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Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 2. Leipzig, 1896.

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§ 47. Gemeine öffentliche Lasten.
stimmt, in einer festen Ordnung und nach einem gewissen Maßstabe
in Anspruch genommen zu werden, um die Lastpflichtigen nicht un-
gleich zu treffen. Es sind geordnete Lasten. Hierher gehören
namentlich die zahlreichen gemeinen Lasten, welche in bäuerlichen
Verhältnissen noch fortbestehen: Gemeindedienste, Hand- und Spann-
dienste, Naturalverpflegung von Gemeindearmen und Gemeinde-
bediensteten. Aber auch die Militärlasten mit ihrer großartigen und
umfassenden Inanspruchnahme der Leistungen der Unterthanen an
Quartier und Verpflegung beruhen auf diesem Grundgedanken.

2. Dem steht gegenüber als zweiter Grund die Unersetzlich-
keit
der Naturalleistung. Den Hauptfall bilden die Lasten für dring-
liche Bedürfnisse, Notlasten: das Bedürfnis des öffentlichen Unter-
nehmens ist der Art, daß es nur durch unmittelbare Leistung richtig
befriedigt werden kann; eine Leistung dem Werte nach kann die
Naturalleistung nicht ersetzen. Dahin gehört die Hülfeleistungspflicht
bei öffentlicher Not, und das Gleiche gilt von den militärischen Requi-
sitionen in Kriegszeiten. Der Grund der Unersetzlichkeit trifft aber
auch zu bei den Gerichtslasten, den Auskunftspflichten der
Zeugen und Sachverständigen; die Unersetzlichkeit ist hier nur ganz
anderer Art.

Die Lasten dieser zweiten Art sind ihrer Natur nach unregel-
mäßig und ungeordnet; sie treffen denjenigen, auf welchen das augen-
blickliche Bedürfnis gerade hinweist, der am nächsten steht, um die
Befriedigung zu gewähren; wir nennen sie Zufallslasten. --

Diese beiden Gründe, Zweckmäßigkeit und Unersetzlichkeit,
können ineinander übergehen und zusammen wirken; aber gemeinsam
bezeichnen beide den Umfang der Anwendungsfälle des Rechtsinstituts
der gemeinen Last. Sie sind nur die inneren Gründe der Last; die
Form, in welcher sie Rechtens wird, ist nun erst die Frage; aber
auch für diese rechtliche Gestaltung wird ihr Unterschied bedeutsam.

II. Als Eingriff in die Freiheit bedarf die gemeine Last nach
den Regeln des Verfassungsstaates einer gesetzlichen Grund-
lage;
zugleich entspricht es ihrer Natur, daß diese Auflage nur ge-
schehen kann durch Rechtssatz. Es erläßt also entweder das
Gesetz selbst diesen Rechtssatz, oder es ermächtigt eine Verordnung,
ein Statut, um ihn aufzustellen4. Zum Teil beruhen die jetzt

4 Die wichtigsten Beispiele von verordnungsmäßiger Begründung einer ge-
meinen Last liefern die Zwangsdienste zur Einrichtung einer Nachtwache oder
einer Pflichtfeuerwehr, welche die örtlichen Polizeibehörden auferlegen können.
Man rechnet das unter die Polizeiverordnungen und entnimmt die Befugnisse dazu
aus den allgemeinen gesetzlichen Ermächtigungen, im Interesse der öffentlichen

§ 47. Gemeine öffentliche Lasten.
stimmt, in einer festen Ordnung und nach einem gewissen Maßstabe
in Anspruch genommen zu werden, um die Lastpflichtigen nicht un-
gleich zu treffen. Es sind geordnete Lasten. Hierher gehören
namentlich die zahlreichen gemeinen Lasten, welche in bäuerlichen
Verhältnissen noch fortbestehen: Gemeindedienste, Hand- und Spann-
dienste, Naturalverpflegung von Gemeindearmen und Gemeinde-
bediensteten. Aber auch die Militärlasten mit ihrer großartigen und
umfassenden Inanspruchnahme der Leistungen der Unterthanen an
Quartier und Verpflegung beruhen auf diesem Grundgedanken.

2. Dem steht gegenüber als zweiter Grund die Unersetzlich-
keit
der Naturalleistung. Den Hauptfall bilden die Lasten für dring-
liche Bedürfnisse, Notlasten: das Bedürfnis des öffentlichen Unter-
nehmens ist der Art, daß es nur durch unmittelbare Leistung richtig
befriedigt werden kann; eine Leistung dem Werte nach kann die
Naturalleistung nicht ersetzen. Dahin gehört die Hülfeleistungspflicht
bei öffentlicher Not, und das Gleiche gilt von den militärischen Requi-
sitionen in Kriegszeiten. Der Grund der Unersetzlichkeit trifft aber
auch zu bei den Gerichtslasten, den Auskunftspflichten der
Zeugen und Sachverständigen; die Unersetzlichkeit ist hier nur ganz
anderer Art.

