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Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 2. Leipzig, 1896.

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§ 61. Untergang des Selbstverwaltungskörpers.
auf zukünftiges; die Undurchführbarkeit des Zweckes kann eine vorüber-
gehende sein. Wie lange zugewartet werden kann, ist Sache der
Würdigung der Behörde4.

Eine sonstige Befugnis, die Endigung herbeizuführen, giebt es
nicht: die Vertretung hat hier keinen selbständigen Willen (oben § 58,
II n. 2)5, und die Angehörigen des Selbstverwaltungskörpers stehen
ganz im Hintergrund (oben § 56, I).

2. Wenn die juristische Persönlichkeit der Anstalt oder Stiftung
unterdrückt wurde wegen Wegfall ihres Vermögens, so ist alles erledigt.
Soll jedoch die Behörde die Aufhebung ausgesprochen haben aus
anderen Gründen, wegen Undurchführbarkeit des Zweckes z. B., so
entsteht die Frage: was geschieht mit dem Vermögen?

Das Schicksal dieses Vermögens kann durch gesetzliche Regel
allgemein geordnet sein; es kann auch das Verfassungsstatut des
einzelnen Körpers Vorsorge getroffen haben. Wenn nichts dergleichen
vorliegt, sind weder die Vertreter der juristischen Person berufen,
die erforderliche Bestimmung zu geben6, noch steht den Stiftern und
sonstigen Gebern ein Rückforderungsrecht zu7.

4 So Pfeifer, Jur. Pers. S. 150; Meurer, Heil. Sachen S. 79 ff.; Wind-
scheid,
Pand. § 61; Regelsberger, Pand. I S. 356. Der letztere bemerkt
mit Recht: "Wegen der Unbestimmtheit des Momentes der Vermögenszerrüttung
ist ein Aufhebungsbeschluß der Aufsichtsbehörde Bedürfnis." Die Aufhebung
wird allerdings auch stillschweigend geschehen können. Mit Rücksicht auf den
völligen Vermögensverfall unterläßt es z. B. die Behörde, eine Vertretung für den
Körper zu bestellen, wozu sie verfassungsmäßig berufen wäre. So lange sie aber
das nicht thut, sondern fortfährt, dafür Vorkehrung zu treffen, und wäre auch
gar nichts mehr von Vermögen vorhanden, darf man den Körper nicht für unter-
gegangen ansehen.
5 Gierke, Gen.Theorie S. 850 Note 2. Bad. Ges. v. 9. April 1880 § 9,
welches nach Gierke eine Ausnahme bildet, insofern es die Vertretung der Spar-
kassen zur Aufhebung derselben ermächtigt, dürfte nicht so aufzufassen sein.
Die causa efficiens liegt auch hier in der Genehmigung der Behörde, der Beschluß
der Vertretung der Sparkasse hat nur die Bedeutung eines Antrages.
6 Gierke, Gen.Theorie S. 860, bezeichnet das als eine "mangelnde Testier-
fähigkeit" dieser juristischen Personen.
7 Schenkung an eine juristische Person unter besonderer Zweckbestimmung
(sub modo), ist etwas anderes als Schenkung an eine juristische Person, um ihres
bestimmten Zweckes willen; nur im ersteren Falle ist eine Rückforderung vor-
behalten, im zweiten ist die Schenkung unverumstandet. Ein Beispiel der ersteren
Art in Bayr. C.C.H. 11. Jan. 1859 (Moritz II S. 556). Dem Staat war gegeben
worden behufs Gründung einer Studienanstalt; bei Aufhebung der Anstalt steht
dem Schenker die Rückforderung zu. Wäre die Anstalt mit besonderer juristischer
Persönlichkeit bereits begründet gewesen und dieser geschenkt worden, so wäre
bei Untergang dieser Persönlichkeit keine Rückforderung gegeben. Kraft be-

§ 61. Untergang des Selbstverwaltungskörpers.
auf zukünftiges; die Undurchführbarkeit des Zweckes kann eine vorüber-
gehende sein. Wie lange zugewartet werden kann, ist Sache der
Würdigung der Behörde4.

Eine sonstige Befugnis, die Endigung herbeizuführen, giebt es
nicht: die Vertretung hat hier keinen selbständigen Willen (oben § 58,
II n. 2)5, und die Angehörigen des Selbstverwaltungskörpers stehen
ganz im Hintergrund (oben § 56, I).

2. Wenn die juristische Persönlichkeit der Anstalt oder Stiftung
unterdrückt wurde wegen Wegfall ihres Vermögens, so ist alles erledigt.
Soll jedoch die Behörde die Aufhebung ausgesprochen haben aus
anderen Gründen, wegen Undurchführbarkeit des Zweckes z. B., so
entsteht die Frage: was geschieht mit dem Vermögen?

Das Schicksal dieses Vermögens kann durch gesetzliche Regel
allgemein geordnet sein; es kann auch das Verfassungsstatut des
einzelnen Körpers Vorsorge getroffen haben. Wenn nichts dergleichen
vorliegt, sind weder die Vertreter der juristischen Person berufen,
die erforderliche Bestimmung zu geben6, noch steht den Stiftern und
sonstigen Gebern ein Rückforderungsrecht zu7.

