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Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 2. Leipzig, 1896.

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§ 54. Grenzgebiete der staatlichen Entschädigungspflicht.

Es ist danach auch sehr erklärlich, daß man zu dem Eindruck
kommt, für die Haftung wegen rechtswidriger Amtshandlungen lasse
sich "kein festes Princip aufstellen". Die rechtswidrige Amtshandlung
bildet eben keine selbständige Voraussetzung der öffentlichrechtlichen
Entschädigung. Sie spielt in den Vorraussetzungen derselben eine
sehr verschiedene Rolle und dementsprechend auch in den Schadens-
ersatzverurteilungen der Gerichte. Darüber haben wir uns klar zu
machen.

1. In der Regel ist der Nachweis einer Rechtswidrigkeit für die
öffentlichrechtliche Entschädigung gleichgültig. Diese findet statt,
wo ein besonderes Opfer auferlegt wird in aller Form Rechtens. Sie
findet auch statt, wo ein solches aus der Thätigkeit der öffentlichen
Verwaltung sich ergiebt von selbst, unwillkürlich, ohne Unterschied,
ob dabei eine Rechtswidrigkeit unterläuft oder nicht9.

(Aubry u. Rau, cours de dr. c. IV S. 761; Laurent, princ. d. dr. c. XX
n. 584). Die öffentlichrechtliche Entschädigung geht nicht so weit, das Gelegent-
liche genügt nicht, die Handlung muß noch als Amtshandlung in der öffentlichen
Verwaltung begriffen gewesen sein, damit der Schade angesehen werden könne
als aus dieser hervorgegangen. Nur in dieser Beschränkung wird denn auch der
art. 1384 zur Haftbarmachung des Staates hier verwendet; Dreyer in Ztschft. f.
franz. Civ.R. IV S. 390. Die Beispiele, welche Dreyer a. a. O. S. 390, 391 und
Zachariae in Ztschft. f. Stsw. XIX S. 617 Note 1 anführen, um zu zeigen, daß
der Staat nicht für das haftet, was nur gelegentlich der Amtsthätigkeit ge-
schieht, giebt Laurent a. a. O. XX n. 583 u. 584 gerade als Belege dafür, daß
nach art. 1384 auch in diesem Umfange gehaftet wird. -- Ferner: Gegenstand des
Schadensersatzes ist bei einfacher Anwendung des art. 1384 aller Nachteil, welcher
aus der rechtswidrigen Handlung hervorgegangen ist; bei der öffentlichrechtlichen
Entschädigung nur der unmittelbar zugefügte Schade. Entsprechend dem letzteren
Grundsatz hat O.L.G. Colmar v. 2. Dez. 1887 (Jur. Ztschft. f. Els.Lothr. XIII
S. 118) eine Schadensersatzklage gegen die Zollverwaltung abgewiesen: eine Ware
war irrtümlich beschlagnahmt worden, und der Eigentümer hat eine Reihe von
Auslagen machen müssen, um die Freigabe zu bewirken. Das Gericht meint frei-
lich den c. c. anzuwenden und nur wegen mangelnden Verschuldens der Beamten
so zu urteilen. Aber das ist nicht der richtige Grund: wäre die Ware durch die
Zurückhaltung verdorben, so müßte der Staat entschädigen, weil dann ein be-
sonderes Opfer zugemutet wäre, und andererseits würde ein gewöhnlicher Privat-
mann, der durch irrtümliche Ausübung eines Retentionsrechtes dem anderen Aus-
lagen verursachte, wegen Anwendbarkeit des civilrechtlichen Schadensersatzrechtes
auch diese zu erstatten haben.
9 Dreyer a. a. O. S. 393: "das Eigentümliche dieser Fälle ist, daß hier
selten zwischen dem erlaubten und dem unerlaubten Eingriffe wird unterschieden
werden können". Dann kann man aber doch auch nicht von einer Haftung für
rechtswidrige Schädigung sprechen. Vgl. den Fall in R.G. 14. März 1889
Samml. 23 S. 257).
§ 54. Grenzgebiete der staatlichen Entschädigungspflicht.

