten gelaufen, und zum Theil in den Busch
gesprungen, zum Theil aber bis an den Hals in das
Achterwasser gewatet. Item ist Dom. Camerarius, so
bald er gesehen, daß das Gespenst auf den Schimmel
aus dem Busch gekommen, so auch einen grauen Hut
mit einer grauen Feder aufgehabt, wie der Amtshaubt¬
mann hätte, unter ein Bund Stroh in den Wagen nie¬
dergekrochen, Dn. Consul aber hat abereins mein Kind
verwünschet, und schon denen Gutschern Befehlig gege¬

*) Dies geschah in damaliger Zeit so häufig, daß in
manchen Parochien Pommerns wohl sechs bis sieben solcher
elenden Weiber jährlich den Scheiterhaufen besteigen mußten.

ſacket, daß ihr Kränzlein meinem Herrn Gevatter faſt
ſeine Knie berühret. Und hat ſelbiger nunmehro dem
Gutſcher anbefohlen, einen Augenblick ſtille zu halten, und
zu einer kleinen Flaſchen mit Wein gegriffen, ſo er im¬
mer in ſeiner Taſchen führet, wenn Hexen gebrennet
werden *) umb ihnen in ſolcher Angſt beizuſpringen,
(will es hinfüro auch ſo halten, dieweil mir dieſe Mode
von meim lieben Gevatter wohl gefällt). Von ſolchem
Wein hat er erſtlich mir in meinen Hals gegoſſen, und
nachgehends auch meinem Töchterlein, und ſeind wir kaum
wieder zu uns kommen, als ein grauſamer Rumor und
Tumult ſich unter dem Volke hinter uns erhoben, und
ſelbiges nicht nur in Todesangſt gerufen: der Amtshaubt¬
mann kommt wieder! beſondern auch, da es weder vor¬
wärts noch rückwärts entweichen mügen (denn hinter
ſich ſcheueten ſie das Geſpenſt und vor ſich mein Töch¬
terlein) zur Seiten gelaufen, und zum Theil in den Buſch
geſprungen, zum Theil aber bis an den Hals in das
Achterwaſſer gewatet. Item iſt Dom. Camerarius, ſo
bald er geſehen, daß das Geſpenſt auf den Schimmel
aus dem Buſch gekommen, ſo auch einen grauen Hut
mit einer grauen Feder aufgehabt, wie der Amtshaubt¬
mann hätte, unter ein Bund Stroh in den Wagen nie¬
dergekrochen, Dn. Consul aber hat abereins mein Kind
verwünſchet, und ſchon denen Gutſchern Befehlig gege¬

