Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Meinhold, Wilhelm: Maria Schweidler die Bernsteinhexe. Berlin, 1843.

Bild:
<< vorherige Seite

mahl genossen und im Begriff ist, den Scheiter¬
haufen zu besteigen, so sehr alles mütterliche Ge¬
fühl bei Seite setzt, daß sie ihre einzige, zärtlich ge¬
liebte Tochter, ein Mädchen von funfzehn Jahren,
gegen welche Niemand einen Verdacht hegt, sich in
ihrem Gewissen gedrungen fühlt, gleichfalls als Hexe
anzuklagen, um, wie sie sagt, ihre arme Seele zu ret¬
ten. Das Gericht mit Recht erstaunt über diesen,
vielleicht nie wieder vorgekommenen Fall, ließ ih¬
ren Gesundheitszustand von Predigern und Aerz¬
ten untersuchen, deren Original-Zeugnisse den Ak¬
ten noch beiliegen und durchaus günstig lauten.
Die unglückliche Tochter, welche merkwürdiger
Weise Elisabeth Hegel hieß, wurde in Folge die¬
ser mütterlichen Aussage denn auch wirklich hinge¬
richtet *).

Die gewöhnliche Auffassung der neuesten Zeit,
diese Erscheinungen aus dem Wesen des thierischen
Magnetismus zu begreifen reichen durchaus nicht
hin. Wie will man z. B. die tiefe, dämonische Na¬
tur der alten Lise Kolken in dem vorliegenden
Werke daraus ableiten, die unbegreiflich ist, und
es ganz erklärlich macht, daß der alte Pfarrer, trotz
des, ihm mit seiner Tochter gespielten, entsetzlichen

*) Auch diesen Proceß gedenke ich noch herauszugeben, da er ein
ungemeines psychologisches Interesse hat.

mahl genoſſen und im Begriff iſt, den Scheiter¬
haufen zu beſteigen, ſo ſehr alles mütterliche Ge¬
fühl bei Seite ſetzt, daß ſie ihre einzige, zärtlich ge¬
liebte Tochter, ein Mädchen von funfzehn Jahren,
gegen welche Niemand einen Verdacht hegt, ſich in
ihrem Gewiſſen gedrungen fühlt, gleichfalls als Hexe
anzuklagen, um, wie ſie ſagt, ihre arme Seele zu ret¬
ten. Das Gericht mit Recht erſtaunt über dieſen,
vielleicht nie wieder vorgekommenen Fall, ließ ih¬
ren Geſundheitszuſtand von Predigern und Aerz¬
ten unterſuchen, deren Original-Zeugniſſe den Ak¬
ten noch beiliegen und durchaus günſtig lauten.
Die unglückliche Tochter, welche merkwürdiger
Weiſe Eliſabeth Hegel hieß, wurde in Folge die¬
ſer mütterlichen Ausſage denn auch wirklich hinge¬
richtet *).

Die gewöhnliche Auffaſſung der neueſten Zeit,
dieſe Erſcheinungen aus dem Weſen des thieriſchen
Magnetismus zu begreifen reichen durchaus nicht
hin. Wie will man z. B. die tiefe, dämoniſche Na¬
tur der alten Liſe Kolken in dem vorliegenden
Werke daraus ableiten, die unbegreiflich iſt, und
es ganz erklärlich macht, daß der alte Pfarrer, trotz
des, ihm mit ſeiner Tochter geſpielten, entſetzlichen

