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Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 2. Leipzig, 1896.

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Recht der besonderen Schuldverhältnisse.

Betrachten wir aber diese Entscheidungen genauer, so werden
wir fast immer zugeben müssen, daß sie sachlich richtig sind. Die
Gerichte sind nur in Selbsttäuschung befangen, wenn sie glauben, die
Grundsätze des Privatdeliktsrechts hier zur Anwendung zu bringen:
sie erkennen über öffentlichrechtliche Entschädigungen, wofür sie ja
nach allgemeinem deutschen Rechte die Zuständigkeit besitzen. So
erklärt es sich, daß sie die Gewährung dieser Entschädigung so ohne
weiteres an Voraussetzungen anknüpfen, die ihrerseits ganz dem
öffentlichen Rechte angehören. So erklären sich auch die kleinen Ab-
weichungen von der civilrechtlichen Schadensersatzpflicht, die in dieser
Rechtsprechung erscheinen; diese trifft ja im Ergebnisse zumeist mit
der öffentlichrechtlichen Entschädigung zusammen. Wo beide darin
auseinander gehen, folgt unsere Praxis den Regeln der letzteren8.

stehen habe, ist privatrechtlicher Natur, somit steht nichts im Wege, den art. 1384
B.G.B. grundsätzlich auf die Frage der Haftung des Staates, welcher hier nur in
seiner vermögensrechtlichen Seite in Betracht kommt, anzuwenden. Daß es sich
dabei um Ausübung polizeilicher Befugnisse handelt, ist nicht geeignet, die Haft-
barkeit des Staates auszuschließen." Die Frage wäre aber doch wohl zunächst
die, ob das nicht geeignet ist, die Anwendbarkeit des Civilrechts auf den Staat
auszuschließen. Oder was sollte sonst dazu geeignet sein, wenn das nicht? Die
Schlußfolgerung: weil die Schadensersatzpflicht des Staates, wenn derselbe dem
Privatrechtssatz unterliegen sollte, privatrechtlicher Natur sein würde, deshalb
unterliegt der Staat hier dem Privatrecht -- ist geradezu mustergültig. -- Eine
Militärpatrouille hatte bei einer Verhaftung Feuer gegeben, ein Unbeteiligter, der
verletzt worden war, klagt gegen den "Militärfiskus"; O.L.G. Colmar 9. Jan. 1888
(Jurist. Ztschft. f. Els.Lothr. XIII S. 123 ff.) bekennt sich jetzt ausdrücklich zu
jener Rechtskonstruktion des Reichsgerichts und erklärt den art. 1384 für anwend-
bar. -- Sträflinge, die in einem elsässischen Gefängnisse zur Arbeit angehalten
werden, kommen dabei in Folge unrichtigen Verfahrens des Aufsichtsbeamten zu
Schaden. Den Einwand, daß der Staat hier in Ausübung seiner Hoheitsrechte
stehe, beseitigt das O.L.G. Colmar, wie das Reichsgericht mit der längst ver-
gessenen Formel des Polizeistaates: der Richter dürfe "auf Grund des art. 1384
den Fiskus für die vermögensrechtlichen Folgen der Handlung des Beamten des
Staates verantwortlich erklären" (Jur. Ztschft. f. Els.Lothr. IX S. 273 ff., XII S. 317).
-- R.G. 21. Dez. 1886 (Samml. XVII S. 105) hat übrigens auch im Gebiete des
weniger handlichen preuß. Rechts den Staat ex delicto zu verurteilen gewußt:
gelegentlich eines Straßenbaues wird ein Haus beschädigt; man hat es hier nur
mit dem "durch den Fiskus repräsentierten Staat" zu thun; der Fiskus als Privat-
mann, der er ist, unterliegt aber der Strafbestimmung des § 367 n. 14 Stf.G.B.
und folglich auch der aus seiner strafbaren Handlung hervorgehenden Schadens-
ersatzpflicht.
8 Der Gegensatz wird namentlich wieder gegenüber der weitgehenden Haftung
des Auftraggebers nach französischem Civilrechte bemerkbar. Er haftet für den
Schaden, den der Beauftragte im Dienste, d. h. wie die herrschende Lehre das er-
läutert, gelegentlich des Dienstes angerichtet hat, a l'occasion des fonctions
Recht der besonderen Schuldverhältnisse.

