Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 2. Leipzig, 1896.

Bild:
<< vorherige Seite

§ 46. Vermögensrechtliche Ansprüche aus dem Dienstverhältnisse.
Civilrecht ihn ausschließt, falls der Aufwand gegen den Willen des
dominus negotii gemacht wurde, kommt das Dienstverhältnis insoweit
in Betracht, als zu prüfen ist, ob nicht der Dienstpflichtige danach
sich der Einmischung in die von ihm besorgte Sache hätte enthalten
sollen.

Ebenso kann der Dienstpflichtige wegen der Schädigungen, welche
ihm bei Ausführung seines Dienstes widerfahren, möglicherweise die
civilrechtliche Haftung des Staates, der Gemeinde ex delicto
in Anspruch nehmen (Bd. I § 17 S. 241) oder auch, was nicht damit
zu verwechseln ist, die öffentlichrechtliche Entschädigung, wie sie
jedem Dritten geschuldet wäre (unten § 53). Das Dienstverhältnis
giebt auch hier wieder nicht die Grundlage; es kann im Gegenteil
dem Anspruch im Wege stehen, insofern etwa der Geschädigte da-
durch gerade berufen war, mit eigner Fürsorge den schädigenden
Vorfall zu verhüten19.

II. Vermögensrechtliche Ansprüche des Dienstherrn erscheinen
neben dem Anspruch auf die Erfüllung der Dienstpflicht, der seiner-
seits nicht vermögensrechtlicher Natur ist, in nebensächlicher Weise.
Das civilrechtliche Dienstverhältnis giebt hierfür zweierlei Vorbilder.

1. Dem Dienstpflichtigen können in Gemäßheit des Dienstverhält-
nisses Vermögenswerte anvertraut worden sein; daran knüpft
sich für ihn die Pflicht zur Rechnungslegung und zur Ablieferung.
Beide erhalten im öffentlichen Dienstverhältnisse ihre eigentümlich
ausgeprägte Gestalt.

19 Die Haftung des Staates für solche Beschädigungen des Beamten hat man
häufig zu gründen gesucht auf die Annahme eines kontraktlichen Ver-
schuldens
nach Civilrecht. So R.G. 4. Nov. 1886 (Samml. 18 S. 171): Ein
Eisenbahnbeamter ist auf dem Bahnhofe eine schadhafte Treppe herabgestürzt;
Fiskus haftet, weil nach Civilrecht "der Dienstvertrag den Dienstherrn für Außer-
achtlassung der Diligenz in Ansehung der körperlichen Sicherheit des Dienenden
bei seinen Dienstverrichtungen verantwortlich macht". Ähnlich R.G. 10. Nov. 1887
(Samml. 19 S. 348). Das könnte man sich nur so denken, daß ganz im Sinne der
alten Fiskustheorie mit der Anstellung ein civilrechtlicher Vertrag stillschweigend
geschlossen würde, welcher die nötigen Grundlagen für die künftige Haftung ent-
hielte. Nun wird man aber ein solches Stück civilrechtlichen Dienstvertrages un-
möglich auch mit den Zwangsdienstpflichten verbinden wollen. Wie wäre das
also? Wenn das gebrechliche Podium des Gerichtstisches einbricht und der Amts-
richter mit beiden Schöffen verletzt wird, soll bloß der in der Mitte Sitzende einen
Entschädigungsanspruch haben? Das sind doch nur verzweifelte Versuche, um
einerseits die civilrechtlichte Haftpflichtsregelung zu verbessern, andererseits einen
Ersatz zu finden für das unbekannte Rechtsinstitut der öffentlichrechtlichen Ent-
schädigung.
Binding, Handbuch. VI. 2: Otto Mayer, Verwaltungsr. II. 17

§ 46. Vermögensrechtliche Ansprüche aus dem Dienstverhältnisse.
Civilrecht ihn ausschließt, falls der Aufwand gegen den Willen des
dominus negotii gemacht wurde, kommt das Dienstverhältnis insoweit
in Betracht, als zu prüfen ist, ob nicht der Dienstpflichtige danach
sich der Einmischung in die von ihm besorgte Sache hätte enthalten
sollen.

