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Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 2. Leipzig, 1896.

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Recht der besonderen Schuldverhältnisse.

II. Die Rechte, die wir auf seiten des Beliehenen
finden,
sind allesamt Privatrechte in dem Sinne, daß sie eigne Rechte
eines Privaten, eines Unterthanen vorstellen. Im übrigen ist zu unter-
scheiden.

1. Die Verleihung bewirkt, daß dem Beliehenen Macht gegeben
wird über ein Stück öffentlicher Verwaltung, das öffentliche Unter-
nehmen, das er führen soll in eignem Namen und für eigne Rechnung.
Damit ist ein subjektives öffentliches Recht für ihn begründet
(vgl. Bd. I § 9, II n. 2). Dieses Recht äußert sich, seiner Natur ent-
sprechend, nach zwei Seiten hin.

Einmal in dem Anspruch auf Rechtsschutz: es bindet die
öffentliche Gewalt, daß sie es handhabe und aufrecht erhalte. Ein-
griffe in das von ihm beherrschte Gebiet sind ihr fortan nur gestattet,
soweit ein besonderer Rechtsgrund für sie dazu gegeben ist im Gesetz
oder in einem Vorbehalt, der bei der Verleihung gemacht wurde
(Bd. I § 9, III n. 1). Für die Frage der rechtlichen Zulässigkeit von
Einschränkungen und Rechtsentziehungen giebt das die Grundlage.

Sodann in der Verfügung über das Recht. Insofern hier
mit dem Rechte eine Pflicht zur Führung des Unternehmens ver-
bunden ist, ist die Verfügung nicht frei. Der einfache Verzicht auf
die Konzession setzt eine Genehmigung voraus, um wirksam zu sein;
ohne diese tritt die Entlassung aus der Pflicht nicht ein und kann
folglich auch der Verzicht nicht als gewollt gelten. In gleicher Weise

-- Sehr merkwürdig R.G. 22. Sept. 1888 (Samml. 22 S. 285): Der Magistrat
Bromberg hat gegen einen Straßenunternehmer, statt im Verwaltungswege vorzu-
gehen, bei Gericht auf verleihungsgemäße Herstellung der Bürgersteige geklagt.
Das Reichsgericht findet, daß das noch eine bürgerliche Rechtsstreitigkeit sei, da
vermögensrechtliche Ansprüche "begriffsmäßig" in das Gebiet des Privatrechts ge-
hören. Richtig ist nur, daß sie nach unserem Rechte vor die Civilgerichte gehören
(Bd. I § 16, II). Ob die verleihungsmäßige Pflicht, eine öffentliche Straße herzu-
stellen, auch dahin zu rechnen ist, möchten wir bezweifeln. Wenn aber die Civil-
gerichte über solche öffentlichrechtliche Fragen entscheiden wollen, so müssen sie
ihnen auch gerecht zu werden suchen. Was thut aber das Reichsgericht? Es
untersucht, ob ein civilrechtlicher Titel vorliege, und findet: "die Nachsuchung der
Konzession", die Anordnungen, welche die Stadt mit "ihrer obrigkeitlichen Gewalt"
getroffen hat für den Bau, und die Erklärung des Beklagten, danach die Straße
bauen zu wollen. Also eine Verleihung in aller Form. Das ist, sagt das Gericht,
kein Vertrag und folglich der Anspruch der Stadt auf verleihungsmäßige Aus-
führung des Straßenbaues nicht begründet. Man könnte daraus eine Warnung
entnehmen vor Ausdehnung der Zuständigkeit der Civilgerichte auf Fragen des
öffentlichen Rechts. -- Bei Eisenbahnunternehmungen erscheint die Ersatzvornahme
auch in der einschneidenden Form der Sequestration; Haberer, Österr. Eisen-
bahn-R. S. 309 ff.
Recht der besonderen Schuldverhältnisse.

II. Die Rechte, die wir auf seiten des Beliehenen
finden,
sind allesamt Privatrechte in dem Sinne, daß sie eigne Rechte
eines Privaten, eines Unterthanen vorstellen. Im übrigen ist zu unter-
scheiden.

1. Die Verleihung bewirkt, daß dem Beliehenen Macht gegeben
wird über ein Stück öffentlicher Verwaltung, das öffentliche Unter-
nehmen, das er führen soll in eignem Namen und für eigne Rechnung.
Damit ist ein subjektives öffentliches Recht für ihn begründet
(vgl. Bd. I § 9, II n. 2). Dieses Recht äußert sich, seiner Natur ent-
sprechend, nach zwei Seiten hin.

Einmal in dem Anspruch auf Rechtsschutz: es bindet die
öffentliche Gewalt, daß sie es handhabe und aufrecht erhalte. Ein-
griffe in das von ihm beherrschte Gebiet sind ihr fortan nur gestattet,
soweit ein besonderer Rechtsgrund für sie dazu gegeben ist im Gesetz
oder in einem Vorbehalt, der bei der Verleihung gemacht wurde
(Bd. I § 9, III n. 1). Für die Frage der rechtlichen Zulässigkeit von
Einschränkungen und Rechtsentziehungen giebt das die Grundlage.

