Wenn man die einzelnen Anstalten betrachtet, welche in dieser Weise mit juristischer Persönlichkeit ausgestattet zu sein pflegen, so erkennt man sofort die Gesichtspunkte, nach welchen sie vor anderen öffentlichen Anstalten dazu auserwählt sind: es sind lauter solche, die geeignet erscheinen, die öffentliche Wohlthätigkeit herauszufordern, wie Krankenhäuser, Armenanstalten, Versorgungshäuser, kirchliche An- stalten, oder sonst dem Vertrauen des Publikums wegen Sicherheit des ihnen zu Überliefernden besonders empfohlen werden sollen, wie Sparkassen, Leihhäuser, Versicherungsanstalten. Die Menschen, auf welche es allein damit abgesehen ist, sind demnach solche, die an dem Zwecke der Anstalt derart teilnehmen, daß sie ihr Mittel gewähren für ihren Betrieb. Sie haben das Interesse, daß gerade diese Mittel für den Zweck der Anstalt erhalten bleiben, und die selbständige juristische Persönlichkeit sichert ihnen das zu.
Man kann allerdings behaupten, daß auf diese Weise die juristische Persönlichkeit auch dem Interesse des Menschenkreises dient, dem die Anstaltsthätigkeit zu Gute kommt, sowie dem des ursprünglichen Herrn der Anstalt, d. h. des Rechtssubjekts, dem sie gehören würde, wenn keine besondere juristische Person dafür bestünde. Sie befördert das Gelingen dieses Unternehmens, woran beide interessiert sind,[...] sie be- fördert es, indem sie ein Lockmittel ist zur Beteiligung mit Zu- wendungen und Mittelgewährungen. Darin liegt für den Staat der Be- weggrund, für solche "Abzweigung eines Teilwillens". Aber dieses Lockmittel ist sie eben nur dadurch, daß sie den Gebern den Dienst leistet, das Gegebene getrennt zu halten. Um dieser willen ist sie zunächst da, sie sind die wahren Angehörigen der juristischen Person.
Diese Art von Angehörigen ist naturgemäß nicht fest zu um- grenzen. Bei der Stiftung, die anfängt mit einer Zuwendung für ihren Zweck, ist der erste Geber wohl erkennbar, dem zu Liebe die juristische Person das Vermögen zusammenhält. Sie wirkt aber auch zu Gunsten derjenigen, die später mit ihren Gaben hinzukommen. Die Anstalt kann ebensogut mit diesem Sicherungsmittel aufgestellt sein, um Geber anzuziehen, ohne daß schon eine bestimmte Person ins Auge gefaßt wird; es ist fraglich, ob überhaupt Geber erscheinen. Aber die juristische Persönlichkeit ist doch nur um dieser möglichen Geber willen da. Daß die Angehörigkeit in dieser Weise eine ganz unbestimmte ist, das macht die Eigenart dieser juristischen Persön- lichkeit aus und hat seine wichtigen Folgen7.
7 Eine Lehre, die in unserer Rechtswissenschaft bedeutsamer Vertreterschaft sich erfreut, ist ja bestrebt, die juristische Person überall zurückzuführen auf einen
Das Recht der juristischen Personen.
Wenn man die einzelnen Anstalten betrachtet, welche in dieser Weise mit juristischer Persönlichkeit ausgestattet zu sein pflegen, so erkennt man sofort die Gesichtspunkte, nach welchen sie vor anderen öffentlichen Anstalten dazu auserwählt sind: es sind lauter solche, die geeignet erscheinen, die öffentliche Wohlthätigkeit herauszufordern, wie Krankenhäuser, Armenanstalten, Versorgungshäuser, kirchliche An- stalten, oder sonst dem Vertrauen des Publikums wegen Sicherheit des ihnen zu Überliefernden besonders empfohlen werden sollen, wie Sparkassen, Leihhäuser, Versicherungsanstalten. Die Menschen, auf welche es allein damit abgesehen ist, sind demnach solche, die an dem Zwecke der Anstalt derart teilnehmen, daß sie ihr Mittel gewähren für ihren Betrieb. Sie haben das Interesse, daß gerade diese Mittel für den Zweck der Anstalt erhalten bleiben, und die selbständige juristische Persönlichkeit sichert ihnen das zu.
Man kann allerdings behaupten, daß auf diese Weise die juristische Persönlichkeit auch dem Interesse des Menschenkreises dient, dem die Anstaltsthätigkeit zu Gute kommt, sowie dem des ursprünglichen Herrn der Anstalt, d. h. des Rechtssubjekts, dem sie gehören würde, wenn keine besondere juristische Person dafür bestünde. Sie befördert das Gelingen dieses Unternehmens, woran beide interessiert sind,[…] sie be- fördert es, indem sie ein Lockmittel ist zur Beteiligung mit Zu- wendungen und Mittelgewährungen. Darin liegt für den Staat der Be- weggrund, für solche „Abzweigung eines Teilwillens“. Aber dieses Lockmittel ist sie eben nur dadurch, daß sie den Gebern den Dienst leistet, das Gegebene getrennt zu halten. Um dieser willen ist sie zunächst da, sie sind die wahren Angehörigen der juristischen Person.
