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Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 2. Leipzig, 1896.

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§ 51. Öffentlichrechtliche Anstaltsnutzung.
wo die Voraussetzungen der Zulassung rechtssatzmäßig geordnet sind,
kann auch der Ausschluß nicht erfolgen in Widerspruch damit, sonst
wäre es wieder eine Rechtswidrigkeit gegenüber dem Betroffenen.

Was dem Zugelassenen und in der Anstaltsnutzung Verbleibenden
wirklich geleistet wird, das ist im einen wie im anderen Falle
lediglich bestimmt durch die innere Ordnung der Anstalt selbst, durch
die Dienstpflicht der Beamten, deren Erfüllung im öffentlichen Interesse
überwacht wird von der vorgesetzten Behörde. Der Nutzende mag
diese anrufen, damit sie zum Rechten sehe; das kommt dann auch
ihm zu gute. Aber er hat kein eignes Recht gegen den Staat auf
die richtige Durchführung der Leistung. Die civilrechtliche Klage
auf Leistung
ist selbstverständlich ausgeschlossen. Aber auch ein
verwaltungsrechtliches Rechtsschutzmittel ist ihm nicht gegeben, das
von dieser Grundlage aus die Erzwingung der Leistung bezweckte.
Ausgeschlossen ist demgemäß auch die Klage auf Schadensersatz
wegen Nichterfüllung
. Bestünde eine Leistungspflicht der
Anstalt, so könnte es nur eine öffentlichrechtliche sein, und öffentlich-
rechtliche Leistungspflichten lösen sich bekanntlich nicht auf im
Schadensersatz wegen Nichterfüllung. Nun aber besteht nicht einmal
eine solche Pflicht. Die Schadensersatzansprüche, denen wir hier be-
gegnen (unten n. 3), sind ganz anderer, selbständiger Natur.

Gerade an diesem Ausschluß rechtsgeschäftlicher Haftung tritt
der Gegensatz der öffentlichrechtlichen Anstaltsnutzung zum civil-
rechtlichen Nutzungsverhältnis, wie es durch Vertrag begründet werden
kann, am schärfsten hervor10. Die Anstaltsordnungen, Reglements,
Regulative, Statuten, mit welchen die öffentlichen Anstalten arbeiten,

10 Die Erkenntnis, daß eine Erfüllungspflicht und eine Schadensersatzpflicht
wegen Nichterfüllung hier nicht besteht, hat bei Ludewig, Die Telegraphie
S. 92 ff., zu einem merkwürdigen Erklärungsversuche geführt. Ohne Vertrag kann
auch er nicht auskommen. Um aber die thatsächliche Wirkungslosigkeit dieses
Vertrages zu rechtfertigen, giebt er ihm den Inhalt, daß der Staat nicht selbst
sich zur Leistung verpflichtet, sondern nur verspricht, daß seine Beamten leisten.
Dieser Pflicht genügt er aber, indem er sein Möglichstes thut, daß die Beamten
ihrer Schuldigkeit nachkommen, wie das ja in den bestehenden Einrichtungen aufs
schönste geschehen ist. Geht es also einmal doch fehl, so kann er nichts dafür
und haftet nicht. Das letztere ist wahr. Aber dazu sollen wir an einen so um-
ständlichen Vertrag glauben? Ist es nicht viel ehrlicher zu sagen: es besteht
keiner? Es giebt keine Klage auf Erteilung sachgemäßen Unterrichts in der
öffentlichen Schule, keine Klage auf richtige Verpflegung im öffentlichen Kranken-
haus, keinen Anspruch auf Schadensersatz wegen Unwissenheit des Schülers oder
verzögerter Genesung, wegen Verspätung des Briefes und Nichtablieferung der
Depesche. Wozu also all der Prunk mit den Verträgen, die da zu Grunde liegen
sollen, wenn man doch nicht leugnen kann, daß überall die Kraft und Spitze fehlt?