*) Auch dieſen Proceß gedenke ich noch herauszugeben, da er ein
ungemeines pſychologiſches Intereſſe hat.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0012" n="VI"/>
mahl geno&#x017F;&#x017F;en und im Begriff i&#x017F;t, den Scheiter¬<lb/>
haufen zu be&#x017F;teigen, &#x017F;o &#x017F;ehr alles mütterliche Ge¬<lb/>
fühl bei Seite &#x017F;etzt, daß &#x017F;ie ihre einzige, zärtlich ge¬<lb/>
liebte Tochter, ein Mädchen von funfzehn Jahren,<lb/>
gegen welche Niemand einen Verdacht hegt, &#x017F;ich in<lb/>
ihrem Gewi&#x017F;&#x017F;en gedrungen fühlt, gleichfalls als Hexe<lb/>
anzuklagen, um, wie &#x017F;ie &#x017F;agt, ihre arme Seele zu ret¬<lb/>
ten. Das Gericht mit Recht er&#x017F;taunt über die&#x017F;en,<lb/>
vielleicht nie wieder vorgekommenen Fall, ließ ih¬<lb/>
ren Ge&#x017F;undheitszu&#x017F;tand von Predigern und Aerz¬<lb/>
ten unter&#x017F;uchen, deren Original-Zeugni&#x017F;&#x017F;e den Ak¬<lb/>
ten noch beiliegen und durchaus gün&#x017F;tig lauten.<lb/>
Die unglückliche Tochter, welche merkwürdiger<lb/>
Wei&#x017F;e Eli&#x017F;abeth Hegel hieß, wurde in Folge die¬<lb/>
&#x017F;er mütterlichen Aus&#x017F;age denn auch wirklich hinge¬<lb/>
richtet <note place="foot" n="*)">Auch die&#x017F;en Proceß gedenke ich noch herauszugeben, da er ein<lb/>
ungemeines p&#x017F;ychologi&#x017F;ches Intere&#x017F;&#x017F;e hat.<lb/></note>.</p>
        <p>Die gewöhnliche Auffa&#x017F;&#x017F;ung der neue&#x017F;ten Zeit,<lb/>
die&#x017F;e Er&#x017F;cheinungen aus dem We&#x017F;en des thieri&#x017F;chen<lb/>
Magnetismus zu begreifen reichen durchaus nicht<lb/>
hin. Wie will man z. B. die tiefe, dämoni&#x017F;che Na¬<lb/>
tur der alten Li&#x017F;e Kolken in dem vorliegenden<lb/>
Werke daraus ableiten, die unbegreiflich i&#x017F;t, und<lb/>
es ganz erklärlich macht, daß der alte Pfarrer, trotz<lb/>
des, ihm mit &#x017F;einer Tochter ge&#x017F;pielten, ent&#x017F;etzlichen<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[VI/0012] mahl genoſſen und im Begriff iſt, den Scheiter¬ haufen zu beſteigen, ſo ſehr alles mütterliche Ge¬ fühl bei Seite ſetzt, daß ſie ihre einzige, zärtlich ge¬ liebte Tochter, ein Mädchen von funfzehn Jahren, gegen welche Niemand einen Verdacht hegt, ſich in ihrem Gewiſſen gedrungen fühlt, gleichfalls als Hexe anzuklagen, um, wie ſie ſagt, ihre arme Seele zu ret¬ ten. Das Gericht mit Recht erſtaunt über dieſen, vielleicht nie wieder vorgekommenen Fall, ließ ih¬ ren Geſundheitszuſtand von Predigern und Aerz¬ ten unterſuchen, deren Original-Zeugniſſe den Ak¬ ten noch beiliegen und durchaus günſtig lauten. Die unglückliche Tochter, welche merkwürdiger Weiſe Eliſabeth Hegel hieß, wurde in Folge die¬ ſer mütterlichen Ausſage denn auch wirklich hinge¬ richtet *). Die gewöhnliche Auffaſſung der neueſten Zeit, dieſe Erſcheinungen aus dem Weſen des thieriſchen Magnetismus zu begreifen reichen durchaus nicht hin. Wie will man z. B. die tiefe, dämoniſche Na¬ tur der alten Liſe Kolken in dem vorliegenden Werke daraus ableiten, die unbegreiflich iſt, und es ganz erklärlich macht, daß der alte Pfarrer, trotz des, ihm mit ſeiner Tochter geſpielten, entſetzlichen *) Auch dieſen Proceß gedenke ich noch herauszugeben, da er ein ungemeines pſychologiſches Intereſſe hat.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/meinhold_bernsteinhexe_1843
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/meinhold_bernsteinhexe_1843/12
Zitationshilfe: Meinhold, Wilhelm: Maria Schweidler die Bernsteinhexe. Berlin, 1843, S. VI. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meinhold_bernsteinhexe_1843/12>, abgerufen am 29.03.2024.