Ebenso kann der Dienstpflichtige wegen der Schädigungen, welche
ihm bei Ausführung seines Dienstes widerfahren, möglicherweise die
civilrechtliche Haftung des Staates, der Gemeinde ex delicto
in Anspruch nehmen (Bd. I § 17 S. 241) oder auch, was nicht damit
zu verwechseln ist, die öffentlichrechtliche Entschädigung, wie sie
jedem Dritten geschuldet wäre (unten § 53). Das Dienstverhältnis
giebt auch hier wieder nicht die Grundlage; es kann im Gegenteil
dem Anspruch im Wege stehen, insofern etwa der Geschädigte da-
durch gerade berufen war, mit eigner Fürsorge den schädigenden
Vorfall zu verhüten19.

II. Vermögensrechtliche Ansprüche des Dienstherrn erscheinen
neben dem Anspruch auf die Erfüllung der Dienstpflicht, der seiner-
seits nicht vermögensrechtlicher Natur ist, in nebensächlicher Weise.
Das civilrechtliche Dienstverhältnis giebt hierfür zweierlei Vorbilder.

1. Dem Dienstpflichtigen können in Gemäßheit des Dienstverhält-
nisses Vermögenswerte anvertraut worden sein; daran knüpft
sich für ihn die Pflicht zur Rechnungslegung und zur Ablieferung.
Beide erhalten im öffentlichen Dienstverhältnisse ihre eigentümlich
ausgeprägte Gestalt.