Die Lasten dieser zweiten Art sind ihrer Natur nach unregel-
mäßig und ungeordnet; sie treffen denjenigen, auf welchen das augen-
blickliche Bedürfnis gerade hinweist, der am nächsten steht, um die
Befriedigung zu gewähren; wir nennen sie Zufallslasten. —

Diese beiden Gründe, Zweckmäßigkeit und Unersetzlichkeit,
können ineinander übergehen und zusammen wirken; aber gemeinsam
bezeichnen beide den Umfang der Anwendungsfälle des Rechtsinstituts
der gemeinen Last. Sie sind nur die inneren Gründe der Last; die
Form, in welcher sie Rechtens wird, ist nun erst die Frage; aber
auch für diese rechtliche Gestaltung wird ihr Unterschied bedeutsam.

II. Als Eingriff in die Freiheit bedarf die gemeine Last nach
den Regeln des Verfassungsstaates einer gesetzlichen Grund-
lage;
zugleich entspricht es ihrer Natur, daß diese Auflage nur ge-
schehen kann durch Rechtssatz. Es erläßt also entweder das
Gesetz selbst diesen Rechtssatz, oder es ermächtigt eine Verordnung,
ein Statut, um ihn aufzustellen4. Zum Teil beruhen die jetzt

4 Die wichtigsten Beispiele von verordnungsmäßiger Begründung einer ge-
meinen Last liefern die Zwangsdienste zur Einrichtung einer Nachtwache oder
einer Pflichtfeuerwehr, welche die örtlichen Polizeibehörden auferlegen können.
Man rechnet das unter die Polizeiverordnungen und entnimmt die Befugnisse dazu
aus den allgemeinen gesetzlichen Ermächtigungen, im Interesse der öffentlichen
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[267/0279] § 47. Gemeine öffentliche Lasten. stimmt, in einer festen Ordnung und nach einem gewissen Maßstabe in Anspruch genommen zu werden, um die Lastpflichtigen nicht un- gleich zu treffen. Es sind geordnete Lasten. Hierher gehören namentlich die zahlreichen gemeinen Lasten, welche in bäuerlichen Verhältnissen noch fortbestehen: Gemeindedienste, Hand- und Spann- dienste, Naturalverpflegung von Gemeindearmen und Gemeinde- bediensteten. Aber auch die Militärlasten mit ihrer großartigen und umfassenden Inanspruchnahme der Leistungen der Unterthanen an Quartier und Verpflegung beruhen auf diesem Grundgedanken. 2. Dem steht gegenüber als zweiter Grund die Unersetzlich- keit der Naturalleistung. Den Hauptfall bilden die Lasten für dring- liche Bedürfnisse, Notlasten: das Bedürfnis des öffentlichen Unter- nehmens ist der Art, daß es nur durch unmittelbare Leistung richtig befriedigt werden kann; eine Leistung dem Werte nach kann die Naturalleistung nicht ersetzen. Dahin gehört die Hülfeleistungspflicht bei öffentlicher Not, und das Gleiche gilt von den militärischen Requi- sitionen in Kriegszeiten. Der Grund der Unersetzlichkeit trifft aber auch zu bei den Gerichtslasten, den Auskunftspflichten der Zeugen und Sachverständigen; die Unersetzlichkeit ist hier nur ganz anderer Art. Die Lasten dieser zweiten Art sind ihrer Natur nach unregel- mäßig und ungeordnet; sie treffen denjenigen, auf welchen das augen- blickliche Bedürfnis gerade hinweist, der am nächsten steht, um die Befriedigung zu gewähren; wir nennen sie Zufallslasten. — Diese beiden Gründe, Zweckmäßigkeit und Unersetzlichkeit, können ineinander übergehen und zusammen wirken; aber gemeinsam bezeichnen beide den Umfang der Anwendungsfälle des Rechtsinstituts der gemeinen Last. Sie sind nur die inneren Gründe der Last; die Form, in welcher sie Rechtens wird, ist nun erst die Frage; aber auch für diese rechtliche Gestaltung wird ihr Unterschied bedeutsam. II. Als Eingriff in die Freiheit bedarf die gemeine Last nach den Regeln des Verfassungsstaates einer gesetzlichen Grund- lage; zugleich entspricht es ihrer Natur, daß diese Auflage nur ge- schehen kann durch Rechtssatz. Es erläßt also entweder das Gesetz selbst diesen Rechtssatz, oder es ermächtigt eine Verordnung, ein Statut, um ihn aufzustellen 4. Zum Teil beruhen die jetzt 4 Die wichtigsten Beispiele von verordnungsmäßiger Begründung einer ge- meinen Last liefern die Zwangsdienste zur Einrichtung einer Nachtwache oder einer Pflichtfeuerwehr, welche die örtlichen Polizeibehörden auferlegen können. Man rechnet das unter die Polizeiverordnungen und entnimmt die Befugnisse dazu aus den allgemeinen gesetzlichen Ermächtigungen, im Interesse der öffentlichen

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Zitationshilfe: Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 2. Leipzig, 1896, S. 267. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_verwaltungsrecht02_1896/279>, abgerufen am 24.11.2024.