Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Meinhold, Wilhelm: Maria Schweidler die Bernsteinhexe. Berlin, 1843.

Bild:
<< vorherige Seite

Aber ich tröstete mich, daß unser Herr Gott es ihr in
ihrer Einfalt wohl verzeihen würde. Und lautete die
erste Zeil also: dies irae, dies ille. *) Insonderheit
aber gefielen ihr diese beiden Verse, so sie oftmals mit
großer Erbauung betete, und ich darumb hieher setzen will:

judex ergo, cum sedebit,
quidquid latet, apparebit
nil inultum remanebit;
item:
rex tremendae majestatis
qui salvandos salvas gratis,
salva me, fons pietatis! -- **)

Als aber die Kerls mit den Forken, so umb den
Wagen gingen, solches höreten, und zugleich ein schwer
Wetter vom Achterwater ***) aufkam, vermeineten sie
nit anders, denn daß mein Töchterlein es gemachet, und
da das Volk so hinten nachsetzete, auch schrie: "dat het
de Hex dahn, dat hett de verfluchte Hex dahn!" sprun¬
gen sie alle zehn bis auf einen, so verblieb, über den

*) Jener Tag, der Tag des Zornes etc. eines der schön¬
sten katholischen Kirchenlieder.
**) D. i.:
Wenn der ernste Richter schlichtet
Und der Herzen Dunkel lichtet,
Bleibt nichts Böses ungerichtet;
ingleichen:

König majestätscher Größe,
Der umsonst deckt unsre Blöße
Quell der Liebe, komm, erlöse! --
***) Ein Meerbusen, den die Peene in dieser Gegend
bildet.

Aber ich tröſtete mich, daß unſer Herr Gott es ihr in
ihrer Einfalt wohl verzeihen würde. Und lautete die
erſte Zeil alſo: dies irae, dies ille. *) Inſonderheit
aber gefielen ihr dieſe beiden Verſe, ſo ſie oftmals mit
großer Erbauung betete, und ich darumb hieher ſetzen will:

judex ergo, cum sedebit,
quidquid latet, apparebit
nil inultum remanebit;
item:
rex tremendae majestatis
qui salvandos salvas gratis,
salva me, fons pietatis! — **)

Als aber die Kerls mit den Forken, ſo umb den
Wagen gingen, ſolches höreten, und zugleich ein ſchwer
Wetter vom Achterwater ***) aufkam, vermeineten ſie
nit anders, denn daß mein Töchterlein es gemachet, und
da das Volk ſo hinten nachſetzete, auch ſchrie: „dat het
de Hex dahn, dat hett de verfluchte Hex dahn!” ſprun¬
gen ſie alle zehn bis auf einen, ſo verblieb, über den

*) Jener Tag, der Tag des Zornes ꝛc. eines der ſchön¬
ſten katholiſchen Kirchenlieder.
**) D. i.:
Wenn der ernſte Richter ſchlichtet
Und der Herzen Dunkel lichtet,
Bleibt nichts Böſes ungerichtet;
ingleichen:

König majeſtätſcher Größe,
Der umſonſt deckt unſre Blöße
Quell der Liebe, komm, erlöſe! —
***) Ein Meerbuſen, den die Peene in dieſer Gegend
bildet.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0267" n="251"/>
Aber ich trö&#x017F;tete mich, daß un&#x017F;er Herr Gott es ihr in<lb/>
ihrer Einfalt wohl verzeihen würde. Und lautete die<lb/>
er&#x017F;te Zeil al&#x017F;o: <hi rendition="#aq">dies irae, dies ille.</hi> <note place="foot" n="*)">Jener Tag, der Tag des Zornes &#xA75B;c. eines der &#x017F;chön¬<lb/>
&#x017F;ten katholi&#x017F;chen Kirchenlieder.</note> In&#x017F;onderheit<lb/>
aber gefielen ihr die&#x017F;e beiden Ver&#x017F;e, &#x017F;o &#x017F;ie oftmals mit<lb/>
großer Erbauung betete, und ich darumb hieher &#x017F;etzen will:</p><lb/>
        <lg type="poem">
          <l> <hi rendition="#aq">judex ergo, cum sedebit,</hi> </l><lb/>
          <l> <hi rendition="#aq">quidquid latet, apparebit</hi> </l><lb/>
          <l> <hi rendition="#aq">nil inultum remanebit;</hi> </l><lb/>
          <l> <hi rendition="#aq">item:</hi> </l><lb/>
          <l> <hi rendition="#aq">rex tremendae majestatis</hi> </l><lb/>
          <l> <hi rendition="#aq">qui salvandos salvas gratis,</hi> </l><lb/>
          <l> <hi rendition="#aq">salva me, fons pietatis! &#x2014;</hi> <note place="foot" n="**)">D. i.:<lb/><lg type="poem"><l>Wenn der ern&#x017F;te Richter &#x017F;chlichtet</l><lb/><l>Und der Herzen Dunkel lichtet,</l><lb/><l>Bleibt nichts Bö&#x017F;es ungerichtet;<lb/><hi rendition="#et">ingleichen:</hi></l><lb/><l>König maje&#x017F;tät&#x017F;cher Größe,</l><lb/><l>Der um&#x017F;on&#x017F;t deckt un&#x017F;re Blöße</l><lb/><l>Quell der Liebe, komm, erlö&#x017F;e! &#x2014;</l></lg><lb/></note>
          </l><lb/>
        </lg>
        <p>Als aber die Kerls mit den Forken, &#x017F;o umb den<lb/>
Wagen gingen, &#x017F;olches höreten, und zugleich ein &#x017F;chwer<lb/>
Wetter vom Achterwater <note place="foot" n="***)">Ein Meerbu&#x017F;en, den die Peene in die&#x017F;er Gegend<lb/>
bildet.</note> aufkam, vermeineten &#x017F;ie<lb/>
nit anders, denn daß mein Töchterlein es gemachet, und<lb/>
da das Volk &#x017F;o hinten nach&#x017F;etzete, auch &#x017F;chrie: &#x201E;dat het<lb/>
de Hex dahn, dat hett de verfluchte Hex dahn!&#x201D; &#x017F;prun¬<lb/>
gen &#x017F;ie alle zehn bis auf einen, &#x017F;o verblieb, über den<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[251/0267] Aber ich tröſtete mich, daß unſer Herr Gott es ihr in ihrer Einfalt wohl verzeihen würde. Und lautete die erſte Zeil alſo: dies irae, dies ille. *) Inſonderheit aber gefielen ihr dieſe beiden Verſe, ſo ſie oftmals mit großer Erbauung betete, und ich darumb hieher ſetzen will: judex ergo, cum sedebit, quidquid latet, apparebit nil inultum remanebit; item: rex tremendae majestatis qui salvandos salvas gratis, salva me, fons pietatis! — **) Als aber die Kerls mit den Forken, ſo umb den Wagen gingen, ſolches höreten, und zugleich ein ſchwer Wetter vom Achterwater ***) aufkam, vermeineten ſie nit anders, denn daß mein Töchterlein es gemachet, und da das Volk ſo hinten nachſetzete, auch ſchrie: „dat het de Hex dahn, dat hett de verfluchte Hex dahn!” ſprun¬ gen ſie alle zehn bis auf einen, ſo verblieb, über den *) Jener Tag, der Tag des Zornes ꝛc. eines der ſchön¬ ſten katholiſchen Kirchenlieder. **) D. i.: Wenn der ernſte Richter ſchlichtet Und der Herzen Dunkel lichtet, Bleibt nichts Böſes ungerichtet; ingleichen: König majeſtätſcher Größe, Der umſonſt deckt unſre Blöße Quell der Liebe, komm, erlöſe! — ***) Ein Meerbuſen, den die Peene in dieſer Gegend bildet.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/meinhold_bernsteinhexe_1843
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/meinhold_bernsteinhexe_1843/267
Zitationshilfe: Meinhold, Wilhelm: Maria Schweidler die Bernsteinhexe. Berlin, 1843, S. 251. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meinhold_bernsteinhexe_1843/267>, abgerufen am 10.05.2024.