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Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 1. Leipzig, 1895.

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Geschichtliche Entwicklungsstufen.
unwirksam sein, dass die Stände "denen mandatis impune nicht pa-
rieren dürfen"25. Das gilt wieder ohne Unterschied, um welche Art
von Rechten des Landesherrn es sich dabei handelt.

Eine ausgeprägte Sonderstellung nehmen hier die Hoheitsrechte nur
in einer Beziehung ein: in der Zulässigkeit der Selbsthülfe. Die
Reichsgerichte sind ja in erster Linie bestellt worden zur Aufrechterhaltung
des Landfriedens und zur Beseitigung der überwuchernden Selbsthülfe.
Sie haben davon den Zug einer übermässigen Strenge beibehalten gegen
alles Vorgehen, was nach dieser aussieht. Via facti ist unbedingt verboten
allen Unterthanen, den Ständen unter einander, auch den Landesherren
gegenüber ihren Unterthanen, "wenn fiscus agiret" d. h. wenn es
sich um Privatsachen handelt. Erlaubt ist nur die "Selbsthandhabung
bei der Landeshoheit". Wenn der Landesherr im Besitze der Aus-
übung eines Hoheitsrechtes ist, so kann er auf eigne Faust mit Ge-
walt sein Recht durchsetzen ohne Rücksicht auf etwaige Rechts-
bestreitungen. Mandate und inhibitoria braucht er nicht zu beachten.
Dem Unterthanen bleibt nur der Weg der selbständigen Klage26.

Dass Verwaltungsexekution und Polizeizwang aufgefasst werden
als Selbsthülfe des Landesherrn zur Geltendmachung seiner Hoheits-
rechte, ist ein ganz civilrechtlicher Gedanke; dass aber die Selbst-
hülfe hier überhaupt zulässig ist, darin liegt doch schon eine An-
erkennung der Eigenartigkeit dieser Rechte. --

In dieser Weise beherrscht das Reichsgericht mit seiner Recht-
sprechung teils mitwirkend, teils äusserlich überwachend die Thätig-
keit der Landesgewalt zur Verfolgung der Staatszwecke. Ein Ge-

25 R.A. 1594 § 79; R.A. 1654 § 105; Wahlkapitulation Jos. II art. 19 § 6
und 7. Moser, Teutsche Justizverfassung I S. 1090 ff.; daselbst wird auch eine
Denkschrift erwähnt (von 1750), in welcher ein Stand auszuführen sucht, dass das
Kammergericht nicht befugt sei, über Regalien und deren rechtmässigen Gebrauch
zu sprechen, -- ein Vorbote des kommenden Rechts!
26 v. Cramer, Wetzl. Nebenst. II S. 122, 133, 150. Moser, Wahlkapitu-
lation Jos. II T. 2 S. 163 Anm. 2, S. 165 Anm. 1. Der Landesherr erscheint deshalb
nicht leicht als Kläger vor dem Reichsgericht; er hat es nicht nötig. Ausnahms-
weise sucht ein minder mächtiger Fürst den Schutz des Reichsgerichts gegen seine
störrischen Unterthanen, namentlich etwa ein mandatum de manutenendo zur Ver-
stärkung seiner Selbsthülfe, wo ihm dann ein stärkerer Nachbar zur Hülfeleistung
beigegeben wird; Pütter, Beitr. I, 18 § 2 und 3. Doch kommen auch sonst wenigstens
Widerklagen häufig vor. Beispiele geben bei Cramer die endlosen Prozesse des
Grafen Crichingen mit seinen Bauern; Wetzl. Nebenst. IIC S. 129 ff., IC S. 93, IC
S. 99, IC S. 104, C S. 67 ff., C S. 92 ff.

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unwirksam sein, daſs die Stände „denen mandatis impune nicht pa-
rieren dürfen“25. Das gilt wieder ohne Unterschied, um welche Art
von Rechten des Landesherrn es sich dabei handelt.

Eine ausgeprägte Sonderstellung nehmen hier die Hoheitsrechte nur
in einer Beziehung ein: in der Zulässigkeit der Selbsthülfe. Die
Reichsgerichte sind ja in erster Linie bestellt worden zur Aufrechterhaltung
des Landfriedens und zur Beseitigung der überwuchernden Selbsthülfe.
Sie haben davon den Zug einer übermäſsigen Strenge beibehalten gegen
alles Vorgehen, was nach dieser aussieht. Via facti ist unbedingt verboten
allen Unterthanen, den Ständen unter einander, auch den Landesherren
gegenüber ihren Unterthanen, „wenn fiscus agiret“ d. h. wenn es
sich um Privatsachen handelt. Erlaubt ist nur die „Selbsthandhabung
bei der Landeshoheit“. Wenn der Landesherr im Besitze der Aus-
übung eines Hoheitsrechtes ist, so kann er auf eigne Faust mit Ge-
walt sein Recht durchsetzen ohne Rücksicht auf etwaige Rechts-
bestreitungen. Mandate und inhibitoria braucht er nicht zu beachten.
Dem Unterthanen bleibt nur der Weg der selbständigen Klage26.

