Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 2. Leipzig, 1896.

Bild:
<< vorherige Seite
§ 62. Internationales und bundesstaatliches Verwaltungsrecht.

Wie auch die Beamten bestellt sein mögen, als Behörde vertreten
sie die sämtlichen Vertragsstaaten gemeinschaftlich. Die Wirksamkeit
nach außen beurteilt sich für jeden dieser Staaten danach, daß diese
Behörde als seine eigene gilt. Sie kann lediglich zu Auskünften,
Gutachten, Ratschlägen berufen sein; dann ist die Rechtsordnung nicht
weiter in Frage. Es kann ihr aber auch die Ausübung öffentlicher
Gewalt übertragen werden, insbesondere zu polizeilichen Maßregeln,
Richtersprüchen, selbst zur Rechtsetzung. Dann sind die Voraus-
setzungen zu dieser Übertragung für jeden Staat, auf dessen Gebiet
sie wirken soll, gegeben durch dessen eigenes Verfassungs- und Ver-
waltungsrecht, und nach seinem Rechte bestimmen sich die Wirkungen
und Rechtsfolgen der fraglichen Anordnungen, gerade so, als wären
sie von seinen ordentlichen Behörden und Stellen ausgegangen. Dieses
Recht kann ja allerdings gerade aus Anlaß der geschlossenen Ver-
waltungsgesellschaft in dieser Beziehung geändert worden sein; aber
immer ist es sein Recht, welches maßgebend bleibt15.

Die rechtliche Besonderheit solcher Gesellschaften liegt also
wesentlich auf dem Felde der Verwaltungsorganisation. Der einzelne
beteiligte Staat schafft sich eigenartige Behörden zur Ausübung seiner
öffentlichen Gewalt, eigenartig durch die völkerrechtliche Gebunden-
heit der Errichtung und Leitung und durch die eingeräumte Mit-
wirkung anderer Staaten. Im übrigen ist die verwaltungsrechtliche
Ordnung auch in diesen Fällen schlechthin national, wie immer. --

Die Form der völkerrechtlichen Vergesellschaftung kann statt zu
einzelnen Anstalten und Unternehmungen auch zu umfassenden Zwecken
verwendet werden. Da entstehen dann großartigere Verbände, wie
die des Zollvereins z. B. oder jedes Staatenbundes überhaupt.
Die gemeinsamen Behörden haben dabei juristisch die gleiche Natur;
sie erscheinen nur schärfer und mannigfaltiger ausgeprägt. Hier über-
wiegt aber das Interesse an den sonstigen Bestimmungen des völker-
rechtlichen Vereinsstatuts, betreffend die Ordnung des Verhältnisses
zwischen den Vereinsmitgliedern, die Einrichtung einer Vorstandschaft,

15 Die letztere Art von Thätigkeit wird juristisch mehr Interesse bieten als
die von bloß beratenden oder beobachtenden technischen Beamten. Allein das
ist doch kein Grund, weshalb der Vereinsrichter (Oberappellationsgericht Jena)
als gemeinsames Organ der verbundenen Staaten gelten soll, der Vereins-
techniker (internationales Bureau für Maß und Gewicht in Paris) als inter-
nationales
Organ des Staatenvereins; so Jellinek a. a. O. S. 168 ff. Daß der
erstere "wesentlichen Zwecken" der Einzelstaaten dient, der letztere nicht, ist für
die Zugehörigkeit des Amtes, wie für das Dienstverhältnis gleichgültig. Es wird
hier unseres Erachtens eine unnötige Unterscheidung gemacht.
§ 62. Internationales und bundesstaatliches Verwaltungsrecht.

Wie auch die Beamten bestellt sein mögen, als Behörde vertreten
sie die sämtlichen Vertragsstaaten gemeinschaftlich. Die Wirksamkeit
nach außen beurteilt sich für jeden dieser Staaten danach, daß diese
Behörde als seine eigene gilt. Sie kann lediglich zu Auskünften,
Gutachten, Ratschlägen berufen sein; dann ist die Rechtsordnung nicht
weiter in Frage. Es kann ihr aber auch die Ausübung öffentlicher
Gewalt übertragen werden, insbesondere zu polizeilichen Maßregeln,
Richtersprüchen, selbst zur Rechtsetzung. Dann sind die Voraus-
setzungen zu dieser Übertragung für jeden Staat, auf dessen Gebiet
sie wirken soll, gegeben durch dessen eigenes Verfassungs- und Ver-
waltungsrecht, und nach seinem Rechte bestimmen sich die Wirkungen
und Rechtsfolgen der fraglichen Anordnungen, gerade so, als wären
sie von seinen ordentlichen Behörden und Stellen ausgegangen. Dieses
Recht kann ja allerdings gerade aus Anlaß der geschlossenen Ver-
waltungsgesellschaft in dieser Beziehung geändert worden sein; aber
immer ist es sein Recht, welches maßgebend bleibt15.

