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Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 2. Leipzig, 1896.

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Das Recht der juristischen Personen.

3. Die Gebietskörperschaft bedarf zu ihrer Entstehung des
Stückes Volk, für welches sie bestimmt ist. Wenn die Entstehung
stattfindet im Zusammenhang umfassender Neuorganisationen, die ja
nur durch Gesetz erfolgen können, wird eine Mitwirkung der Beteiligten
nicht zu rechtlicher Bedeutung gelangen; das öffentliche Interesse
überwiegt dann so, daß die Bevölkerung einfach von Staatswegen an
die neugeschaffenen Selbstverwaltungskörper verteilt wird. Nur bei
Verschiebungen zwischen den bestehenden Gebietskörperschaften durch
Abzweigung einer neuen oder Teilung ist eine Neuentstehung denkbar,
bei welcher den Beteiligten ein gewisser Einfluß eingeräumt wäre,
sei es, daß sie nur gehört werden, sei es, daß ihre Zustimmung er-
forderlich ist, damit die Regierung die Änderung vornehmen könne.
Wer diese Beteiligten sind, das ist hier nicht so von selbst gegeben
wie bei der Genossenschaft: es können die Vertretungen der bisherigen
Selbstverwaltungskörper dazu berufen sein, oder die Einwohner des
betroffenen Gebiets oder aus diesen wieder besondere Interessenten
allein, z. B. Grundbesitzer, die dann in Versammlungsbeschlüssen oder
in Abstimmungen nach Art der Wahlen zu Worte kommen. Es ist
Sache positiver gesetzlicher Ordnung, das Entsprechende zu bestimmen.

§ 58.
Das Recht der Vertreterschaft.

Die juristische Person des Selbstverwaltungskörpers erhält ihre
Vertretung, um handlungsfähig zu sein, durch die verfassungsmäßig
dazu berufenen Menschen. Diese bilden zusammen seine Vertreter-
schaft
. Sie sind für ihn, was im staatlichen Verfassungsrecht die
Träger der obersten Gewalt. Darunter können, wie dort, noch andere
Vertreter stehen, Vertreter zweiten Rangs mit abgeleitetem Auftrag
zur Besorgung der Geschäfte. Nur von der verfassungsmäßigen
Vertreterschaft
ist hier die Rede1.

wie sie auch öffentliche Stiftungen von örtlicher Bedeutung, wie Spitäler, Spar-
kassen u. s. w. kraft Selbstverwaltungsrechtes zu gründen vermag. Woedtke,
Kom. z. Krank.Vers.Ges. § 16 Note 4: "Die Errichtung der Kasse geschieht durch
Errichtung des Kassenstatuts und liegt als obrigkeitliche Funktion dem Vorstande
der Gemeinde ob". Rosin, Öff. Gen. S. 140, behandelt das mit Unrecht wieder
als einen Fall der Begründung durch Willensentschluß einer "dritten Persönlich-
keit". Indem die Gemeinde an Stelle des Staates wirkt, ist sie die erste Per-
sönlichkeit.
1 Über diesen Unterschied vgl. Mot. z. Entw. d. B.G.B. Bd. I S. 94 ff.
S. 102 ff.; Gierke in Schmollers Jahrb. VII S. 1143.
Das Recht der juristischen Personen.

3. Die Gebietskörperschaft bedarf zu ihrer Entstehung des
Stückes Volk, für welches sie bestimmt ist. Wenn die Entstehung
stattfindet im Zusammenhang umfassender Neuorganisationen, die ja
nur durch Gesetz erfolgen können, wird eine Mitwirkung der Beteiligten
nicht zu rechtlicher Bedeutung gelangen; das öffentliche Interesse
überwiegt dann so, daß die Bevölkerung einfach von Staatswegen an
die neugeschaffenen Selbstverwaltungskörper verteilt wird. Nur bei
Verschiebungen zwischen den bestehenden Gebietskörperschaften durch
Abzweigung einer neuen oder Teilung ist eine Neuentstehung denkbar,
bei welcher den Beteiligten ein gewisser Einfluß eingeräumt wäre,
sei es, daß sie nur gehört werden, sei es, daß ihre Zustimmung er-
forderlich ist, damit die Regierung die Änderung vornehmen könne.
Wer diese Beteiligten sind, das ist hier nicht so von selbst gegeben
wie bei der Genossenschaft: es können die Vertretungen der bisherigen
Selbstverwaltungskörper dazu berufen sein, oder die Einwohner des
betroffenen Gebiets oder aus diesen wieder besondere Interessenten
allein, z. B. Grundbesitzer, die dann in Versammlungsbeschlüssen oder
in Abstimmungen nach Art der Wahlen zu Worte kommen. Es ist
Sache positiver gesetzlicher Ordnung, das Entsprechende zu bestimmen.

§ 58.
Das Recht der Vertreterschaft.