Diese Art von Angehörigen ist naturgemäß nicht fest zu um- grenzen. Bei der Stiftung, die anfängt mit einer Zuwendung für ihren Zweck, ist der erste Geber wohl erkennbar, dem zu Liebe die juristische Person das Vermögen zusammenhält. Sie wirkt aber auch zu Gunsten derjenigen, die später mit ihren Gaben hinzukommen. Die Anstalt kann ebensogut mit diesem Sicherungsmittel aufgestellt sein, um Geber anzuziehen, ohne daß schon eine bestimmte Person ins Auge gefaßt wird; es ist fraglich, ob überhaupt Geber erscheinen. Aber die juristische Persönlichkeit ist doch nur um dieser möglichen Geber willen da. Daß die Angehörigkeit in dieser Weise eine ganz unbestimmte ist, das macht die Eigenart dieser juristischen Persön- lichkeit aus und hat seine wichtigen Folgen7.
7 Eine Lehre, die in unserer Rechtswissenschaft bedeutsamer Vertreterschaft sich erfreut, ist ja bestrebt, die juristische Person überall zurückzuführen auf einen
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Das Recht der juristischen Personen.
Wenn man die einzelnen Anstalten betrachtet, welche in dieser
Weise mit juristischer Persönlichkeit ausgestattet zu sein pflegen, so
erkennt man sofort die Gesichtspunkte, nach welchen sie vor anderen
öffentlichen Anstalten dazu auserwählt sind: es sind lauter solche, die
geeignet erscheinen, die öffentliche Wohlthätigkeit herauszufordern,
wie Krankenhäuser, Armenanstalten, Versorgungshäuser, kirchliche An-
stalten, oder sonst dem Vertrauen des Publikums wegen Sicherheit
des ihnen zu Überliefernden besonders empfohlen werden sollen, wie
Sparkassen, Leihhäuser, Versicherungsanstalten. Die Menschen, auf
welche es allein damit abgesehen ist, sind demnach solche, die an
dem Zwecke der Anstalt derart teilnehmen, daß sie ihr Mittel
gewähren für ihren Betrieb. Sie haben das Interesse, daß
gerade diese Mittel für den Zweck der Anstalt erhalten bleiben, und
die selbständige juristische Persönlichkeit sichert ihnen das zu.
Man kann allerdings behaupten, daß auf diese Weise die juristische
Persönlichkeit auch dem Interesse des Menschenkreises dient, dem die
Anstaltsthätigkeit zu Gute kommt, sowie dem des ursprünglichen Herrn
der Anstalt, d. h. des Rechtssubjekts, dem sie gehören würde, wenn
keine besondere juristische Person dafür bestünde. Sie befördert das
Gelingen dieses Unternehmens, woran beide interessiert sind, sie be-
fördert es, indem sie ein Lockmittel ist zur Beteiligung mit Zu-
wendungen und Mittelgewährungen. Darin liegt für den Staat der Be-
weggrund, für solche „Abzweigung eines Teilwillens“. Aber dieses
Lockmittel ist sie eben nur dadurch, daß sie den Gebern den Dienst
leistet, das Gegebene getrennt zu halten. Um dieser willen ist sie
zunächst da, sie sind die wahren Angehörigen der juristischen Person.
Diese Art von Angehörigen ist naturgemäß nicht fest zu um-
grenzen. Bei der Stiftung, die anfängt mit einer Zuwendung für
ihren Zweck, ist der erste Geber wohl erkennbar, dem zu Liebe die
juristische Person das Vermögen zusammenhält. Sie wirkt aber auch
zu Gunsten derjenigen, die später mit ihren Gaben hinzukommen.
Die Anstalt kann ebensogut mit diesem Sicherungsmittel aufgestellt
sein, um Geber anzuziehen, ohne daß schon eine bestimmte Person
ins Auge gefaßt wird; es ist fraglich, ob überhaupt Geber erscheinen.
Aber die juristische Persönlichkeit ist doch nur um dieser möglichen
Geber willen da. Daß die Angehörigkeit in dieser Weise eine ganz
unbestimmte ist, das macht die Eigenart dieser juristischen Persön-
lichkeit aus und hat seine wichtigen Folgen 7.
7 Eine Lehre, die in unserer Rechtswissenschaft bedeutsamer Vertreterschaft
sich erfreut, ist ja bestrebt, die juristische Person überall zurückzuführen auf einen
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Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 2. Leipzig, 1896, S. 380. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_verwaltungsrecht02_1896/392>, abgerufen am 22.11.2024.
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