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Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 2. Leipzig, 1896.

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Recht der besonderen Schuldverhältnisse.

Ein Anspruch auf Herausgabe besteht wegen der Ver-
mögenswerte, welche gelegentlich der Anstaltsnutzung in die Hände
der Anstalt gelangt sind, um ihr nicht zu verbleiben. Die Ablieferung
vollzieht sich in ihrem geordnetem Gang; wenn aber in der einen
oder anderen Art die anstaltsmäßige Thätigkeit zu Ende ist und nichts
übrig bleibt, als die Thatsache der Innehabung eines solchen Wertes,
der herauszugeben ist, dann stellt sich neben die dienstliche Pflicht
der Anstaltsbeamten ein Rechtsanspruch dessen, dem er gehört. Der
Anspruch ist ein civilrechtlicher und geht gegen den Herrn der Anstalt
selbst, in dessen Namen die Anstalt betrieben und die Innehabung
geübt wird. Handelt es sich um körperliche Sachen, so ist die rei
vindicatio gegeben14; ist es eine Geldsumme, die auf solche Weise
ohne Grund in den Händen der Anstalt verbleibt, so hat die Klage
dessen, dem sie gehört, die Natur der condictio sine causa15.

Andererseits können dem Nutzenden auch Entschädigungs-
ansprüche
gegen den Staat als dem Herrn der Anstalt zustehen
wegen des Nachteils, der ihm bei der Anstaltsthätigkeit erwachsen ist.
Die Rechtsgrundlage dafür liefern nicht die Grundsätze über kontrakt-
liches Verschulden; denn ein vertragsartiges Rechtsverhältnis liegt
nicht vor (oben n. 2). Ebensowenig die civilrechtlichen Grundsätze
über die Haftung für rechtswidrige Handlungen seiner Beamten; denn

14 Daß die Post den Brief, das Spital die Kleider des entlassenen Kranken,
das Leihhaus die versetzten Sachen herausgiebt, ist durch die eigne Ordnung der
Anstalt bestimmt. Daß ein Recht auf die Herausgabe besteht, gründet sich nicht
auf diese, noch weniger auf einen Vertrag, sondern nur auf das Eigentum; die
Anstaltsordnung beschränkt den Anspruch, soweit es im Interesse des Betriebs er-
forderlich erscheint. Beispiel: die Bestimmungen der Post-Ord. § 29 über die
Zurückforderung von Postsendungen durch den Absender.
15 Die öffentliche Depositenkasse verwaltet fremde Gelder und zahlt sie
hinaus nach ihren eignen Ordnungen; nach diesen richtet sich auch, wann die
Beamten zahlen sollen. Ein Recht des bezeichneten Empfängers entsteht daraus
nicht. Wohl aber ist damit zugleich ausgesprochen, daß die Anstaltsgewalt über
diese Gelder nunmehr zu Ende ist; folglich ist das Geld (nebst dem etwa ein-
getretenen Zuwachs an Zinsen) jetzt sine causa bei der Anstalt und die civil-
rechtliche Klage begründet. Ähnlich steht es bei den Sparkassen, welche öffentlich-
rechtlich betrieben werden. -- Bei der Post kommen Postanweisungen und Post-
aufträge zur Geldeinziehung hier in Betracht. Das Gesetz und die Anstaltsordnung
(Postges. § 6, Post-Ord. § 19, IX) verheißen eine "Garantie" der Postverwaltung
für die eingezahlten Beträge, also Rückerstattung derselben, wenn sie nicht be-
stimmungsgemäß Verwendung fanden. Tinsch, Die Postanweisung S. 26, nennt
das unrichtigerweise eine "Haftung der Postanstalt wegen Nichterfüllung". Er
giebt selbst zu, daß diese Haftung nicht auf das Interesse geht, sondern nur auf
das Empfangene, also die Bereicherung.
Recht der besonderen Schuldverhältnisse.

Ein Anspruch auf Herausgabe besteht wegen der Ver-
mögenswerte, welche gelegentlich der Anstaltsnutzung in die Hände
der Anstalt gelangt sind, um ihr nicht zu verbleiben. Die Ablieferung
vollzieht sich in ihrem geordnetem Gang; wenn aber in der einen
oder anderen Art die anstaltsmäßige Thätigkeit zu Ende ist und nichts
übrig bleibt, als die Thatsache der Innehabung eines solchen Wertes,
der herauszugeben ist, dann stellt sich neben die dienstliche Pflicht
der Anstaltsbeamten ein Rechtsanspruch dessen, dem er gehört. Der
Anspruch ist ein civilrechtlicher und geht gegen den Herrn der Anstalt
selbst, in dessen Namen die Anstalt betrieben und die Innehabung
geübt wird. Handelt es sich um körperliche Sachen, so ist die rei
vindicatio gegeben14; ist es eine Geldsumme, die auf solche Weise
ohne Grund in den Händen der Anstalt verbleibt, so hat die Klage
dessen, dem sie gehört, die Natur der condictio sine causa15.

