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Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 2. Leipzig, 1896.

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§ 50. Rechte und Pflichten des beliehenen Unternehmers.
den Betriebsmitteln geschehen soll, namentlich daß etwa der Verleiher
sie übernimmt gegen Entschädigung, und wie diese Entschädigung zu
bemessen ist. Man spricht dann von einem Heimfall des Unter-
nehmens. Fehlt es an einer solchen Bestimmung, so hat der Verleiher
die Wahl, ob er den bisherigen Unternehmer über die verbliebenen
Mittel frei verfügen lassen oder sie behufs Fortführung des Unter-
nehmens an sich ziehen will gegen Entschädigung. Diese ist dann
wieder zu bemessen nach dem Rohwerte15.

4. Dem Verleiher kann das Rückkaufsrecht vorbehalten sein,
d. h. das Recht, nach seinem Belieben jederzeit oder von einem be-
stimmten Zeitpunkte ab die Verleihung zu widerrufen und behufs
Weiterführung des Unternehmens Anlagen und Betriebsmittel an sich
zu ziehen, selbstverständlich gegen Entschädigung des Beliehenen.

Das Rückkaufsrecht besteht nur, soweit der Unternehmer sich
bei der Verleihung oder nachträglich ihm unterworfen hat, oder eine
rechtssatzmäßige Grundlage dafür gegeben ist. Die gewöhnliche Ent-
eignungsgesetzgebung ist dafür nicht verwendbar, da sie nur auf Ent-
ziehung von Grundstücken berechnet ist. Durch Sondergesetz läßt
sich natürlich auch hier alles machen16. Die Geltendmachung geschieht
durch einen Ausspruch der Behörde; an diesen knüpft sich unmittelbar
die rechtentziehende Wirkung. Ein Kauf im juristischen Sinne ist
das nicht17.

15 Grünhut in seinem Gutachten zur Nordbahnfrage (Grünh. Ztschft. 14
S. 715 ff.) will in einem solchen Fall der "Nichterneuerung des Privilegs" den
ganzen Wert des Unternehmens vergüten lassen. Es sei keine wirkliche, aber doch
eine mögliche Eisenbahn. Möglich ist sie aber nach Erlöschen der Verleihung
gerade für den Unternehmer nicht. Daß der Staat oder ein neu beliehener Unter-
nehmer aus diesem toten Material wieder eine Eisenbahn machen kann, darf der
alte Unternehmer sich nicht zu Gute rechnen.
16 Preuß. Eisenb.Ges. v. 3. Nov. 1838 § 42; Schweiz. Eisenb.Ges. v. 23. Dez.
1872 § 27. Das Letztere verfügt bloß, daß ein entsprechender Vorbehalt bei jeder
Eisenbahnkonzession gemacht werden soll; würde das also einmal versäumt, so
würde das Rückkaufsrecht nicht bestehen. Ein Beispiel vorbehaltenen Rückkaufs
ohne gesetzliche Grundlage giebt die Konzessionsurkunde der hess. Ludwigsbahn
v. 15. Aug. 1845 § 15, worüber neuerdings die widerstreitenden Gutachten von
Laband und G. Meyer. Der Erstere hebt mit Recht hervor (Denkschrift S. 2),
daß gegenüber dem subjektiven Rechte des Beliehenen auf das Unternehmen ein
allgemeines selbstverständliches Recht der Verstaatlichung nicht bestehe. Damit
ist aber auch G. Meyer einverstanden (Erwiderung S. 6 ff.).
17 Laband in seinem Gutachten für die hess. Ludwigsbahn erklärt das vor-
behaltene Rückkaufsrecht für ein pactum de vendendo, welches nach der Er-
klärung der Regierung, davon Gebrauch machen zu wollen, und Vornahme der
erforderlichen Abschätzung zu einem civilrechtlichen Kaufvertrag führe. Der Be-

§ 50. Rechte und Pflichten des beliehenen Unternehmers.
den Betriebsmitteln geschehen soll, namentlich daß etwa der Verleiher
sie übernimmt gegen Entschädigung, und wie diese Entschädigung zu
bemessen ist. Man spricht dann von einem Heimfall des Unter-
nehmens. Fehlt es an einer solchen Bestimmung, so hat der Verleiher
die Wahl, ob er den bisherigen Unternehmer über die verbliebenen
Mittel frei verfügen lassen oder sie behufs Fortführung des Unter-
nehmens an sich ziehen will gegen Entschädigung. Diese ist dann
wieder zu bemessen nach dem Rohwerte15.

4. Dem Verleiher kann das Rückkaufsrecht vorbehalten sein,
d. h. das Recht, nach seinem Belieben jederzeit oder von einem be-
stimmten Zeitpunkte ab die Verleihung zu widerrufen und behufs
Weiterführung des Unternehmens Anlagen und Betriebsmittel an sich
zu ziehen, selbstverständlich gegen Entschädigung des Beliehenen.

Das Rückkaufsrecht besteht nur, soweit der Unternehmer sich
bei der Verleihung oder nachträglich ihm unterworfen hat, oder eine
rechtssatzmäßige Grundlage dafür gegeben ist. Die gewöhnliche Ent-
eignungsgesetzgebung ist dafür nicht verwendbar, da sie nur auf Ent-
ziehung von Grundstücken berechnet ist. Durch Sondergesetz läßt
sich natürlich auch hier alles machen16. Die Geltendmachung geschieht
durch einen Ausspruch der Behörde; an diesen knüpft sich unmittelbar
die rechtentziehende Wirkung. Ein Kauf im juristischen Sinne ist
das nicht17.