19 Die Haftung des Staates für solche Beschädigungen des Beamten hat man
häufig zu gründen gesucht auf die Annahme eines kontraktlichen Ver-
schuldens
nach Civilrecht. So R.G. 4. Nov. 1886 (Samml. 18 S. 171): Ein
Eisenbahnbeamter ist auf dem Bahnhofe eine schadhafte Treppe herabgestürzt;
Fiskus haftet, weil nach Civilrecht „der Dienstvertrag den Dienstherrn für Außer-
achtlassung der Diligenz in Ansehung der körperlichen Sicherheit des Dienenden
bei seinen Dienstverrichtungen verantwortlich macht“. Ähnlich R.G. 10. Nov. 1887
(Samml. 19 S. 348). Das könnte man sich nur so denken, daß ganz im Sinne der
alten Fiskustheorie mit der Anstellung ein civilrechtlicher Vertrag stillschweigend
geschlossen würde, welcher die nötigen Grundlagen für die künftige Haftung ent-
hielte. Nun wird man aber ein solches Stück civilrechtlichen Dienstvertrages un-
möglich auch mit den Zwangsdienstpflichten verbinden wollen. Wie wäre das
also? Wenn das gebrechliche Podium des Gerichtstisches einbricht und der Amts-
richter mit beiden Schöffen verletzt wird, soll bloß der in der Mitte Sitzende einen
Entschädigungsanspruch haben? Das sind doch nur verzweifelte Versuche, um
einerseits die civilrechtlichte Haftpflichtsregelung zu verbessern, andererseits einen
Ersatz zu finden für das unbekannte Rechtsinstitut der öffentlichrechtlichen Ent-
schädigung.
Binding, Handbuch. VI. 2: Otto Mayer, Verwaltungsr. II. 17
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0269" n="257"/><fw place="top" type="header">§ 46. Vermögensrechtliche Ansprüche aus dem Dienstverhältnisse.</fw><lb/>
Civilrecht ihn ausschließt, falls der Aufwand gegen den Willen des<lb/>
dominus negotii gemacht wurde, kommt das Dienstverhältnis insoweit<lb/>
in Betracht, als zu prüfen ist, ob nicht der Dienstpflichtige danach<lb/>
sich der Einmischung in die von ihm besorgte Sache hätte enthalten<lb/>
sollen.</p><lb/>
              <p>Ebenso kann der Dienstpflichtige wegen der Schädigungen, welche<lb/>
ihm bei Ausführung seines Dienstes widerfahren, möglicherweise die<lb/><hi rendition="#g">civilrechtliche Haftung</hi> des Staates, der Gemeinde ex delicto<lb/>
in Anspruch nehmen (Bd. I § 17 S. 241) oder auch, was nicht damit<lb/>
zu verwechseln ist, die öffentlichrechtliche Entschädigung, wie sie<lb/>
jedem Dritten geschuldet wäre (unten § 53). Das Dienstverhältnis<lb/>
giebt auch hier wieder nicht die Grundlage; es kann im Gegenteil<lb/>
dem Anspruch im Wege stehen, insofern etwa der Geschädigte da-<lb/>
durch gerade berufen war, mit eigner Fürsorge den schädigenden<lb/>
Vorfall zu verhüten<note place="foot" n="19">Die Haftung des Staates für solche Beschädigungen des Beamten hat man<lb/>
häufig zu gründen gesucht auf die Annahme eines <hi rendition="#g">kontraktlichen Ver-<lb/>
schuldens</hi> nach Civilrecht. So R.G. 4. Nov. 1886 (Samml. 18 S. 171): Ein<lb/>
Eisenbahnbeamter ist auf dem Bahnhofe eine schadhafte Treppe herabgestürzt;<lb/>
Fiskus haftet, weil nach Civilrecht &#x201E;der Dienstvertrag den Dienstherrn für Außer-<lb/>
achtlassung der Diligenz in Ansehung der körperlichen Sicherheit des Dienenden<lb/>
bei seinen Dienstverrichtungen verantwortlich macht&#x201C;. Ähnlich R.G. 10. Nov. 1887<lb/>
(Samml. 19 S. 348). Das könnte man sich nur so denken, daß ganz im Sinne der<lb/>
alten Fiskustheorie mit der Anstellung ein civilrechtlicher Vertrag stillschweigend<lb/>
geschlossen würde, welcher die nötigen Grundlagen für die künftige Haftung ent-<lb/>
hielte. Nun wird man aber ein solches Stück civilrechtlichen Dienstvertrages un-<lb/>
möglich auch mit den Zwangsdienstpflichten verbinden wollen. Wie wäre das<lb/>
also? Wenn das gebrechliche Podium des Gerichtstisches einbricht und der Amts-<lb/>
richter mit beiden Schöffen verletzt wird, soll bloß der in der Mitte Sitzende einen<lb/>
Entschädigungsanspruch haben? Das sind doch nur verzweifelte Versuche, um<lb/>
einerseits die civilrechtlichte Haftpflichtsregelung zu verbessern, andererseits einen<lb/>
Ersatz zu finden für das unbekannte Rechtsinstitut der öffentlichrechtlichen Ent-<lb/>
schädigung.</note>.</p><lb/>