Betrachten wir aber diese Entscheidungen genauer, so werden
wir fast immer zugeben müssen, daß sie sachlich richtig sind. Die
Gerichte sind nur in Selbsttäuschung befangen, wenn sie glauben, die
Grundsätze des Privatdeliktsrechts hier zur Anwendung zu bringen:
sie erkennen über öffentlichrechtliche Entschädigungen, wofür sie ja
nach allgemeinem deutschen Rechte die Zuständigkeit besitzen. So
erklärt es sich, daß sie die Gewährung dieser Entschädigung so ohne
weiteres an Voraussetzungen anknüpfen, die ihrerseits ganz dem
öffentlichen Rechte angehören. So erklären sich auch die kleinen Ab-
weichungen von der civilrechtlichen Schadensersatzpflicht, die in dieser
Rechtsprechung erscheinen; diese trifft ja im Ergebnisse zumeist mit
der öffentlichrechtlichen Entschädigung zusammen. Wo beide darin
auseinander gehen, folgt unsere Praxis den Regeln der letzteren8.

stehen habe, ist privatrechtlicher Natur, somit steht nichts im Wege, den art. 1384
B.G.B. grundsätzlich auf die Frage der Haftung des Staates, welcher hier nur in
seiner vermögensrechtlichen Seite in Betracht kommt, anzuwenden. Daß es sich
dabei um Ausübung polizeilicher Befugnisse handelt, ist nicht geeignet, die Haft-
barkeit des Staates auszuschließen.“ Die Frage wäre aber doch wohl zunächst
die, ob das nicht geeignet ist, die Anwendbarkeit des Civilrechts auf den Staat
auszuschließen. Oder was sollte sonst dazu geeignet sein, wenn das nicht? Die
Schlußfolgerung: weil die Schadensersatzpflicht des Staates, wenn derselbe dem
Privatrechtssatz unterliegen sollte, privatrechtlicher Natur sein würde, deshalb
unterliegt der Staat hier dem Privatrecht — ist geradezu mustergültig. — Eine
Militärpatrouille hatte bei einer Verhaftung Feuer gegeben, ein Unbeteiligter, der
verletzt worden war, klagt gegen den „Militärfiskus“; O.L.G. Colmar 9. Jan. 1888
(Jurist. Ztschft. f. Els.Lothr. XIII S. 123 ff.) bekennt sich jetzt ausdrücklich zu
jener Rechtskonstruktion des Reichsgerichts und erklärt den art. 1384 für anwend-
bar. — Sträflinge, die in einem elsässischen Gefängnisse zur Arbeit angehalten
werden, kommen dabei in Folge unrichtigen Verfahrens des Aufsichtsbeamten zu
Schaden. Den Einwand, daß der Staat hier in Ausübung seiner Hoheitsrechte
stehe, beseitigt das O.L.G. Colmar, wie das Reichsgericht mit der längst ver-
gessenen Formel des Polizeistaates: der Richter dürfe „auf Grund des art. 1384
den Fiskus für die vermögensrechtlichen Folgen der Handlung des Beamten des
Staates verantwortlich erklären“ (Jur. Ztschft. f. Els.Lothr. IX S. 273 ff., XII S. 317).
— R.G. 21. Dez. 1886 (Samml. XVII S. 105) hat übrigens auch im Gebiete des
weniger handlichen preuß. Rechts den Staat ex delicto zu verurteilen gewußt:
gelegentlich eines Straßenbaues wird ein Haus beschädigt; man hat es hier nur
mit dem „durch den Fiskus repräsentierten Staat“ zu thun; der Fiskus als Privat-
mann, der er ist, unterliegt aber der Strafbestimmung des § 367 n. 14 Stf.G.B.
und folglich auch der aus seiner strafbaren Handlung hervorgehenden Schadens-
ersatzpflicht.
8 Der Gegensatz wird namentlich wieder gegenüber der weitgehenden Haftung
des Auftraggebers nach französischem Civilrechte bemerkbar. Er haftet für den
Schaden, den der Beauftragte im Dienste, d. h. wie die herrschende Lehre das er-
läutert, gelegentlich des Dienstes angerichtet hat, à l’occasion des fonctions
