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Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 2. Leipzig, 1896.

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Das öffentliche Sachenrecht.

Der besondere Nachteil kann erwachsen aus der Ausübung des
Gemeingebrauchs im Einzelfalle, aus einer Verkehrshandlung, wie sie
umgekehrt auch Gegenstand einer Gebührenpflicht sein könnte. Das
hat gar nichts Eigentümliches an sich. Eine Entschädigungspflicht
des Staats oder des an seiner Stelle stehenden Herrn der öffentlichen
Sache wird dann begründet sein, wenn der Schaden in Kausal-
zusammenhang steht mit der Art, wie die Verwaltung der öffentlichen
Sache geführt wurde, mit ihrem mangelhaften Zustande, oder mit
unrichtigen Vorkehrungen, die dabei getroffen worden sind: die schlecht
unterhaltene Brücke stürzt ein unter dem darüber rollenden Fuhrwerk,
der Wanderer fällt des Nachts in eine unverdeckte und ungesichert
gelassene Öffnung des Abzugskanals in der Straße. Es sind ein-
fach die auch sonst zu handhabenden Regeln von der öffentlichrechtlichen
Entschädigung, die da zur Anwendung kommen. Also davon später28.

Es kann aber auch, wie der Vorteil in der Herrichtung und Bereit-
haltung der öffentlichen Sache, also in der Ermöglichung des Ge-
meingebrauchs, so der besondere Nachteil liegen in der Auflassung
oder ungünstigen Abänderung der öffentlichen Sache, also in der Ent-
ziehung der Möglichkeit des Gemeingebrauchs. Die Entschädigung,
die dafür geschuldet würde, wäre ein Gegenstück des Beitrags. Der
wichtigste Fall ist der einer Verlegung, Erhöhung oder Tieferlegung
der Straße, durch welche den bisherigen Angrenzern, namentlich den
vorhandenen Wohngebäuden, die Benutzung der Straße für den Zugang
und für sonstige Vorteile des Gemeingebrauchs entzogen oder er-
schwert wird.

Dieser Fall ist für die Lehre vom Gemeingebrauch und vom
öffentlichen Eigentum überhaupt von verhängnisvoller Bedeutung ge-
worden. Denn daß der also Benachteiligte entschädigt werden soll,
darüber war man bald einig. Den Anspruch juristisch zu erklären
aber war man nicht recht im stande und hat dann verschiedene civil-
rechtliche Begründungen versucht, die geeignet waren, alles in Ver-
wirrung zu bringen29.

28 Hier nur als Probestück R.G. 4. April 1882 (Samml. VII S. 288): Kläger
fiel, als er abends von dem Hause des G. aus den Übergang zur Landstraße
passieren wollte, in den in dem Graben angebrachten zum Zwecke des Wasser-
abzuges dienenden sog. Fallkessel und erlitt dabei einen Beinbruch; die Beschädi-
gung ist durch eine mangelhafte und vorschriftswidrige Beschaffenheit der an der
Landstraße befindlichen Einrichtungen entstanden, wofür der Staat als Eigentümer
der Landstraßen haftbar gemacht werden kann, und zwar, wie das Gericht meint,
ex delicto gemäß Art. 1389 c. c.; von dieser Begründungsweise wollen wir unten
§ 53 noch sprechen.
29 Ausführlich behandelt diese Versuche Ubbelohde a. a. O. S. 175 ff.
Das öffentliche Sachenrecht.

Der besondere Nachteil kann erwachsen aus der Ausübung des
Gemeingebrauchs im Einzelfalle, aus einer Verkehrshandlung, wie sie
umgekehrt auch Gegenstand einer Gebührenpflicht sein könnte. Das
hat gar nichts Eigentümliches an sich. Eine Entschädigungspflicht
des Staats oder des an seiner Stelle stehenden Herrn der öffentlichen
Sache wird dann begründet sein, wenn der Schaden in Kausal-
zusammenhang steht mit der Art, wie die Verwaltung der öffentlichen
Sache geführt wurde, mit ihrem mangelhaften Zustande, oder mit
unrichtigen Vorkehrungen, die dabei getroffen worden sind: die schlecht
unterhaltene Brücke stürzt ein unter dem darüber rollenden Fuhrwerk,
der Wanderer fällt des Nachts in eine unverdeckte und ungesichert
gelassene Öffnung des Abzugskanals in der Straße. Es sind ein-
fach die auch sonst zu handhabenden Regeln von der öffentlichrechtlichen
Entschädigung, die da zur Anwendung kommen. Also davon später28.

Es kann aber auch, wie der Vorteil in der Herrichtung und Bereit-
haltung der öffentlichen Sache, also in der Ermöglichung des Ge-
meingebrauchs, so der besondere Nachteil liegen in der Auflassung
oder ungünstigen Abänderung der öffentlichen Sache, also in der Ent-
ziehung der Möglichkeit des Gemeingebrauchs. Die Entschädigung,
die dafür geschuldet würde, wäre ein Gegenstück des Beitrags. Der
wichtigste Fall ist der einer Verlegung, Erhöhung oder Tieferlegung
der Straße, durch welche den bisherigen Angrenzern, namentlich den
vorhandenen Wohngebäuden, die Benutzung der Straße für den Zugang
und für sonstige Vorteile des Gemeingebrauchs entzogen oder er-
schwert wird.