              <p>II. Vermögensrechtliche Ansprüche des <hi rendition="#g">Dienstherrn</hi> erscheinen<lb/>
neben dem Anspruch auf die Erfüllung der Dienstpflicht, der seiner-<lb/>
seits nicht vermögensrechtlicher Natur ist, in nebensächlicher Weise.<lb/>
Das civilrechtliche Dienstverhältnis giebt hierfür zweierlei Vorbilder.</p><lb/>
              <p>1. Dem Dienstpflichtigen können in Gemäßheit des Dienstverhält-<lb/>
nisses <hi rendition="#g">Vermögenswerte anvertraut</hi> worden sein; daran knüpft<lb/>
sich für ihn die Pflicht zur Rechnungslegung und zur Ablieferung.<lb/>
Beide erhalten im öffentlichen Dienstverhältnisse ihre eigentümlich<lb/>
ausgeprägte Gestalt.</p><lb/>
              <fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#g">Binding,</hi> Handbuch. VI. 2: <hi rendition="#g">Otto Mayer,</hi> Verwaltungsr. II. 17</fw><lb/>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[257/0269] § 46. Vermögensrechtliche Ansprüche aus dem Dienstverhältnisse. Civilrecht ihn ausschließt, falls der Aufwand gegen den Willen des dominus negotii gemacht wurde, kommt das Dienstverhältnis insoweit in Betracht, als zu prüfen ist, ob nicht der Dienstpflichtige danach sich der Einmischung in die von ihm besorgte Sache hätte enthalten sollen. Ebenso kann der Dienstpflichtige wegen der Schädigungen, welche ihm bei Ausführung seines Dienstes widerfahren, möglicherweise die civilrechtliche Haftung des Staates, der Gemeinde ex delicto in Anspruch nehmen (Bd. I § 17 S. 241) oder auch, was nicht damit zu verwechseln ist, die öffentlichrechtliche Entschädigung, wie sie jedem Dritten geschuldet wäre (unten § 53). Das Dienstverhältnis giebt auch hier wieder nicht die Grundlage; es kann im Gegenteil dem Anspruch im Wege stehen, insofern etwa der Geschädigte da- durch gerade berufen war, mit eigner Fürsorge den schädigenden Vorfall zu verhüten 19. II. Vermögensrechtliche Ansprüche des Dienstherrn erscheinen neben dem Anspruch auf die Erfüllung der Dienstpflicht, der seiner- seits nicht vermögensrechtlicher Natur ist, in nebensächlicher Weise. Das civilrechtliche Dienstverhältnis giebt hierfür zweierlei Vorbilder. 1. Dem Dienstpflichtigen können in Gemäßheit des Dienstverhält- nisses Vermögenswerte anvertraut worden sein; daran knüpft sich für ihn die Pflicht zur Rechnungslegung und zur Ablieferung. Beide erhalten im öffentlichen Dienstverhältnisse ihre eigentümlich ausgeprägte Gestalt. 19 Die Haftung des Staates für solche Beschädigungen des Beamten hat man häufig zu gründen gesucht auf die Annahme eines kontraktlichen Ver- schuldens nach Civilrecht. So R.G. 4. Nov. 1886 (Samml. 18 S. 171): Ein Eisenbahnbeamter ist auf dem Bahnhofe eine schadhafte Treppe herabgestürzt; Fiskus haftet, weil nach Civilrecht „der Dienstvertrag den Dienstherrn für Außer- achtlassung der Diligenz in Ansehung der körperlichen Sicherheit des Dienenden bei seinen Dienstverrichtungen verantwortlich macht“. Ähnlich R.G. 10. Nov. 1887 (Samml. 19 S. 348). Das könnte man sich nur so denken, daß ganz im Sinne der alten Fiskustheorie mit der Anstellung ein civilrechtlicher Vertrag stillschweigend geschlossen würde, welcher die nötigen Grundlagen für die künftige Haftung ent- hielte. Nun wird man aber ein solches Stück civilrechtlichen Dienstvertrages un- möglich auch mit den Zwangsdienstpflichten verbinden wollen. Wie wäre das also? Wenn das gebrechliche Podium des Gerichtstisches einbricht und der Amts- richter mit beiden Schöffen verletzt wird, soll bloß der in der Mitte Sitzende einen Entschädigungsanspruch haben? Das sind doch nur verzweifelte Versuche, um einerseits die civilrechtlichte Haftpflichtsregelung zu verbessern, andererseits einen Ersatz zu finden für das unbekannte Rechtsinstitut der öffentlichrechtlichen Ent- schädigung. Binding, Handbuch. VI. 2: Otto Mayer, Verwaltungsr. II. 17

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_verwaltungsrecht02_1896
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_verwaltungsrecht02_1896/269
Zitationshilfe: Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 2. Leipzig, 1896, S. 257. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_verwaltungsrecht02_1896/269>, abgerufen am 24.11.2024.