Die juristische Person des Selbstverwaltungskörpers erhält ihre
Vertretung, um handlungsfähig zu sein, durch die verfassungsmäßig
dazu berufenen Menschen. Diese bilden zusammen seine Vertreter-
schaft
. Sie sind für ihn, was im staatlichen Verfassungsrecht die
Träger der obersten Gewalt. Darunter können, wie dort, noch andere
Vertreter stehen, Vertreter zweiten Rangs mit abgeleitetem Auftrag
zur Besorgung der Geschäfte. Nur von der verfassungsmäßigen
Vertreterschaft
ist hier die Rede1.

wie sie auch öffentliche Stiftungen von örtlicher Bedeutung, wie Spitäler, Spar-
kassen u. s. w. kraft Selbstverwaltungsrechtes zu gründen vermag. Woedtke,
Kom. z. Krank.Vers.Ges. § 16 Note 4: „Die Errichtung der Kasse geschieht durch
Errichtung des Kassenstatuts und liegt als obrigkeitliche Funktion dem Vorstande
der Gemeinde ob“. Rosin, Öff. Gen. S. 140, behandelt das mit Unrecht wieder
als einen Fall der Begründung durch Willensentschluß einer „dritten Persönlich-
keit“. Indem die Gemeinde an Stelle des Staates wirkt, ist sie die erste Per-
sönlichkeit.
1 Über diesen Unterschied vgl. Mot. z. Entw. d. B.G.B. Bd. I S. 94 ff.
S. 102 ff.; Gierke in Schmollers Jahrb. VII S. 1143.
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[394/0406] Das Recht der juristischen Personen. 3. Die Gebietskörperschaft bedarf zu ihrer Entstehung des Stückes Volk, für welches sie bestimmt ist. Wenn die Entstehung stattfindet im Zusammenhang umfassender Neuorganisationen, die ja nur durch Gesetz erfolgen können, wird eine Mitwirkung der Beteiligten nicht zu rechtlicher Bedeutung gelangen; das öffentliche Interesse überwiegt dann so, daß die Bevölkerung einfach von Staatswegen an die neugeschaffenen Selbstverwaltungskörper verteilt wird. Nur bei Verschiebungen zwischen den bestehenden Gebietskörperschaften durch Abzweigung einer neuen oder Teilung ist eine Neuentstehung denkbar, bei welcher den Beteiligten ein gewisser Einfluß eingeräumt wäre, sei es, daß sie nur gehört werden, sei es, daß ihre Zustimmung er- forderlich ist, damit die Regierung die Änderung vornehmen könne. Wer diese Beteiligten sind, das ist hier nicht so von selbst gegeben wie bei der Genossenschaft: es können die Vertretungen der bisherigen Selbstverwaltungskörper dazu berufen sein, oder die Einwohner des betroffenen Gebiets oder aus diesen wieder besondere Interessenten allein, z. B. Grundbesitzer, die dann in Versammlungsbeschlüssen oder in Abstimmungen nach Art der Wahlen zu Worte kommen. Es ist Sache positiver gesetzlicher Ordnung, das Entsprechende zu bestimmen. § 58. Das Recht der Vertreterschaft. Die juristische Person des Selbstverwaltungskörpers erhält ihre Vertretung, um handlungsfähig zu sein, durch die verfassungsmäßig dazu berufenen Menschen. Diese bilden zusammen seine Vertreter- schaft. Sie sind für ihn, was im staatlichen Verfassungsrecht die Träger der obersten Gewalt. Darunter können, wie dort, noch andere Vertreter stehen, Vertreter zweiten Rangs mit abgeleitetem Auftrag zur Besorgung der Geschäfte. Nur von der verfassungsmäßigen Vertreterschaft ist hier die Rede 1. 10 1 Über diesen Unterschied vgl. Mot. z. Entw. d. B.G.B. Bd. I S. 94 ff. S. 102 ff.; Gierke in Schmollers Jahrb. VII S. 1143. 10 wie sie auch öffentliche Stiftungen von örtlicher Bedeutung, wie Spitäler, Spar- kassen u. s. w. kraft Selbstverwaltungsrechtes zu gründen vermag. Woedtke, Kom. z. Krank.Vers.Ges. § 16 Note 4: „Die Errichtung der Kasse geschieht durch Errichtung des Kassenstatuts und liegt als obrigkeitliche Funktion dem Vorstande der Gemeinde ob“. Rosin, Öff. Gen. S. 140, behandelt das mit Unrecht wieder als einen Fall der Begründung durch Willensentschluß einer „dritten Persönlich- keit“. Indem die Gemeinde an Stelle des Staates wirkt, ist sie die erste Per- sönlichkeit.

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Zitationshilfe: Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 2. Leipzig, 1896, S. 394. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_verwaltungsrecht02_1896/406>, abgerufen am 23.11.2024.