§ 51. Öffentlichrechtliche Anstaltsnutzung.
wo die Voraussetzungen der Zulassung rechtssatzmäßig geordnet sind,
kann auch der Ausschluß nicht erfolgen in Widerspruch damit, sonst
wäre es wieder eine Rechtswidrigkeit gegenüber dem Betroffenen.

Was dem Zugelassenen und in der Anstaltsnutzung Verbleibenden
wirklich geleistet wird, das ist im einen wie im anderen Falle
lediglich bestimmt durch die innere Ordnung der Anstalt selbst, durch
die Dienstpflicht der Beamten, deren Erfüllung im öffentlichen Interesse
überwacht wird von der vorgesetzten Behörde. Der Nutzende mag
diese anrufen, damit sie zum Rechten sehe; das kommt dann auch
ihm zu gute. Aber er hat kein eignes Recht gegen den Staat auf
die richtige Durchführung der Leistung. Die civilrechtliche Klage
auf Leistung
ist selbstverständlich ausgeschlossen. Aber auch ein
verwaltungsrechtliches Rechtsschutzmittel ist ihm nicht gegeben, das
von dieser Grundlage aus die Erzwingung der Leistung bezweckte.
Ausgeschlossen ist demgemäß auch die Klage auf Schadensersatz
wegen Nichterfüllung
. Bestünde eine Leistungspflicht der
Anstalt, so könnte es nur eine öffentlichrechtliche sein, und öffentlich-
rechtliche Leistungspflichten lösen sich bekanntlich nicht auf im
Schadensersatz wegen Nichterfüllung. Nun aber besteht nicht einmal
eine solche Pflicht. Die Schadensersatzansprüche, denen wir hier be-
gegnen (unten n. 3), sind ganz anderer, selbständiger Natur.

Gerade an diesem Ausschluß rechtsgeschäftlicher Haftung tritt
der Gegensatz der öffentlichrechtlichen Anstaltsnutzung zum civil-
rechtlichen Nutzungsverhältnis, wie es durch Vertrag begründet werden
kann, am schärfsten hervor10. Die Anstaltsordnungen, Reglements,
Regulative, Statuten, mit welchen die öffentlichen Anstalten arbeiten,

