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Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 2. Leipzig, 1896.

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Recht der besonderen Schuldverhältnisse.
ein Privatunternehmer. Um seine Dienste zu gewinnen, muß man ihn
zuvor binden durch einen civilrechtlichen Vertrag. Aus diesem Vertrag
ist er alsdann verpflichtet, die schiedsrichterliche Leistung zu machen.
Es giebt eine Klage auf Erfüllung oder auf Schadensersatz wegen
Nichterfüllung. Im öffentlichen Gerichte dagegen ist der Unter-
nehmer der Staat. Dieser hat seine Richter durch die Dienstpflicht
gebunden, Klagen, welche den gesetzlichen Voraussetzungen entsprechen,
anzunehmen und zu erledigen. Die Vorlegung der Klageschrift ist nur
eine Aufforderung an die richterlichen Beamten, die ihnen vom Staate
auferlegte Dienstpflicht zu erfüllen, und alles, was die Partei weiter
thut, hat dieselbe Natur. Die Annahme der Klageschrift durch das
Gericht ist kein Vertrag, und es entsteht dadurch kein vertragsmäßiger
Anspruch gegen den Staat auf Erledigung des Prozesses. Es giebt
nur Rechtsmittel gemäß der eigenen Ordnung der Rechtsschutzanstalt
und Beschwerden gegen die Anstaltsbeamten, die Richter, beim Herrn
der Anstalt, beim Staat, d. h. bei den von ihm bestellten Überwachungs-
behörden.

Das Letztere ist die Form der öffentlichrechtlichen Anstalts-
nutzung. Beim Gericht freilich ist die ganze Thätigkeit durch ge-
setzliche
Regeln auf das genaueste geordnet und eben deshalb ge-
bunden auch gegenüber den Parteien, zu deren Gunsten das wirkt.
Subjektive öffentliche Rechte der Einzelnen begleiten ihren Gang.
Bei der öffentlichen Anstalt der Verwaltung dagegen greift Gesetz und
Verordnung nur spärlich ein. Der Schwerpunkt der Ordnung, welche
der Staat ihrer Thätigkeit giebt, liegt in Generalverfügungen,
Dienstanweisungen für die Beamten und allgemeinen Verhaltungsregeln
für die Benutzenden kraft Anstaltsgewalt (unten § 52, II). Wenn wir
von Anstaltsordnung schlechthin sprechen, so meinen wir den
Inbegriff dieser für jede Anstalt bestehenden Verwaltungsvorschriften.

Wenn das Privatunternehmen das Verhältnis beginnt mit der
vertragsmäßigen Schaffung von grundlegenden Rechten und
Pflichten
seines Kunden, woraus dann alles Weitere sich entwickelt,
so arbeitet die öffentliche Anstalt nach eigener Ordnung für den
ihrigen; einzelne Rechtsansprüche knüpfen sich möglicherweise
an Anfang, Mitte oder Ende ihrer Thätigkeit, eingestreut, je nachdem
besondere gesetzliche Bestimmungen dafür gegeben sind oder allgemeine
Rechtsgrundsätze des öffentlichen oder Civilrechts unvorhergesehener
Weise anwendbar werden2. --

2 Es fehlt hier die einheitliche Zusammenfassung des Verhältnisses, wie
Laband, St.R. II S. 249 (3. Aufl. S. 248), von den Anstalten zur Arbeiterversiche-

Recht der besonderen Schuldverhältnisse.
ein Privatunternehmer. Um seine Dienste zu gewinnen, muß man ihn
zuvor binden durch einen civilrechtlichen Vertrag. Aus diesem Vertrag
ist er alsdann verpflichtet, die schiedsrichterliche Leistung zu machen.
Es giebt eine Klage auf Erfüllung oder auf Schadensersatz wegen
Nichterfüllung. Im öffentlichen Gerichte dagegen ist der Unter-
nehmer der Staat. Dieser hat seine Richter durch die Dienstpflicht
gebunden, Klagen, welche den gesetzlichen Voraussetzungen entsprechen,
anzunehmen und zu erledigen. Die Vorlegung der Klageschrift ist nur
eine Aufforderung an die richterlichen Beamten, die ihnen vom Staate
auferlegte Dienstpflicht zu erfüllen, und alles, was die Partei weiter
thut, hat dieselbe Natur. Die Annahme der Klageschrift durch das
Gericht ist kein Vertrag, und es entsteht dadurch kein vertragsmäßiger
Anspruch gegen den Staat auf Erledigung des Prozesses. Es giebt
nur Rechtsmittel gemäß der eigenen Ordnung der Rechtsschutzanstalt
und Beschwerden gegen die Anstaltsbeamten, die Richter, beim Herrn
der Anstalt, beim Staat, d. h. bei den von ihm bestellten Überwachungs-
behörden.

