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Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 1. Leipzig, 1895.

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§ 29. Änderung und Aufhebung der Steuerpflicht.
Gegenstandes oder der Person, mit welcher sie sich verknüpft, ent-
steht auch eine Änderung der gesetzlichen Steuerverpflichtung. Diese
Wirkung wird meist hinausgeschoben auf Monatsabschlüsse, Jahres-
abschlüsse. Sie macht aber auch dann den Verwaltungsakt nicht von
selbst hinfällig, sondern giebt nur einen Grund, ihn abzuändern, und
so lange er nicht geändert ist, wirkt er fort. Diese Änderung kann
von Amtswegen geschehen. Ordentlicherweise ist sie bedingt durch den
Antrag des Betroffenen, der hier die Stelle der Anfechtung vertritt,
so zwar, dass dieser Antrag die Änderung erst bewirkt, sofort oder
von einem gewissen danach zu berechnenden Jahresabschnitte an. Der
Antrag erscheint als Anzeige von dem eingetretenen Wechsel der
Voraussetzungen, als Abmeldung, Gesuch um Umschreibung,
Abschreibung
u. s. w. Wird dem Antrag nicht willfahrt, so geht
er in eine förmliche Anfechtung über, deren Ergebnis zurückwirkt
auf den der Antragstellung entsprechenden Zeitpunkt. Die Unter-
lassung des Antrags lässt die sachlich nicht mehr gerechtfertigte Ver-
anlagung für den entsprechenden Zeitraum in Wirksamkeit fortbestehen;
die Steuerpflicht beruht dann nicht einmal mittelbar mehr auf der
gesetzlichen Steuerauflage, sondern lediglich auf der formellen Kraft
des Verwaltungsaktes.

2. Der Verlust der Rückforderungsklage durch Frist-
versäumnis
. Eine gesetzwidrige Belastung kann geschehen durch
thatsächliche Einziehung einer nicht geschuldeten Steuer, sei es, dass
sie freiwillig gezahlt, sei es, dass sie zwangsweise beigetrieben worden
ist. Dann erhält die Abwehr des Betroffenen die Gestalt der Er-
hebung eines Rückforderungsanspruches. Darin liegt der Antrag, die
Steuerpflicht für nicht begründet zu erklären, und zugleich der Antrag,
dem entsprechend die Zurückzahlung der Bereicherung anzuordnen.
Formen und Zuständigkeiten bestimmt die jeweilige Ordnung des
Rechtsschutzes. Für die Geltendmachung dieses Anspruchs können
aber Fristen gegeben sein, durch deren Nichteinhaltung er erlischt.

Bei der direkten Steuer erleidet er von vornherein eine Be-
schränkung durch die selbständige Rechtswirkung der Veranlagung.
Wenn die Einziehung erfolgt ist gemäss der Veranlagung, so ist sie
durch diese gedeckt. Die Rückforderung kann nur geltend gemacht
werden unter gleichzeitiger Anfechtung der Veranlagung selbst und
unter Wahrung der hierfür bestehenden Formen und Fristen.

Es bleibt also hier nur der Fall übrig, wo in Widerspruch mit
der geschehenen Veranlagung oder auch ohne alle vorgängige Ver-
anlagung des Betroffenen die Einziehung erfolgt ist. Für die aus
einem solchen Fehler bei der Erhebung entspringenden Rückforderungs-

§ 29. Änderung und Aufhebung der Steuerpflicht.
Gegenstandes oder der Person, mit welcher sie sich verknüpft, ent-
steht auch eine Änderung der gesetzlichen Steuerverpflichtung. Diese
Wirkung wird meist hinausgeschoben auf Monatsabschlüsse, Jahres-
abschlüsse. Sie macht aber auch dann den Verwaltungsakt nicht von
selbst hinfällig, sondern giebt nur einen Grund, ihn abzuändern, und
so lange er nicht geändert ist, wirkt er fort. Diese Änderung kann
von Amtswegen geschehen. Ordentlicherweise ist sie bedingt durch den
Antrag des Betroffenen, der hier die Stelle der Anfechtung vertritt,
so zwar, daſs dieser Antrag die Änderung erst bewirkt, sofort oder
von einem gewissen danach zu berechnenden Jahresabschnitte an. Der
Antrag erscheint als Anzeige von dem eingetretenen Wechsel der
Voraussetzungen, als Abmeldung, Gesuch um Umschreibung,
Abschreibung
u. s. w. Wird dem Antrag nicht willfahrt, so geht
er in eine förmliche Anfechtung über, deren Ergebnis zurückwirkt
auf den der Antragstellung entsprechenden Zeitpunkt. Die Unter-
lassung des Antrags läſst die sachlich nicht mehr gerechtfertigte Ver-
anlagung für den entsprechenden Zeitraum in Wirksamkeit fortbestehen;
die Steuerpflicht beruht dann nicht einmal mittelbar mehr auf der
gesetzlichen Steuerauflage, sondern lediglich auf der formellen Kraft
des Verwaltungsaktes.