Sodann in der Verfügung über das Recht. Insofern hier
mit dem Rechte eine Pflicht zur Führung des Unternehmens ver-
bunden ist, ist die Verfügung nicht frei. Der einfache Verzicht auf
die Konzession setzt eine Genehmigung voraus, um wirksam zu sein;
ohne diese tritt die Entlassung aus der Pflicht nicht ein und kann
folglich auch der Verzicht nicht als gewollt gelten. In gleicher Weise

— Sehr merkwürdig R.G. 22. Sept. 1888 (Samml. 22 S. 285): Der Magistrat
Bromberg hat gegen einen Straßenunternehmer, statt im Verwaltungswege vorzu-
gehen, bei Gericht auf verleihungsgemäße Herstellung der Bürgersteige geklagt.
Das Reichsgericht findet, daß das noch eine bürgerliche Rechtsstreitigkeit sei, da
vermögensrechtliche Ansprüche „begriffsmäßig“ in das Gebiet des Privatrechts ge-
hören. Richtig ist nur, daß sie nach unserem Rechte vor die Civilgerichte gehören
(Bd. I § 16, II). Ob die verleihungsmäßige Pflicht, eine öffentliche Straße herzu-
stellen, auch dahin zu rechnen ist, möchten wir bezweifeln. Wenn aber die Civil-
gerichte über solche öffentlichrechtliche Fragen entscheiden wollen, so müssen sie
ihnen auch gerecht zu werden suchen. Was thut aber das Reichsgericht? Es
untersucht, ob ein civilrechtlicher Titel vorliege, und findet: „die Nachsuchung der
Konzession“, die Anordnungen, welche die Stadt mit „ihrer obrigkeitlichen Gewalt“
getroffen hat für den Bau, und die Erklärung des Beklagten, danach die Straße
bauen zu wollen. Also eine Verleihung in aller Form. Das ist, sagt das Gericht,
kein Vertrag und folglich der Anspruch der Stadt auf verleihungsmäßige Aus-
führung des Straßenbaues nicht begründet. Man könnte daraus eine Warnung
entnehmen vor Ausdehnung der Zuständigkeit der Civilgerichte auf Fragen des
öffentlichen Rechts. — Bei Eisenbahnunternehmungen erscheint die Ersatzvornahme
auch in der einschneidenden Form der Sequestration; Haberer, Österr. Eisen-
bahn-R. S. 309 ff.
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[312/0324] Recht der besonderen Schuldverhältnisse. II. Die Rechte, die wir auf seiten des Beliehenen finden, sind allesamt Privatrechte in dem Sinne, daß sie eigne Rechte eines Privaten, eines Unterthanen vorstellen. Im übrigen ist zu unter- scheiden. 1. Die Verleihung bewirkt, daß dem Beliehenen Macht gegeben wird über ein Stück öffentlicher Verwaltung, das öffentliche Unter- nehmen, das er führen soll in eignem Namen und für eigne Rechnung. Damit ist ein subjektives öffentliches Recht für ihn begründet (vgl. Bd. I § 9, II n. 2). Dieses Recht äußert sich, seiner Natur ent- sprechend, nach zwei Seiten hin. Einmal in dem Anspruch auf Rechtsschutz: es bindet die öffentliche Gewalt, daß sie es handhabe und aufrecht erhalte. Ein- griffe in das von ihm beherrschte Gebiet sind ihr fortan nur gestattet, soweit ein besonderer Rechtsgrund für sie dazu gegeben ist im Gesetz oder in einem Vorbehalt, der bei der Verleihung gemacht wurde (Bd. I § 9, III n. 1). Für die Frage der rechtlichen Zulässigkeit von Einschränkungen und Rechtsentziehungen giebt das die Grundlage. Sodann in der Verfügung über das Recht. Insofern hier mit dem Rechte eine Pflicht zur Führung des Unternehmens ver- bunden ist, ist die Verfügung nicht frei. Der einfache Verzicht auf die Konzession setzt eine Genehmigung voraus, um wirksam zu sein; ohne diese tritt die Entlassung aus der Pflicht nicht ein und kann folglich auch der Verzicht nicht als gewollt gelten. In gleicher Weise 7 7 — Sehr merkwürdig R.G. 22. Sept. 1888 (Samml. 22 S. 285): Der Magistrat Bromberg hat gegen einen Straßenunternehmer, statt im Verwaltungswege vorzu- gehen, bei Gericht auf verleihungsgemäße Herstellung der Bürgersteige geklagt. Das Reichsgericht findet, daß das noch eine bürgerliche Rechtsstreitigkeit sei, da vermögensrechtliche Ansprüche „begriffsmäßig“ in das Gebiet des Privatrechts ge- hören. Richtig ist nur, daß sie nach unserem Rechte vor die Civilgerichte gehören (Bd. I § 16, II). Ob die verleihungsmäßige Pflicht, eine öffentliche Straße herzu- stellen, auch dahin zu rechnen ist, möchten wir bezweifeln. Wenn aber die Civil- gerichte über solche öffentlichrechtliche Fragen entscheiden wollen, so müssen sie ihnen auch gerecht zu werden suchen. Was thut aber das Reichsgericht? Es untersucht, ob ein civilrechtlicher Titel vorliege, und findet: „die Nachsuchung der Konzession“, die Anordnungen, welche die Stadt mit „ihrer obrigkeitlichen Gewalt“ getroffen hat für den Bau, und die Erklärung des Beklagten, danach die Straße bauen zu wollen. Also eine Verleihung in aller Form. Das ist, sagt das Gericht, kein Vertrag und folglich der Anspruch der Stadt auf verleihungsmäßige Aus- führung des Straßenbaues nicht begründet. Man könnte daraus eine Warnung entnehmen vor Ausdehnung der Zuständigkeit der Civilgerichte auf Fragen des öffentlichen Rechts. — Bei Eisenbahnunternehmungen erscheint die Ersatzvornahme auch in der einschneidenden Form der Sequestration; Haberer, Österr. Eisen- bahn-R. S. 309 ff.

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Zitationshilfe: Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 2. Leipzig, 1896, S. 312. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_verwaltungsrecht02_1896/324>, abgerufen am 04.05.2024.