Die rechtliche Besonderheit solcher Gesellschaften liegt also
wesentlich auf dem Felde der Verwaltungsorganisation. Der einzelne
beteiligte Staat schafft sich eigenartige Behörden zur Ausübung seiner
öffentlichen Gewalt, eigenartig durch die völkerrechtliche Gebunden-
heit der Errichtung und Leitung und durch die eingeräumte Mit-
wirkung anderer Staaten. Im übrigen ist die verwaltungsrechtliche
Ordnung auch in diesen Fällen schlechthin national, wie immer. —

Die Form der völkerrechtlichen Vergesellschaftung kann statt zu
einzelnen Anstalten und Unternehmungen auch zu umfassenden Zwecken
verwendet werden. Da entstehen dann großartigere Verbände, wie
die des Zollvereins z. B. oder jedes Staatenbundes überhaupt.
Die gemeinsamen Behörden haben dabei juristisch die gleiche Natur;
sie erscheinen nur schärfer und mannigfaltiger ausgeprägt. Hier über-
wiegt aber das Interesse an den sonstigen Bestimmungen des völker-
rechtlichen Vereinsstatuts, betreffend die Ordnung des Verhältnisses
zwischen den Vereinsmitgliedern, die Einrichtung einer Vorstandschaft,

15 Die letztere Art von Thätigkeit wird juristisch mehr Interesse bieten als
die von bloß beratenden oder beobachtenden technischen Beamten. Allein das
ist doch kein Grund, weshalb der Vereinsrichter (Oberappellationsgericht Jena)
als gemeinsames Organ der verbundenen Staaten gelten soll, der Vereins-
techniker (internationales Bureau für Maß und Gewicht in Paris) als inter-
nationales
Organ des Staatenvereins; so Jellinek a. a. O. S. 168 ff. Daß der
erstere „wesentlichen Zwecken“ der Einzelstaaten dient, der letztere nicht, ist für
die Zugehörigkeit des Amtes, wie für das Dienstverhältnis gleichgültig. Es wird
hier unseres Erachtens eine unnötige Unterscheidung gemacht.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0473" n="461"/>
          <fw place="top" type="header">§ 62. Internationales und bundesstaatliches Verwaltungsrecht.</fw><lb/>
          <p>Wie auch die Beamten bestellt sein mögen, als Behörde vertreten<lb/>
sie die sämtlichen Vertragsstaaten gemeinschaftlich. Die Wirksamkeit<lb/>
nach außen beurteilt sich für jeden dieser Staaten danach, daß diese<lb/>
Behörde als seine eigene gilt. Sie kann lediglich zu Auskünften,<lb/>
Gutachten, Ratschlägen berufen sein; dann ist die Rechtsordnung nicht<lb/>
weiter in Frage. Es kann ihr aber auch die Ausübung öffentlicher<lb/>
Gewalt übertragen werden, insbesondere zu polizeilichen Maßregeln,<lb/>
Richtersprüchen, selbst zur Rechtsetzung. Dann sind die Voraus-<lb/>
setzungen zu dieser Übertragung für jeden Staat, auf dessen Gebiet<lb/>
sie wirken soll, gegeben durch dessen eigenes Verfassungs- und Ver-<lb/>
waltungsrecht, und nach seinem Rechte bestimmen sich die Wirkungen<lb/>
und Rechtsfolgen der fraglichen Anordnungen, gerade so, als wären<lb/>
sie von seinen ordentlichen Behörden und Stellen ausgegangen. Dieses<lb/>
Recht kann ja allerdings gerade aus Anlaß der geschlossenen Ver-<lb/>
waltungsgesellschaft in dieser Beziehung geändert worden sein; aber<lb/>
immer ist es <hi rendition="#g">sein</hi> Recht, welches maßgebend bleibt<note place="foot" n="15">Die letztere Art von Thätigkeit wird juristisch mehr Interesse bieten als<lb/>
die von bloß beratenden oder beobachtenden technischen Beamten. Allein das<lb/>
ist doch kein Grund, weshalb der Vereinsrichter (Oberappellationsgericht Jena)<lb/>
als <hi rendition="#g">gemeinsames</hi> Organ der verbundenen Staaten gelten soll, der Vereins-<lb/>
techniker (internationales Bureau für Maß und Gewicht in Paris) als <hi rendition="#g">inter-<lb/>
nationales</hi> Organ des Staatenvereins; so <hi rendition="#g">Jellinek</hi> a. a. O. S. 168 ff. Daß der<lb/>
erstere &#x201E;wesentlichen Zwecken&#x201C; der Einzelstaaten dient, der letztere nicht, ist für<lb/>
die Zugehörigkeit des Amtes, wie für das Dienstverhältnis gleichgültig. Es wird<lb/>
hier unseres Erachtens eine unnötige Unterscheidung gemacht.</note>.</p><lb/>
          <p>Die rechtliche Besonderheit solcher Gesellschaften liegt also<lb/>
wesentlich auf dem Felde der Verwaltungsorganisation. Der einzelne<lb/>
beteiligte Staat schafft sich eigenartige Behörden zur Ausübung seiner<lb/>
öffentlichen Gewalt, eigenartig durch die völkerrechtliche Gebunden-<lb/>