*) Dies geſchah in damaliger Zeit ſo häufig, daß in
manchen Parochien Pommerns wohl ſechs bis ſieben ſolcher
elenden Weiber jährlich den Scheiterhaufen beſteigen mußten.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0279" n="263"/>
&#x017F;acket, daß ihr Kränzlein meinem Herrn Gevatter fa&#x017F;t<lb/>
&#x017F;eine Knie berühret. Und hat &#x017F;elbiger nunmehro dem<lb/>
Gut&#x017F;cher anbefohlen, einen Augenblick &#x017F;tille zu halten, und<lb/>
zu einer kleinen Fla&#x017F;chen mit Wein gegriffen, &#x017F;o er im¬<lb/>
mer in &#x017F;einer Ta&#x017F;chen führet, wenn Hexen gebrennet<lb/>
werden <note place="foot" n="*)">Dies ge&#x017F;chah in damaliger Zeit &#x017F;o häufig, daß in<lb/>
manchen Parochien Pommerns wohl &#x017F;echs bis &#x017F;ieben &#x017F;olcher<lb/>
elenden Weiber jährlich den Scheiterhaufen be&#x017F;teigen mußten.</note> umb ihnen in &#x017F;olcher Ang&#x017F;t beizu&#x017F;pringen,<lb/>
(will es hinfüro auch &#x017F;o halten, dieweil mir die&#x017F;e Mode<lb/>
von meim lieben Gevatter wohl gefällt). Von &#x017F;olchem<lb/>
Wein hat er er&#x017F;tlich mir in meinen Hals gego&#x017F;&#x017F;en, und<lb/>
nachgehends auch meinem Töchterlein, und &#x017F;eind wir kaum<lb/>
wieder zu uns kommen, als ein grau&#x017F;amer Rumor und<lb/>
Tumult &#x017F;ich unter dem Volke hinter uns erhoben, und<lb/>
&#x017F;elbiges nicht nur in Todesang&#x017F;t gerufen: der Amtshaubt¬<lb/>
mann kommt wieder! be&#x017F;ondern auch, da es weder vor¬<lb/>
wärts noch rückwärts entweichen mügen (denn hinter<lb/>
&#x017F;ich &#x017F;cheueten &#x017F;ie das Ge&#x017F;pen&#x017F;t und vor &#x017F;ich mein Töch¬<lb/>
terlein) zur Seiten gelaufen, und zum Theil in den Bu&#x017F;ch<lb/>
ge&#x017F;prungen, zum Theil aber bis an den Hals in das<lb/>
Achterwa&#x017F;&#x017F;er gewatet. <hi rendition="#aq">Item</hi> i&#x017F;t <hi rendition="#aq">Dom. Camerarius</hi>, &#x017F;o<lb/>
bald er ge&#x017F;ehen, daß das Ge&#x017F;pen&#x017F;t auf den Schimmel<lb/>
aus dem Bu&#x017F;ch gekommen, &#x017F;o auch einen grauen Hut<lb/>
mit einer grauen Feder aufgehabt, wie der Amtshaubt¬<lb/>
mann hätte, unter ein Bund Stroh in den Wagen nie¬<lb/>
dergekrochen, <hi rendition="#aq">Dn. Consul</hi> aber hat abereins mein Kind<lb/>
verwün&#x017F;chet, und &#x017F;chon denen Gut&#x017F;chern Befehlig gege¬<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[263/0279] ſacket, daß ihr Kränzlein meinem Herrn Gevatter faſt ſeine Knie berühret. Und hat ſelbiger nunmehro dem Gutſcher anbefohlen, einen Augenblick ſtille zu halten, und zu einer kleinen Flaſchen mit Wein gegriffen, ſo er im¬ mer in ſeiner Taſchen führet, wenn Hexen gebrennet werden *) umb ihnen in ſolcher Angſt beizuſpringen, (will es hinfüro auch ſo halten, dieweil mir dieſe Mode von meim lieben Gevatter wohl gefällt). Von ſolchem Wein hat er erſtlich mir in meinen Hals gegoſſen, und nachgehends auch meinem Töchterlein, und ſeind wir kaum wieder zu uns kommen, als ein grauſamer Rumor und Tumult ſich unter dem Volke hinter uns erhoben, und ſelbiges nicht nur in Todesangſt gerufen: der Amtshaubt¬ mann kommt wieder! beſondern auch, da es weder vor¬ wärts noch rückwärts entweichen mügen (denn hinter ſich ſcheueten ſie das Geſpenſt und vor ſich mein Töch¬ terlein) zur Seiten gelaufen, und zum Theil in den Buſch geſprungen, zum Theil aber bis an den Hals in das Achterwaſſer gewatet. Item iſt Dom. Camerarius, ſo bald er geſehen, daß das Geſpenſt auf den Schimmel aus dem Buſch gekommen, ſo auch einen grauen Hut mit einer grauen Feder aufgehabt, wie der Amtshaubt¬ mann hätte, unter ein Bund Stroh in den Wagen nie¬ dergekrochen, Dn. Consul aber hat abereins mein Kind verwünſchet, und ſchon denen Gutſchern Befehlig gege¬ *) Dies geſchah in damaliger Zeit ſo häufig, daß in manchen Parochien Pommerns wohl ſechs bis ſieben ſolcher elenden Weiber jährlich den Scheiterhaufen beſteigen mußten.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/meinhold_bernsteinhexe_1843
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/meinhold_bernsteinhexe_1843/279
Zitationshilfe: Meinhold, Wilhelm: Maria Schweidler die Bernsteinhexe. Berlin, 1843, S. 263. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meinhold_bernsteinhexe_1843/279>, abgerufen am 10.05.2024.