lange es mir noch müglich ist, sie zu erlösen. Sehet ich habe ein Häuslein zwo Meilen von hier, mitten in der Heiden belegen, wo kein Mensch hingelanget, da¬ hin lasse ich sie in dieser Nacht annoch bringen, und möget Ihr bei ihr wohnen Euer Lebelang, so es Euch gefällt. Ihr sollet es so gut haben, als Ihr nur wün¬ schen möget, und lasse ich morgen frühe ein Geschrei machen, die Hexe wäre zur Nacht mit ihrem Vater fortgelaufen und Niemand wisse, wohin sie kommen sei. Also sprach die Schlange zu mir, wie weiland zu un¬ srer Aeltermutter der Eva, und mir elenden Sünder kam es auch für, als ob der Baum des Todes, den sie mir zeigete, ein Baum des Lebens wäre, also lieblich war er anzuschauen. Doch gab ich zur Antwort: dieses wird mein Töchterlein nimmermehr thun, und ihrer Seelen Seeligkeit aufgeben umb ihr arm Leben sich zu erhal¬ ten. Aber auch jetzo war die Schlange wieder listiger, denn alle Thiere des Feldes (verstehe insonderheit mich alten Thoren) und sprach: ei wer saget denn, daß sie ihrer Seelen Seeligkeit aufgeben soll? Ehre Abraham muß ich Euch die Schrift lehren? Hat nicht unser Herr Christus die Mariam Magdalenam zu Gnaden aufge¬ nommen, so doch in offenbarer Hurerei gelebet, und hat er nicht der armen Ehebrecherin die Vergebung ange¬ kündiget, so doch noch ein weit größer crimen*) be¬ gangen; ja sagt St. Paulus nit geradezu, daß die Hure
*) Verbrechen.
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lange es mir noch müglich iſt, ſie zu erlöſen. Sehet ich habe ein Häuslein zwo Meilen von hier, mitten in der Heiden belegen, wo kein Menſch hingelanget, da¬ hin laſſe ich ſie in dieſer Nacht annoch bringen, und möget Ihr bei ihr wohnen Euer Lebelang, ſo es Euch gefällt. Ihr ſollet es ſo gut haben, als Ihr nur wün¬ ſchen möget, und laſſe ich morgen frühe ein Geſchrei machen, die Hexe wäre zur Nacht mit ihrem Vater fortgelaufen und Niemand wiſſe, wohin ſie kommen ſei. Alſo ſprach die Schlange zu mir, wie weiland zu un¬ ſrer Aeltermutter der Eva, und mir elenden Sünder kam es auch für, als ob der Baum des Todes, den ſie mir zeigete, ein Baum des Lebens wäre, alſo lieblich war er anzuſchauen. Doch gab ich zur Antwort: dieſes wird mein Töchterlein nimmermehr thun, und ihrer Seelen Seeligkeit aufgeben umb ihr arm Leben ſich zu erhal¬ ten. Aber auch jetzo war die Schlange wieder liſtiger, denn alle Thiere des Feldes (verſtehe inſonderheit mich alten Thoren) und ſprach: ei wer ſaget denn, daß ſie ihrer Seelen Seeligkeit aufgeben ſoll? Ehre Abraham muß ich Euch die Schrift lehren? Hat nicht unſer Herr Chriſtus die Mariam Magdalenam zu Gnaden aufge¬ nommen, ſo doch in offenbarer Hurerei gelebet, und hat er nicht der armen Ehebrecherin die Vergebung ange¬ kündiget, ſo doch noch ein weit größer crimen*) be¬ gangen; ja ſagt St. Paulus nit geradezu, daß die Hure
*) Verbrechen.
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lange es mir noch müglich iſt, ſie zu erlöſen. Sehet
ich habe ein Häuslein zwo Meilen von hier, mitten in
der Heiden belegen, wo kein Menſch hingelanget, da¬
hin laſſe ich ſie in dieſer Nacht annoch bringen, und
möget Ihr bei ihr wohnen Euer Lebelang, ſo es Euch
gefällt. Ihr ſollet es ſo gut haben, als Ihr nur wün¬
ſchen möget, und laſſe ich morgen frühe ein Geſchrei
machen, die Hexe wäre zur Nacht mit ihrem Vater
fortgelaufen und Niemand wiſſe, wohin ſie kommen ſei.
Alſo ſprach die Schlange zu mir, wie weiland zu un¬
ſrer Aeltermutter der Eva, und mir elenden Sünder kam
es auch für, als ob der Baum des Todes, den ſie mir
zeigete, ein Baum des Lebens wäre, alſo lieblich war
er anzuſchauen. Doch gab ich zur Antwort: dieſes wird
mein Töchterlein nimmermehr thun, und ihrer Seelen
Seeligkeit aufgeben umb ihr arm Leben ſich zu erhal¬
ten. Aber auch jetzo war die Schlange wieder liſtiger,
denn alle Thiere des Feldes (verſtehe inſonderheit mich
alten Thoren) und ſprach: ei wer ſaget denn, daß ſie
ihrer Seelen Seeligkeit aufgeben ſoll? Ehre Abraham
muß ich Euch die Schrift lehren? Hat nicht unſer Herr
Chriſtus die Mariam Magdalenam zu Gnaden aufge¬
nommen, ſo doch in offenbarer Hurerei gelebet, und hat
er nicht der armen Ehebrecherin die Vergebung ange¬
kündiget, ſo doch noch ein weit größer crimen *) be¬
gangen; ja ſagt St. Paulus nit geradezu, daß die Hure
*) Verbrechen.
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Meinhold, Wilhelm: Maria Schweidler die Bernsteinhexe. Berlin, 1843, S. 225. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meinhold_bernsteinhexe_1843/241>, abgerufen am 23.11.2024.
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