4 So Pfeifer, Jur. Pers. S. 150; Meurer, Heil. Sachen S. 79 ff.; Wind-
scheid,
Pand. § 61; Regelsberger, Pand. I S. 356. Der letztere bemerkt
mit Recht: „Wegen der Unbestimmtheit des Momentes der Vermögenszerrüttung
ist ein Aufhebungsbeschluß der Aufsichtsbehörde Bedürfnis.“ Die Aufhebung
wird allerdings auch stillschweigend geschehen können. Mit Rücksicht auf den
völligen Vermögensverfall unterläßt es z. B. die Behörde, eine Vertretung für den
Körper zu bestellen, wozu sie verfassungsmäßig berufen wäre. So lange sie aber
das nicht thut, sondern fortfährt, dafür Vorkehrung zu treffen, und wäre auch
gar nichts mehr von Vermögen vorhanden, darf man den Körper nicht für unter-
gegangen ansehen.
5 Gierke, Gen.Theorie S. 850 Note 2. Bad. Ges. v. 9. April 1880 § 9,
welches nach Gierke eine Ausnahme bildet, insofern es die Vertretung der Spar-
kassen zur Aufhebung derselben ermächtigt, dürfte nicht so aufzufassen sein.
Die causa efficiens liegt auch hier in der Genehmigung der Behörde, der Beschluß
der Vertretung der Sparkasse hat nur die Bedeutung eines Antrages.
6 Gierke, Gen.Theorie S. 860, bezeichnet das als eine „mangelnde Testier-
fähigkeit“ dieser juristischen Personen.
7 Schenkung an eine juristische Person unter besonderer Zweckbestimmung
(sub modo), ist etwas anderes als Schenkung an eine juristische Person, um ihres
bestimmten Zweckes willen; nur im ersteren Falle ist eine Rückforderung vor-
behalten, im zweiten ist die Schenkung unverumstandet. Ein Beispiel der ersteren
Art in Bayr. C.C.H. 11. Jan. 1859 (Moritz II S. 556). Dem Staat war gegeben
worden behufs Gründung einer Studienanstalt; bei Aufhebung der Anstalt steht
dem Schenker die Rückforderung zu. Wäre die Anstalt mit besonderer juristischer
Persönlichkeit bereits begründet gewesen und dieser geschenkt worden, so wäre
bei Untergang dieser Persönlichkeit keine Rückforderung gegeben. Kraft be-
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[439/0451] § 61. Untergang des Selbstverwaltungskörpers. auf zukünftiges; die Undurchführbarkeit des Zweckes kann eine vorüber- gehende sein. Wie lange zugewartet werden kann, ist Sache der Würdigung der Behörde 4. Eine sonstige Befugnis, die Endigung herbeizuführen, giebt es nicht: die Vertretung hat hier keinen selbständigen Willen (oben § 58, II n. 2) 5, und die Angehörigen des Selbstverwaltungskörpers stehen ganz im Hintergrund (oben § 56, I). 2. Wenn die juristische Persönlichkeit der Anstalt oder Stiftung unterdrückt wurde wegen Wegfall ihres Vermögens, so ist alles erledigt. Soll jedoch die Behörde die Aufhebung ausgesprochen haben aus anderen Gründen, wegen Undurchführbarkeit des Zweckes z. B., so entsteht die Frage: was geschieht mit dem Vermögen? Das Schicksal dieses Vermögens kann durch gesetzliche Regel allgemein geordnet sein; es kann auch das Verfassungsstatut des einzelnen Körpers Vorsorge getroffen haben. Wenn nichts dergleichen vorliegt, sind weder die Vertreter der juristischen Person berufen, die erforderliche Bestimmung zu geben 6, noch steht den Stiftern und sonstigen Gebern ein Rückforderungsrecht zu 7. 4 So Pfeifer, Jur. Pers. S. 150; Meurer, Heil. Sachen S. 79 ff.; Wind- scheid, Pand. § 61; Regelsberger, Pand. I S. 356. Der letztere bemerkt mit Recht: „Wegen der Unbestimmtheit des Momentes der Vermögenszerrüttung ist ein Aufhebungsbeschluß der Aufsichtsbehörde Bedürfnis.“ Die Aufhebung wird allerdings auch stillschweigend geschehen können. Mit Rücksicht auf den völligen Vermögensverfall unterläßt es z. B. die Behörde, eine Vertretung für den Körper zu bestellen, wozu sie verfassungsmäßig berufen wäre. So lange sie aber das nicht thut, sondern fortfährt, dafür Vorkehrung zu treffen, und wäre auch gar nichts mehr von Vermögen vorhanden, darf man den Körper nicht für unter- gegangen ansehen. 5 Gierke, Gen.Theorie S. 850 Note 2. Bad. Ges. v. 9. April 1880 § 9, welches nach Gierke eine Ausnahme bildet, insofern es die Vertretung der Spar- kassen zur Aufhebung derselben ermächtigt, dürfte nicht so aufzufassen sein. Die causa efficiens liegt auch hier in der Genehmigung der Behörde, der Beschluß der Vertretung der Sparkasse hat nur die Bedeutung eines Antrages. 6 Gierke, Gen.Theorie S. 860, bezeichnet das als eine „mangelnde Testier- fähigkeit“ dieser juristischen Personen. 7 Schenkung an eine juristische Person unter besonderer Zweckbestimmung (sub modo), ist etwas anderes als Schenkung an eine juristische Person, um ihres bestimmten Zweckes willen; nur im ersteren Falle ist eine Rückforderung vor- behalten, im zweiten ist die Schenkung unverumstandet. Ein Beispiel der ersteren Art in Bayr. C.C.H. 11. Jan. 1859 (Moritz II S. 556). Dem Staat war gegeben worden behufs Gründung einer Studienanstalt; bei Aufhebung der Anstalt steht dem Schenker die Rückforderung zu. Wäre die Anstalt mit besonderer juristischer Persönlichkeit bereits begründet gewesen und dieser geschenkt worden, so wäre bei Untergang dieser Persönlichkeit keine Rückforderung gegeben. Kraft be-

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Zitationshilfe: Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 2. Leipzig, 1896, S. 439. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_verwaltungsrecht02_1896/451>, abgerufen am 07.05.2024.