Dieser Fall ist für die Lehre vom Gemeingebrauch und vom
öffentlichen Eigentum überhaupt von verhängnisvoller Bedeutung ge-
worden. Denn daß der also Benachteiligte entschädigt werden soll,
darüber war man bald einig. Den Anspruch juristisch zu erklären
aber war man nicht recht im stande und hat dann verschiedene civil-
rechtliche Begründungen versucht, die geeignet waren, alles in Ver-
wirrung zu bringen29.

28 Hier nur als Probestück R.G. 4. April 1882 (Samml. VII S. 288): Kläger
fiel, als er abends von dem Hause des G. aus den Übergang zur Landstraße
passieren wollte, in den in dem Graben angebrachten zum Zwecke des Wasser-
abzuges dienenden sog. Fallkessel und erlitt dabei einen Beinbruch; die Beschädi-
gung ist durch eine mangelhafte und vorschriftswidrige Beschaffenheit der an der
Landstraße befindlichen Einrichtungen entstanden, wofür der Staat als Eigentümer
der Landstraßen haftbar gemacht werden kann, und zwar, wie das Gericht meint,
ex delicto gemäß Art. 1389 c. c.; von dieser Begründungsweise wollen wir unten
§ 53 noch sprechen.
29 Ausführlich behandelt diese Versuche Ubbelohde a. a. O. S. 175 ff.
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[132/0144] Das öffentliche Sachenrecht. Der besondere Nachteil kann erwachsen aus der Ausübung des Gemeingebrauchs im Einzelfalle, aus einer Verkehrshandlung, wie sie umgekehrt auch Gegenstand einer Gebührenpflicht sein könnte. Das hat gar nichts Eigentümliches an sich. Eine Entschädigungspflicht des Staats oder des an seiner Stelle stehenden Herrn der öffentlichen Sache wird dann begründet sein, wenn der Schaden in Kausal- zusammenhang steht mit der Art, wie die Verwaltung der öffentlichen Sache geführt wurde, mit ihrem mangelhaften Zustande, oder mit unrichtigen Vorkehrungen, die dabei getroffen worden sind: die schlecht unterhaltene Brücke stürzt ein unter dem darüber rollenden Fuhrwerk, der Wanderer fällt des Nachts in eine unverdeckte und ungesichert gelassene Öffnung des Abzugskanals in der Straße. Es sind ein- fach die auch sonst zu handhabenden Regeln von der öffentlichrechtlichen Entschädigung, die da zur Anwendung kommen. Also davon später 28. Es kann aber auch, wie der Vorteil in der Herrichtung und Bereit- haltung der öffentlichen Sache, also in der Ermöglichung des Ge- meingebrauchs, so der besondere Nachteil liegen in der Auflassung oder ungünstigen Abänderung der öffentlichen Sache, also in der Ent- ziehung der Möglichkeit des Gemeingebrauchs. Die Entschädigung, die dafür geschuldet würde, wäre ein Gegenstück des Beitrags. Der wichtigste Fall ist der einer Verlegung, Erhöhung oder Tieferlegung der Straße, durch welche den bisherigen Angrenzern, namentlich den vorhandenen Wohngebäuden, die Benutzung der Straße für den Zugang und für sonstige Vorteile des Gemeingebrauchs entzogen oder er- schwert wird. Dieser Fall ist für die Lehre vom Gemeingebrauch und vom öffentlichen Eigentum überhaupt von verhängnisvoller Bedeutung ge- worden. Denn daß der also Benachteiligte entschädigt werden soll, darüber war man bald einig. Den Anspruch juristisch zu erklären aber war man nicht recht im stande und hat dann verschiedene civil- rechtliche Begründungen versucht, die geeignet waren, alles in Ver- wirrung zu bringen 29. 28 Hier nur als Probestück R.G. 4. April 1882 (Samml. VII S. 288): Kläger fiel, als er abends von dem Hause des G. aus den Übergang zur Landstraße passieren wollte, in den in dem Graben angebrachten zum Zwecke des Wasser- abzuges dienenden sog. Fallkessel und erlitt dabei einen Beinbruch; die Beschädi- gung ist durch eine mangelhafte und vorschriftswidrige Beschaffenheit der an der Landstraße befindlichen Einrichtungen entstanden, wofür der Staat als Eigentümer der Landstraßen haftbar gemacht werden kann, und zwar, wie das Gericht meint, ex delicto gemäß Art. 1389 c. c.; von dieser Begründungsweise wollen wir unten § 53 noch sprechen. 29 Ausführlich behandelt diese Versuche Ubbelohde a. a. O. S. 175 ff.

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Zitationshilfe: Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 2. Leipzig, 1896, S. 132. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_verwaltungsrecht02_1896/144>, abgerufen am 23.11.2024.