heit der Errichtung und Leitung und durch die eingeräumte Mit-<lb/>
wirkung anderer Staaten. Im übrigen ist die verwaltungsrechtliche<lb/>
Ordnung auch in diesen Fällen schlechthin <hi rendition="#g">national,</hi> wie immer. &#x2014;</p><lb/>
          <p>Die Form der völkerrechtlichen Vergesellschaftung kann statt zu<lb/>
einzelnen Anstalten und Unternehmungen auch zu umfassenden Zwecken<lb/>
verwendet werden. Da entstehen dann großartigere Verbände, wie<lb/>
die des Zollvereins z. B. oder jedes <hi rendition="#g">Staatenbundes</hi> überhaupt.<lb/>
Die gemeinsamen Behörden haben dabei juristisch die gleiche Natur;<lb/>
sie erscheinen nur schärfer und mannigfaltiger ausgeprägt. Hier über-<lb/>
wiegt aber das Interesse an den sonstigen Bestimmungen des völker-<lb/>
rechtlichen Vereinsstatuts, betreffend die Ordnung des Verhältnisses<lb/>
zwischen den Vereinsmitgliedern, die Einrichtung einer Vorstandschaft,<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[461/0473] § 62. Internationales und bundesstaatliches Verwaltungsrecht. Wie auch die Beamten bestellt sein mögen, als Behörde vertreten sie die sämtlichen Vertragsstaaten gemeinschaftlich. Die Wirksamkeit nach außen beurteilt sich für jeden dieser Staaten danach, daß diese Behörde als seine eigene gilt. Sie kann lediglich zu Auskünften, Gutachten, Ratschlägen berufen sein; dann ist die Rechtsordnung nicht weiter in Frage. Es kann ihr aber auch die Ausübung öffentlicher Gewalt übertragen werden, insbesondere zu polizeilichen Maßregeln, Richtersprüchen, selbst zur Rechtsetzung. Dann sind die Voraus- setzungen zu dieser Übertragung für jeden Staat, auf dessen Gebiet sie wirken soll, gegeben durch dessen eigenes Verfassungs- und Ver- waltungsrecht, und nach seinem Rechte bestimmen sich die Wirkungen und Rechtsfolgen der fraglichen Anordnungen, gerade so, als wären sie von seinen ordentlichen Behörden und Stellen ausgegangen. Dieses Recht kann ja allerdings gerade aus Anlaß der geschlossenen Ver- waltungsgesellschaft in dieser Beziehung geändert worden sein; aber immer ist es sein Recht, welches maßgebend bleibt 15. Die rechtliche Besonderheit solcher Gesellschaften liegt also wesentlich auf dem Felde der Verwaltungsorganisation. Der einzelne beteiligte Staat schafft sich eigenartige Behörden zur Ausübung seiner öffentlichen Gewalt, eigenartig durch die völkerrechtliche Gebunden- heit der Errichtung und Leitung und durch die eingeräumte Mit- wirkung anderer Staaten. Im übrigen ist die verwaltungsrechtliche Ordnung auch in diesen Fällen schlechthin national, wie immer. — Die Form der völkerrechtlichen Vergesellschaftung kann statt zu einzelnen Anstalten und Unternehmungen auch zu umfassenden Zwecken verwendet werden. Da entstehen dann großartigere Verbände, wie die des Zollvereins z. B. oder jedes Staatenbundes überhaupt. Die gemeinsamen Behörden haben dabei juristisch die gleiche Natur; sie erscheinen nur schärfer und mannigfaltiger ausgeprägt. Hier über- wiegt aber das Interesse an den sonstigen Bestimmungen des völker- rechtlichen Vereinsstatuts, betreffend die Ordnung des Verhältnisses zwischen den Vereinsmitgliedern, die Einrichtung einer Vorstandschaft, 15 Die letztere Art von Thätigkeit wird juristisch mehr Interesse bieten als die von bloß beratenden oder beobachtenden technischen Beamten. Allein das ist doch kein Grund, weshalb der Vereinsrichter (Oberappellationsgericht Jena) als gemeinsames Organ der verbundenen Staaten gelten soll, der Vereins- techniker (internationales Bureau für Maß und Gewicht in Paris) als inter- nationales Organ des Staatenvereins; so Jellinek a. a. O. S. 168 ff. Daß der erstere „wesentlichen Zwecken“ der Einzelstaaten dient, der letztere nicht, ist für die Zugehörigkeit des Amtes, wie für das Dienstverhältnis gleichgültig. Es wird hier unseres Erachtens eine unnötige Unterscheidung gemacht.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_verwaltungsrecht02_1896
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_verwaltungsrecht02_1896/473
Zitationshilfe: Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 2. Leipzig, 1896, S. 461. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_verwaltungsrecht02_1896/473>, abgerufen am 07.05.2024.