Andererseits können dem Nutzenden auch Entschädigungs-
ansprüche
gegen den Staat als dem Herrn der Anstalt zustehen
wegen des Nachteils, der ihm bei der Anstaltsthätigkeit erwachsen ist.
Die Rechtsgrundlage dafür liefern nicht die Grundsätze über kontrakt-
liches Verschulden; denn ein vertragsartiges Rechtsverhältnis liegt
nicht vor (oben n. 2). Ebensowenig die civilrechtlichen Grundsätze
über die Haftung für rechtswidrige Handlungen seiner Beamten; denn

14 Daß die Post den Brief, das Spital die Kleider des entlassenen Kranken,
das Leihhaus die versetzten Sachen herausgiebt, ist durch die eigne Ordnung der
Anstalt bestimmt. Daß ein Recht auf die Herausgabe besteht, gründet sich nicht
auf diese, noch weniger auf einen Vertrag, sondern nur auf das Eigentum; die
Anstaltsordnung beschränkt den Anspruch, soweit es im Interesse des Betriebs er-
forderlich erscheint. Beispiel: die Bestimmungen der Post-Ord. § 29 über die
Zurückforderung von Postsendungen durch den Absender.
15 Die öffentliche Depositenkasse verwaltet fremde Gelder und zahlt sie
hinaus nach ihren eignen Ordnungen; nach diesen richtet sich auch, wann die
Beamten zahlen sollen. Ein Recht des bezeichneten Empfängers entsteht daraus
nicht. Wohl aber ist damit zugleich ausgesprochen, daß die Anstaltsgewalt über
diese Gelder nunmehr zu Ende ist; folglich ist das Geld (nebst dem etwa ein-
getretenen Zuwachs an Zinsen) jetzt sine causa bei der Anstalt und die civil-
rechtliche Klage begründet. Ähnlich steht es bei den Sparkassen, welche öffentlich-
rechtlich betrieben werden. — Bei der Post kommen Postanweisungen und Post-
aufträge zur Geldeinziehung hier in Betracht. Das Gesetz und die Anstaltsordnung
(Postges. § 6, Post-Ord. § 19, IX) verheißen eine „Garantie“ der Postverwaltung
für die eingezahlten Beträge, also Rückerstattung derselben, wenn sie nicht be-
stimmungsgemäß Verwendung fanden. Tinsch, Die Postanweisung S. 26, nennt
das unrichtigerweise eine „Haftung der Postanstalt wegen Nichterfüllung“. Er
giebt selbst zu, daß diese Haftung nicht auf das Interesse geht, sondern nur auf
das Empfangene, also die Bereicherung.
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[330/0342] Recht der besonderen Schuldverhältnisse. Ein Anspruch auf Herausgabe besteht wegen der Ver- mögenswerte, welche gelegentlich der Anstaltsnutzung in die Hände der Anstalt gelangt sind, um ihr nicht zu verbleiben. Die Ablieferung vollzieht sich in ihrem geordnetem Gang; wenn aber in der einen oder anderen Art die anstaltsmäßige Thätigkeit zu Ende ist und nichts übrig bleibt, als die Thatsache der Innehabung eines solchen Wertes, der herauszugeben ist, dann stellt sich neben die dienstliche Pflicht der Anstaltsbeamten ein Rechtsanspruch dessen, dem er gehört. Der Anspruch ist ein civilrechtlicher und geht gegen den Herrn der Anstalt selbst, in dessen Namen die Anstalt betrieben und die Innehabung geübt wird. Handelt es sich um körperliche Sachen, so ist die rei vindicatio gegeben 14; ist es eine Geldsumme, die auf solche Weise ohne Grund in den Händen der Anstalt verbleibt, so hat die Klage dessen, dem sie gehört, die Natur der condictio sine causa 15. Andererseits können dem Nutzenden auch Entschädigungs- ansprüche gegen den Staat als dem Herrn der Anstalt zustehen wegen des Nachteils, der ihm bei der Anstaltsthätigkeit erwachsen ist. Die Rechtsgrundlage dafür liefern nicht die Grundsätze über kontrakt- liches Verschulden; denn ein vertragsartiges Rechtsverhältnis liegt nicht vor (oben n. 2). Ebensowenig die civilrechtlichen Grundsätze über die Haftung für rechtswidrige Handlungen seiner Beamten; denn 14 Daß die Post den Brief, das Spital die Kleider des entlassenen Kranken, das Leihhaus die versetzten Sachen herausgiebt, ist durch die eigne Ordnung der Anstalt bestimmt. Daß ein Recht auf die Herausgabe besteht, gründet sich nicht auf diese, noch weniger auf einen Vertrag, sondern nur auf das Eigentum; die Anstaltsordnung beschränkt den Anspruch, soweit es im Interesse des Betriebs er- forderlich erscheint. Beispiel: die Bestimmungen der Post-Ord. § 29 über die Zurückforderung von Postsendungen durch den Absender. 15 Die öffentliche Depositenkasse verwaltet fremde Gelder und zahlt sie hinaus nach ihren eignen Ordnungen; nach diesen richtet sich auch, wann die Beamten zahlen sollen. Ein Recht des bezeichneten Empfängers entsteht daraus nicht. Wohl aber ist damit zugleich ausgesprochen, daß die Anstaltsgewalt über diese Gelder nunmehr zu Ende ist; folglich ist das Geld (nebst dem etwa ein- getretenen Zuwachs an Zinsen) jetzt sine causa bei der Anstalt und die civil- rechtliche Klage begründet. Ähnlich steht es bei den Sparkassen, welche öffentlich- rechtlich betrieben werden. — Bei der Post kommen Postanweisungen und Post- aufträge zur Geldeinziehung hier in Betracht. Das Gesetz und die Anstaltsordnung (Postges. § 6, Post-Ord. § 19, IX) verheißen eine „Garantie“ der Postverwaltung für die eingezahlten Beträge, also Rückerstattung derselben, wenn sie nicht be- stimmungsgemäß Verwendung fanden. Tinsch, Die Postanweisung S. 26, nennt das unrichtigerweise eine „Haftung der Postanstalt wegen Nichterfüllung“. Er giebt selbst zu, daß diese Haftung nicht auf das Interesse geht, sondern nur auf das Empfangene, also die Bereicherung.

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Zitationshilfe: Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 2. Leipzig, 1896, S. 330. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_verwaltungsrecht02_1896/342>, abgerufen am 23.11.2024.