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[360/0372] Recht der besonderen Schuldverhältnisse. Betrachten wir aber diese Entscheidungen genauer, so werden wir fast immer zugeben müssen, daß sie sachlich richtig sind. Die Gerichte sind nur in Selbsttäuschung befangen, wenn sie glauben, die Grundsätze des Privatdeliktsrechts hier zur Anwendung zu bringen: sie erkennen über öffentlichrechtliche Entschädigungen, wofür sie ja nach allgemeinem deutschen Rechte die Zuständigkeit besitzen. So erklärt es sich, daß sie die Gewährung dieser Entschädigung so ohne weiteres an Voraussetzungen anknüpfen, die ihrerseits ganz dem öffentlichen Rechte angehören. So erklären sich auch die kleinen Ab- weichungen von der civilrechtlichen Schadensersatzpflicht, die in dieser Rechtsprechung erscheinen; diese trifft ja im Ergebnisse zumeist mit der öffentlichrechtlichen Entschädigung zusammen. Wo beide darin auseinander gehen, folgt unsere Praxis den Regeln der letzteren 8. 7 8 Der Gegensatz wird namentlich wieder gegenüber der weitgehenden Haftung des Auftraggebers nach französischem Civilrechte bemerkbar. Er haftet für den Schaden, den der Beauftragte im Dienste, d. h. wie die herrschende Lehre das er- läutert, gelegentlich des Dienstes angerichtet hat, à l’occasion des fonctions 7 stehen habe, ist privatrechtlicher Natur, somit steht nichts im Wege, den art. 1384 B.G.B. grundsätzlich auf die Frage der Haftung des Staates, welcher hier nur in seiner vermögensrechtlichen Seite in Betracht kommt, anzuwenden. Daß es sich dabei um Ausübung polizeilicher Befugnisse handelt, ist nicht geeignet, die Haft- barkeit des Staates auszuschließen.“ Die Frage wäre aber doch wohl zunächst die, ob das nicht geeignet ist, die Anwendbarkeit des Civilrechts auf den Staat auszuschließen. Oder was sollte sonst dazu geeignet sein, wenn das nicht? Die Schlußfolgerung: weil die Schadensersatzpflicht des Staates, wenn derselbe dem Privatrechtssatz unterliegen sollte, privatrechtlicher Natur sein würde, deshalb unterliegt der Staat hier dem Privatrecht — ist geradezu mustergültig. — Eine Militärpatrouille hatte bei einer Verhaftung Feuer gegeben, ein Unbeteiligter, der verletzt worden war, klagt gegen den „Militärfiskus“; O.L.G. Colmar 9. Jan. 1888 (Jurist. Ztschft. f. Els.Lothr. XIII S. 123 ff.) bekennt sich jetzt ausdrücklich zu jener Rechtskonstruktion des Reichsgerichts und erklärt den art. 1384 für anwend- bar. — Sträflinge, die in einem elsässischen Gefängnisse zur Arbeit angehalten werden, kommen dabei in Folge unrichtigen Verfahrens des Aufsichtsbeamten zu Schaden. Den Einwand, daß der Staat hier in Ausübung seiner Hoheitsrechte stehe, beseitigt das O.L.G. Colmar, wie das Reichsgericht mit der längst ver- gessenen Formel des Polizeistaates: der Richter dürfe „auf Grund des art. 1384 den Fiskus für die vermögensrechtlichen Folgen der Handlung des Beamten des Staates verantwortlich erklären“ (Jur. Ztschft. f. Els.Lothr. IX S. 273 ff., XII S. 317). — R.G. 21. Dez. 1886 (Samml. XVII S. 105) hat übrigens auch im Gebiete des weniger handlichen preuß. Rechts den Staat ex delicto zu verurteilen gewußt: gelegentlich eines Straßenbaues wird ein Haus beschädigt; man hat es hier nur mit dem „durch den Fiskus repräsentierten Staat“ zu thun; der Fiskus als Privat- mann, der er ist, unterliegt aber der Strafbestimmung des § 367 n. 14 Stf.G.B. und folglich auch der aus seiner strafbaren Handlung hervorgehenden Schadens- ersatzpflicht.

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Zitationshilfe: Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 2. Leipzig, 1896, S. 360. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_verwaltungsrecht02_1896/372>, abgerufen am 22.11.2024.