15 Grünhut in seinem Gutachten zur Nordbahnfrage (Grünh. Ztschft. 14
S. 715 ff.) will in einem solchen Fall der „Nichterneuerung des Privilegs“ den
ganzen Wert des Unternehmens vergüten lassen. Es sei keine wirkliche, aber doch
eine mögliche Eisenbahn. Möglich ist sie aber nach Erlöschen der Verleihung
gerade für den Unternehmer nicht. Daß der Staat oder ein neu beliehener Unter-
nehmer aus diesem toten Material wieder eine Eisenbahn machen kann, darf der
alte Unternehmer sich nicht zu Gute rechnen.
16 Preuß. Eisenb.Ges. v. 3. Nov. 1838 § 42; Schweiz. Eisenb.Ges. v. 23. Dez.
1872 § 27. Das Letztere verfügt bloß, daß ein entsprechender Vorbehalt bei jeder
Eisenbahnkonzession gemacht werden soll; würde das also einmal versäumt, so
würde das Rückkaufsrecht nicht bestehen. Ein Beispiel vorbehaltenen Rückkaufs
ohne gesetzliche Grundlage giebt die Konzessionsurkunde der hess. Ludwigsbahn
v. 15. Aug. 1845 § 15, worüber neuerdings die widerstreitenden Gutachten von
Laband und G. Meyer. Der Erstere hebt mit Recht hervor (Denkschrift S. 2),
daß gegenüber dem subjektiven Rechte des Beliehenen auf das Unternehmen ein
allgemeines selbstverständliches Recht der Verstaatlichung nicht bestehe. Damit
ist aber auch G. Meyer einverstanden (Erwiderung S. 6 ff.).
17 Laband in seinem Gutachten für die hess. Ludwigsbahn erklärt das vor-
behaltene Rückkaufsrecht für ein pactum de vendendo, welches nach der Er-
klärung der Regierung, davon Gebrauch machen zu wollen, und Vornahme der
erforderlichen Abschätzung zu einem civilrechtlichen Kaufvertrag führe. Der Be-
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[317/0329] § 50. Rechte und Pflichten des beliehenen Unternehmers. den Betriebsmitteln geschehen soll, namentlich daß etwa der Verleiher sie übernimmt gegen Entschädigung, und wie diese Entschädigung zu bemessen ist. Man spricht dann von einem Heimfall des Unter- nehmens. Fehlt es an einer solchen Bestimmung, so hat der Verleiher die Wahl, ob er den bisherigen Unternehmer über die verbliebenen Mittel frei verfügen lassen oder sie behufs Fortführung des Unter- nehmens an sich ziehen will gegen Entschädigung. Diese ist dann wieder zu bemessen nach dem Rohwerte 15. 4. Dem Verleiher kann das Rückkaufsrecht vorbehalten sein, d. h. das Recht, nach seinem Belieben jederzeit oder von einem be- stimmten Zeitpunkte ab die Verleihung zu widerrufen und behufs Weiterführung des Unternehmens Anlagen und Betriebsmittel an sich zu ziehen, selbstverständlich gegen Entschädigung des Beliehenen. Das Rückkaufsrecht besteht nur, soweit der Unternehmer sich bei der Verleihung oder nachträglich ihm unterworfen hat, oder eine rechtssatzmäßige Grundlage dafür gegeben ist. Die gewöhnliche Ent- eignungsgesetzgebung ist dafür nicht verwendbar, da sie nur auf Ent- ziehung von Grundstücken berechnet ist. Durch Sondergesetz läßt sich natürlich auch hier alles machen 16. Die Geltendmachung geschieht durch einen Ausspruch der Behörde; an diesen knüpft sich unmittelbar die rechtentziehende Wirkung. Ein Kauf im juristischen Sinne ist das nicht 17. 15 Grünhut in seinem Gutachten zur Nordbahnfrage (Grünh. Ztschft. 14 S. 715 ff.) will in einem solchen Fall der „Nichterneuerung des Privilegs“ den ganzen Wert des Unternehmens vergüten lassen. Es sei keine wirkliche, aber doch eine mögliche Eisenbahn. Möglich ist sie aber nach Erlöschen der Verleihung gerade für den Unternehmer nicht. Daß der Staat oder ein neu beliehener Unter- nehmer aus diesem toten Material wieder eine Eisenbahn machen kann, darf der alte Unternehmer sich nicht zu Gute rechnen. 16 Preuß. Eisenb.Ges. v. 3. Nov. 1838 § 42; Schweiz. Eisenb.Ges. v. 23. Dez. 1872 § 27. Das Letztere verfügt bloß, daß ein entsprechender Vorbehalt bei jeder Eisenbahnkonzession gemacht werden soll; würde das also einmal versäumt, so würde das Rückkaufsrecht nicht bestehen. Ein Beispiel vorbehaltenen Rückkaufs ohne gesetzliche Grundlage giebt die Konzessionsurkunde der hess. Ludwigsbahn v. 15. Aug. 1845 § 15, worüber neuerdings die widerstreitenden Gutachten von Laband und G. Meyer. Der Erstere hebt mit Recht hervor (Denkschrift S. 2), daß gegenüber dem subjektiven Rechte des Beliehenen auf das Unternehmen ein allgemeines selbstverständliches Recht der Verstaatlichung nicht bestehe. Damit ist aber auch G. Meyer einverstanden (Erwiderung S. 6 ff.). 17 Laband in seinem Gutachten für die hess. Ludwigsbahn erklärt das vor- behaltene Rückkaufsrecht für ein pactum de vendendo, welches nach der Er- klärung der Regierung, davon Gebrauch machen zu wollen, und Vornahme der erforderlichen Abschätzung zu einem civilrechtlichen Kaufvertrag führe. Der Be-

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Zitationshilfe: Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 2. Leipzig, 1896, S. 317. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_verwaltungsrecht02_1896/329>, abgerufen am 24.11.2024.