Es ist danach auch sehr erklärlich, daß man zu dem Eindruck
kommt, für die Haftung wegen rechtswidriger Amtshandlungen lasse
sich „kein festes Princip aufstellen“. Die rechtswidrige Amtshandlung
bildet eben keine selbständige Voraussetzung der öffentlichrechtlichen
Entschädigung. Sie spielt in den Vorraussetzungen derselben eine
sehr verschiedene Rolle und dementsprechend auch in den Schadens-
ersatzverurteilungen der Gerichte. Darüber haben wir uns klar zu
machen.

1. In der Regel ist der Nachweis einer Rechtswidrigkeit für die
öffentlichrechtliche Entschädigung gleichgültig. Diese findet statt,
wo ein besonderes Opfer auferlegt wird in aller Form Rechtens. Sie
findet auch statt, wo ein solches aus der Thätigkeit der öffentlichen
Verwaltung sich ergiebt von selbst, unwillkürlich, ohne Unterschied,
ob dabei eine Rechtswidrigkeit unterläuft oder nicht9.

(Aubry u. Rau, cours de dr. c. IV S. 761; Laurent, princ. d. dr. c. XX
n. 584). Die öffentlichrechtliche Entschädigung geht nicht so weit, das Gelegent-
liche genügt nicht, die Handlung muß noch als Amtshandlung in der öffentlichen
Verwaltung begriffen gewesen sein, damit der Schade angesehen werden könne
als aus dieser hervorgegangen. Nur in dieser Beschränkung wird denn auch der
art. 1384 zur Haftbarmachung des Staates hier verwendet; Dreyer in Ztschft. f.
franz. Civ.R. IV S. 390. Die Beispiele, welche Dreyer a. a. O. S. 390, 391 und
Zachariae in Ztschft. f. Stsw. XIX S. 617 Note 1 anführen, um zu zeigen, daß
der Staat nicht für das haftet, was nur gelegentlich der Amtsthätigkeit ge-
schieht, giebt Laurent a. a. O. XX n. 583 u. 584 gerade als Belege dafür, daß
nach art. 1384 auch in diesem Umfange gehaftet wird. — Ferner: Gegenstand des
Schadensersatzes ist bei einfacher Anwendung des art. 1384 aller Nachteil, welcher
aus der rechtswidrigen Handlung hervorgegangen ist; bei der öffentlichrechtlichen
Entschädigung nur der unmittelbar zugefügte Schade. Entsprechend dem letzteren
Grundsatz hat O.L.G. Colmar v. 2. Dez. 1887 (Jur. Ztschft. f. Els.Lothr. XIII
S. 118) eine Schadensersatzklage gegen die Zollverwaltung abgewiesen: eine Ware
war irrtümlich beschlagnahmt worden, und der Eigentümer hat eine Reihe von
Auslagen machen müssen, um die Freigabe zu bewirken. Das Gericht meint frei-
lich den c. c. anzuwenden und nur wegen mangelnden Verschuldens der Beamten
so zu urteilen. Aber das ist nicht der richtige Grund: wäre die Ware durch die
Zurückhaltung verdorben, so müßte der Staat entschädigen, weil dann ein be-
sonderes Opfer zugemutet wäre, und andererseits würde ein gewöhnlicher Privat-
mann, der durch irrtümliche Ausübung eines Retentionsrechtes dem anderen Aus-
lagen verursachte, wegen Anwendbarkeit des civilrechtlichen Schadensersatzrechtes
auch diese zu erstatten haben.
9 Dreyer a. a. O. S. 393: „das Eigentümliche dieser Fälle ist, daß hier
selten zwischen dem erlaubten und dem unerlaubten Eingriffe wird unterschieden
werden können“. Dann kann man aber doch auch nicht von einer Haftung für
rechtswidrige Schädigung sprechen. Vgl. den Fall in R.G. 14. März 1889
Samml. 23 S. 257).