Daſs Verwaltungsexekution und Polizeizwang aufgefaſst werden
als Selbsthülfe des Landesherrn zur Geltendmachung seiner Hoheits-
rechte, ist ein ganz civilrechtlicher Gedanke; daſs aber die Selbst-
hülfe hier überhaupt zulässig ist, darin liegt doch schon eine An-
erkennung der Eigenartigkeit dieser Rechte. —

In dieser Weise beherrscht das Reichsgericht mit seiner Recht-
sprechung teils mitwirkend, teils äuſserlich überwachend die Thätig-
keit der Landesgewalt zur Verfolgung der Staatszwecke. Ein Ge-

25 R.A. 1594 § 79; R.A. 1654 § 105; Wahlkapitulation Jos. II art. 19 § 6
und 7. Moser, Teutsche Justizverfassung I S. 1090 ff.; daselbst wird auch eine
Denkschrift erwähnt (von 1750), in welcher ein Stand auszuführen sucht, daſs das
Kammergericht nicht befugt sei, über Regalien und deren rechtmäſsigen Gebrauch
zu sprechen, — ein Vorbote des kommenden Rechts!
26 v. Cramer, Wetzl. Nebenst. II S. 122, 133, 150. Moser, Wahlkapitu-
lation Jos. II T. 2 S. 163 Anm. 2, S. 165 Anm. 1. Der Landesherr erscheint deshalb
nicht leicht als Kläger vor dem Reichsgericht; er hat es nicht nötig. Ausnahms-
weise sucht ein minder mächtiger Fürst den Schutz des Reichsgerichts gegen seine
störrischen Unterthanen, namentlich etwa ein mandatum de manutenendo zur Ver-
stärkung seiner Selbsthülfe, wo ihm dann ein stärkerer Nachbar zur Hülfeleistung
beigegeben wird; Pütter, Beitr. I, 18 § 2 und 3. Doch kommen auch sonst wenigstens
Widerklagen häufig vor. Beispiele geben bei Cramer die endlosen Prozesse des
Grafen Crichingen mit seinen Bauern; Wetzl. Nebenst. IIC S. 129 ff., IC S. 93, IC
S. 99, IC S. 104, C S. 67 ff., C S. 92 ff.
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[36/0056] Geschichtliche Entwicklungsstufen. unwirksam sein, daſs die Stände „denen mandatis impune nicht pa- rieren dürfen“ 25. Das gilt wieder ohne Unterschied, um welche Art von Rechten des Landesherrn es sich dabei handelt. Eine ausgeprägte Sonderstellung nehmen hier die Hoheitsrechte nur in einer Beziehung ein: in der Zulässigkeit der Selbsthülfe. Die Reichsgerichte sind ja in erster Linie bestellt worden zur Aufrechterhaltung des Landfriedens und zur Beseitigung der überwuchernden Selbsthülfe. Sie haben davon den Zug einer übermäſsigen Strenge beibehalten gegen alles Vorgehen, was nach dieser aussieht. Via facti ist unbedingt verboten allen Unterthanen, den Ständen unter einander, auch den Landesherren gegenüber ihren Unterthanen, „wenn fiscus agiret“ d. h. wenn es sich um Privatsachen handelt. Erlaubt ist nur die „Selbsthandhabung bei der Landeshoheit“. Wenn der Landesherr im Besitze der Aus- übung eines Hoheitsrechtes ist, so kann er auf eigne Faust mit Ge- walt sein Recht durchsetzen ohne Rücksicht auf etwaige Rechts- bestreitungen. Mandate und inhibitoria braucht er nicht zu beachten. Dem Unterthanen bleibt nur der Weg der selbständigen Klage 26. Daſs Verwaltungsexekution und Polizeizwang aufgefaſst werden als Selbsthülfe des Landesherrn zur Geltendmachung seiner Hoheits- rechte, ist ein ganz civilrechtlicher Gedanke; daſs aber die Selbst- hülfe hier überhaupt zulässig ist, darin liegt doch schon eine An- erkennung der Eigenartigkeit dieser Rechte. — In dieser Weise beherrscht das Reichsgericht mit seiner Recht- sprechung teils mitwirkend, teils äuſserlich überwachend die Thätig- keit der Landesgewalt zur Verfolgung der Staatszwecke. Ein Ge- 25 R.A. 1594 § 79; R.A. 1654 § 105; Wahlkapitulation Jos. II art. 19 § 6 und 7. Moser, Teutsche Justizverfassung I S. 1090 ff.; daselbst wird auch eine Denkschrift erwähnt (von 1750), in welcher ein Stand auszuführen sucht, daſs das Kammergericht nicht befugt sei, über Regalien und deren rechtmäſsigen Gebrauch zu sprechen, — ein Vorbote des kommenden Rechts! 26 v. Cramer, Wetzl. Nebenst. II S. 122, 133, 150. Moser, Wahlkapitu- lation Jos. II T. 2 S. 163 Anm. 2, S. 165 Anm. 1. Der Landesherr erscheint deshalb nicht leicht als Kläger vor dem Reichsgericht; er hat es nicht nötig. Ausnahms- weise sucht ein minder mächtiger Fürst den Schutz des Reichsgerichts gegen seine störrischen Unterthanen, namentlich etwa ein mandatum de manutenendo zur Ver- stärkung seiner Selbsthülfe, wo ihm dann ein stärkerer Nachbar zur Hülfeleistung beigegeben wird; Pütter, Beitr. I, 18 § 2 und 3. Doch kommen auch sonst wenigstens Widerklagen häufig vor. Beispiele geben bei Cramer die endlosen Prozesse des Grafen Crichingen mit seinen Bauern; Wetzl. Nebenst. IIC S. 129 ff., IC S. 93, IC S. 99, IC S. 104, C S. 67 ff., C S. 92 ff.

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Zitationshilfe: Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 1. Leipzig, 1895, S. 36. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_verwaltungsrecht01_1895/56>, abgerufen am 24.11.2024.