10 Die Erkenntnis, daß eine Erfüllungspflicht und eine Schadensersatzpflicht
wegen Nichterfüllung hier nicht besteht, hat bei Ludewig, Die Telegraphie
S. 92 ff., zu einem merkwürdigen Erklärungsversuche geführt. Ohne Vertrag kann
auch er nicht auskommen. Um aber die thatsächliche Wirkungslosigkeit dieses
Vertrages zu rechtfertigen, giebt er ihm den Inhalt, daß der Staat nicht selbst
sich zur Leistung verpflichtet, sondern nur verspricht, daß seine Beamten leisten.
Dieser Pflicht genügt er aber, indem er sein Möglichstes thut, daß die Beamten
ihrer Schuldigkeit nachkommen, wie das ja in den bestehenden Einrichtungen aufs
schönste geschehen ist. Geht es also einmal doch fehl, so kann er nichts dafür
und haftet nicht. Das letztere ist wahr. Aber dazu sollen wir an einen so um-
ständlichen Vertrag glauben? Ist es nicht viel ehrlicher zu sagen: es besteht
keiner? Es giebt keine Klage auf Erteilung sachgemäßen Unterrichts in der
öffentlichen Schule, keine Klage auf richtige Verpflegung im öffentlichen Kranken-
haus, keinen Anspruch auf Schadensersatz wegen Unwissenheit des Schülers oder
verzögerter Genesung, wegen Verspätung des Briefes und Nichtablieferung der
Depesche. Wozu also all der Prunk mit den Verträgen, die da zu Grunde liegen
sollen, wenn man doch nicht leugnen kann, daß überall die Kraft und Spitze fehlt?
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[327/0339] § 51. Öffentlichrechtliche Anstaltsnutzung. wo die Voraussetzungen der Zulassung rechtssatzmäßig geordnet sind, kann auch der Ausschluß nicht erfolgen in Widerspruch damit, sonst wäre es wieder eine Rechtswidrigkeit gegenüber dem Betroffenen. Was dem Zugelassenen und in der Anstaltsnutzung Verbleibenden wirklich geleistet wird, das ist im einen wie im anderen Falle lediglich bestimmt durch die innere Ordnung der Anstalt selbst, durch die Dienstpflicht der Beamten, deren Erfüllung im öffentlichen Interesse überwacht wird von der vorgesetzten Behörde. Der Nutzende mag diese anrufen, damit sie zum Rechten sehe; das kommt dann auch ihm zu gute. Aber er hat kein eignes Recht gegen den Staat auf die richtige Durchführung der Leistung. Die civilrechtliche Klage auf Leistung ist selbstverständlich ausgeschlossen. Aber auch ein verwaltungsrechtliches Rechtsschutzmittel ist ihm nicht gegeben, das von dieser Grundlage aus die Erzwingung der Leistung bezweckte. Ausgeschlossen ist demgemäß auch die Klage auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung. Bestünde eine Leistungspflicht der Anstalt, so könnte es nur eine öffentlichrechtliche sein, und öffentlich- rechtliche Leistungspflichten lösen sich bekanntlich nicht auf im Schadensersatz wegen Nichterfüllung. Nun aber besteht nicht einmal eine solche Pflicht. Die Schadensersatzansprüche, denen wir hier be- gegnen (unten n. 3), sind ganz anderer, selbständiger Natur. Gerade an diesem Ausschluß rechtsgeschäftlicher Haftung tritt der Gegensatz der öffentlichrechtlichen Anstaltsnutzung zum civil- rechtlichen Nutzungsverhältnis, wie es durch Vertrag begründet werden kann, am schärfsten hervor 10. Die Anstaltsordnungen, Reglements, Regulative, Statuten, mit welchen die öffentlichen Anstalten arbeiten, 10 Die Erkenntnis, daß eine Erfüllungspflicht und eine Schadensersatzpflicht wegen Nichterfüllung hier nicht besteht, hat bei Ludewig, Die Telegraphie S. 92 ff., zu einem merkwürdigen Erklärungsversuche geführt. Ohne Vertrag kann auch er nicht auskommen. Um aber die thatsächliche Wirkungslosigkeit dieses Vertrages zu rechtfertigen, giebt er ihm den Inhalt, daß der Staat nicht selbst sich zur Leistung verpflichtet, sondern nur verspricht, daß seine Beamten leisten. Dieser Pflicht genügt er aber, indem er sein Möglichstes thut, daß die Beamten ihrer Schuldigkeit nachkommen, wie das ja in den bestehenden Einrichtungen aufs schönste geschehen ist. Geht es also einmal doch fehl, so kann er nichts dafür und haftet nicht. Das letztere ist wahr. Aber dazu sollen wir an einen so um- ständlichen Vertrag glauben? Ist es nicht viel ehrlicher zu sagen: es besteht keiner? Es giebt keine Klage auf Erteilung sachgemäßen Unterrichts in der öffentlichen Schule, keine Klage auf richtige Verpflegung im öffentlichen Kranken- haus, keinen Anspruch auf Schadensersatz wegen Unwissenheit des Schülers oder verzögerter Genesung, wegen Verspätung des Briefes und Nichtablieferung der Depesche. Wozu also all der Prunk mit den Verträgen, die da zu Grunde liegen sollen, wenn man doch nicht leugnen kann, daß überall die Kraft und Spitze fehlt?

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Zitationshilfe: Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 2. Leipzig, 1896, S. 327. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_verwaltungsrecht02_1896/339>, abgerufen am 04.05.2024.