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[361/0373] § 54. Grenzgebiete der staatlichen Entschädigungspflicht. Es ist danach auch sehr erklärlich, daß man zu dem Eindruck kommt, für die Haftung wegen rechtswidriger Amtshandlungen lasse sich „kein festes Princip aufstellen“. Die rechtswidrige Amtshandlung bildet eben keine selbständige Voraussetzung der öffentlichrechtlichen Entschädigung. Sie spielt in den Vorraussetzungen derselben eine sehr verschiedene Rolle und dementsprechend auch in den Schadens- ersatzverurteilungen der Gerichte. Darüber haben wir uns klar zu machen. 1. In der Regel ist der Nachweis einer Rechtswidrigkeit für die öffentlichrechtliche Entschädigung gleichgültig. Diese findet statt, wo ein besonderes Opfer auferlegt wird in aller Form Rechtens. Sie findet auch statt, wo ein solches aus der Thätigkeit der öffentlichen Verwaltung sich ergiebt von selbst, unwillkürlich, ohne Unterschied, ob dabei eine Rechtswidrigkeit unterläuft oder nicht 9. 8 9 Dreyer a. a. O. S. 393: „das Eigentümliche dieser Fälle ist, daß hier selten zwischen dem erlaubten und dem unerlaubten Eingriffe wird unterschieden werden können“. Dann kann man aber doch auch nicht von einer Haftung für rechtswidrige Schädigung sprechen. Vgl. den Fall in R.G. 14. März 1889 Samml. 23 S. 257). 8 (Aubry u. Rau, cours de dr. c. IV S. 761; Laurent, princ. d. dr. c. XX n. 584). Die öffentlichrechtliche Entschädigung geht nicht so weit, das Gelegent- liche genügt nicht, die Handlung muß noch als Amtshandlung in der öffentlichen Verwaltung begriffen gewesen sein, damit der Schade angesehen werden könne als aus dieser hervorgegangen. Nur in dieser Beschränkung wird denn auch der art. 1384 zur Haftbarmachung des Staates hier verwendet; Dreyer in Ztschft. f. franz. Civ.R. IV S. 390. Die Beispiele, welche Dreyer a. a. O. S. 390, 391 und Zachariae in Ztschft. f. Stsw. XIX S. 617 Note 1 anführen, um zu zeigen, daß der Staat nicht für das haftet, was nur gelegentlich der Amtsthätigkeit ge- schieht, giebt Laurent a. a. O. XX n. 583 u. 584 gerade als Belege dafür, daß nach art. 1384 auch in diesem Umfange gehaftet wird. — Ferner: Gegenstand des Schadensersatzes ist bei einfacher Anwendung des art. 1384 aller Nachteil, welcher aus der rechtswidrigen Handlung hervorgegangen ist; bei der öffentlichrechtlichen Entschädigung nur der unmittelbar zugefügte Schade. Entsprechend dem letzteren Grundsatz hat O.L.G. Colmar v. 2. Dez. 1887 (Jur. Ztschft. f. Els.Lothr. XIII S. 118) eine Schadensersatzklage gegen die Zollverwaltung abgewiesen: eine Ware war irrtümlich beschlagnahmt worden, und der Eigentümer hat eine Reihe von Auslagen machen müssen, um die Freigabe zu bewirken. Das Gericht meint frei- lich den c. c. anzuwenden und nur wegen mangelnden Verschuldens der Beamten so zu urteilen. Aber das ist nicht der richtige Grund: wäre die Ware durch die Zurückhaltung verdorben, so müßte der Staat entschädigen, weil dann ein be- sonderes Opfer zugemutet wäre, und andererseits würde ein gewöhnlicher Privat- mann, der durch irrtümliche Ausübung eines Retentionsrechtes dem anderen Aus- lagen verursachte, wegen Anwendbarkeit des civilrechtlichen Schadensersatzrechtes auch diese zu erstatten haben.

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Zitationshilfe: Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 2. Leipzig, 1896, S. 361. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_verwaltungsrecht02_1896/373>, abgerufen am 25.11.2024.