Das Letztere ist die Form der öffentlichrechtlichen Anstalts-
nutzung. Beim Gericht freilich ist die ganze Thätigkeit durch ge-
setzliche
Regeln auf das genaueste geordnet und eben deshalb ge-
bunden auch gegenüber den Parteien, zu deren Gunsten das wirkt.
Subjektive öffentliche Rechte der Einzelnen begleiten ihren Gang.
Bei der öffentlichen Anstalt der Verwaltung dagegen greift Gesetz und
Verordnung nur spärlich ein. Der Schwerpunkt der Ordnung, welche
der Staat ihrer Thätigkeit giebt, liegt in Generalverfügungen,
Dienstanweisungen für die Beamten und allgemeinen Verhaltungsregeln
für die Benutzenden kraft Anstaltsgewalt (unten § 52, II). Wenn wir
von Anstaltsordnung schlechthin sprechen, so meinen wir den
Inbegriff dieser für jede Anstalt bestehenden Verwaltungsvorschriften.

Wenn das Privatunternehmen das Verhältnis beginnt mit der
vertragsmäßigen Schaffung von grundlegenden Rechten und
Pflichten
seines Kunden, woraus dann alles Weitere sich entwickelt,
so arbeitet die öffentliche Anstalt nach eigener Ordnung für den
ihrigen; einzelne Rechtsansprüche knüpfen sich möglicherweise
an Anfang, Mitte oder Ende ihrer Thätigkeit, eingestreut, je nachdem
besondere gesetzliche Bestimmungen dafür gegeben sind oder allgemeine
Rechtsgrundsätze des öffentlichen oder Civilrechts unvorhergesehener
Weise anwendbar werden2. —

2 Es fehlt hier die einheitliche Zusammenfassung des Verhältnisses, wie
Laband, St.R. II S. 249 (3. Aufl. S. 248), von den Anstalten zur Arbeiterversiche-
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[320/0332] Recht der besonderen Schuldverhältnisse. ein Privatunternehmer. Um seine Dienste zu gewinnen, muß man ihn zuvor binden durch einen civilrechtlichen Vertrag. Aus diesem Vertrag ist er alsdann verpflichtet, die schiedsrichterliche Leistung zu machen. Es giebt eine Klage auf Erfüllung oder auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung. Im öffentlichen Gerichte dagegen ist der Unter- nehmer der Staat. Dieser hat seine Richter durch die Dienstpflicht gebunden, Klagen, welche den gesetzlichen Voraussetzungen entsprechen, anzunehmen und zu erledigen. Die Vorlegung der Klageschrift ist nur eine Aufforderung an die richterlichen Beamten, die ihnen vom Staate auferlegte Dienstpflicht zu erfüllen, und alles, was die Partei weiter thut, hat dieselbe Natur. Die Annahme der Klageschrift durch das Gericht ist kein Vertrag, und es entsteht dadurch kein vertragsmäßiger Anspruch gegen den Staat auf Erledigung des Prozesses. Es giebt nur Rechtsmittel gemäß der eigenen Ordnung der Rechtsschutzanstalt und Beschwerden gegen die Anstaltsbeamten, die Richter, beim Herrn der Anstalt, beim Staat, d. h. bei den von ihm bestellten Überwachungs- behörden. Das Letztere ist die Form der öffentlichrechtlichen Anstalts- nutzung. Beim Gericht freilich ist die ganze Thätigkeit durch ge- setzliche Regeln auf das genaueste geordnet und eben deshalb ge- bunden auch gegenüber den Parteien, zu deren Gunsten das wirkt. Subjektive öffentliche Rechte der Einzelnen begleiten ihren Gang. Bei der öffentlichen Anstalt der Verwaltung dagegen greift Gesetz und Verordnung nur spärlich ein. Der Schwerpunkt der Ordnung, welche der Staat ihrer Thätigkeit giebt, liegt in Generalverfügungen, Dienstanweisungen für die Beamten und allgemeinen Verhaltungsregeln für die Benutzenden kraft Anstaltsgewalt (unten § 52, II). Wenn wir von Anstaltsordnung schlechthin sprechen, so meinen wir den Inbegriff dieser für jede Anstalt bestehenden Verwaltungsvorschriften. Wenn das Privatunternehmen das Verhältnis beginnt mit der vertragsmäßigen Schaffung von grundlegenden Rechten und Pflichten seines Kunden, woraus dann alles Weitere sich entwickelt, so arbeitet die öffentliche Anstalt nach eigener Ordnung für den ihrigen; einzelne Rechtsansprüche knüpfen sich möglicherweise an Anfang, Mitte oder Ende ihrer Thätigkeit, eingestreut, je nachdem besondere gesetzliche Bestimmungen dafür gegeben sind oder allgemeine Rechtsgrundsätze des öffentlichen oder Civilrechts unvorhergesehener Weise anwendbar werden 2. — 2 Es fehlt hier die einheitliche Zusammenfassung des Verhältnisses, wie Laband, St.R. II S. 249 (3. Aufl. S. 248), von den Anstalten zur Arbeiterversiche-

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Zitationshilfe: Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 2. Leipzig, 1896, S. 320. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_verwaltungsrecht02_1896/332>, abgerufen am 24.11.2024.