2. Der Verlust der Rückforderungsklage durch Frist-
versäumnis
. Eine gesetzwidrige Belastung kann geschehen durch
thatsächliche Einziehung einer nicht geschuldeten Steuer, sei es, daſs
sie freiwillig gezahlt, sei es, daſs sie zwangsweise beigetrieben worden
ist. Dann erhält die Abwehr des Betroffenen die Gestalt der Er-
hebung eines Rückforderungsanspruches. Darin liegt der Antrag, die
Steuerpflicht für nicht begründet zu erklären, und zugleich der Antrag,
dem entsprechend die Zurückzahlung der Bereicherung anzuordnen.
Formen und Zuständigkeiten bestimmt die jeweilige Ordnung des
Rechtsschutzes. Für die Geltendmachung dieses Anspruchs können
aber Fristen gegeben sein, durch deren Nichteinhaltung er erlischt.

Bei der direkten Steuer erleidet er von vornherein eine Be-
schränkung durch die selbständige Rechtswirkung der Veranlagung.
Wenn die Einziehung erfolgt ist gemäſs der Veranlagung, so ist sie
durch diese gedeckt. Die Rückforderung kann nur geltend gemacht
werden unter gleichzeitiger Anfechtung der Veranlagung selbst und
unter Wahrung der hierfür bestehenden Formen und Fristen.

Es bleibt also hier nur der Fall übrig, wo in Widerspruch mit
der geschehenen Veranlagung oder auch ohne alle vorgängige Ver-
anlagung des Betroffenen die Einziehung erfolgt ist. Für die aus
einem solchen Fehler bei der Erhebung entspringenden Rückforderungs-

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[425/0445] § 29. Änderung und Aufhebung der Steuerpflicht. Gegenstandes oder der Person, mit welcher sie sich verknüpft, ent- steht auch eine Änderung der gesetzlichen Steuerverpflichtung. Diese Wirkung wird meist hinausgeschoben auf Monatsabschlüsse, Jahres- abschlüsse. Sie macht aber auch dann den Verwaltungsakt nicht von selbst hinfällig, sondern giebt nur einen Grund, ihn abzuändern, und so lange er nicht geändert ist, wirkt er fort. Diese Änderung kann von Amtswegen geschehen. Ordentlicherweise ist sie bedingt durch den Antrag des Betroffenen, der hier die Stelle der Anfechtung vertritt, so zwar, daſs dieser Antrag die Änderung erst bewirkt, sofort oder von einem gewissen danach zu berechnenden Jahresabschnitte an. Der Antrag erscheint als Anzeige von dem eingetretenen Wechsel der Voraussetzungen, als Abmeldung, Gesuch um Umschreibung, Abschreibung u. s. w. Wird dem Antrag nicht willfahrt, so geht er in eine förmliche Anfechtung über, deren Ergebnis zurückwirkt auf den der Antragstellung entsprechenden Zeitpunkt. Die Unter- lassung des Antrags läſst die sachlich nicht mehr gerechtfertigte Ver- anlagung für den entsprechenden Zeitraum in Wirksamkeit fortbestehen; die Steuerpflicht beruht dann nicht einmal mittelbar mehr auf der gesetzlichen Steuerauflage, sondern lediglich auf der formellen Kraft des Verwaltungsaktes. 2. Der Verlust der Rückforderungsklage durch Frist- versäumnis. Eine gesetzwidrige Belastung kann geschehen durch thatsächliche Einziehung einer nicht geschuldeten Steuer, sei es, daſs sie freiwillig gezahlt, sei es, daſs sie zwangsweise beigetrieben worden ist. Dann erhält die Abwehr des Betroffenen die Gestalt der Er- hebung eines Rückforderungsanspruches. Darin liegt der Antrag, die Steuerpflicht für nicht begründet zu erklären, und zugleich der Antrag, dem entsprechend die Zurückzahlung der Bereicherung anzuordnen. Formen und Zuständigkeiten bestimmt die jeweilige Ordnung des Rechtsschutzes. Für die Geltendmachung dieses Anspruchs können aber Fristen gegeben sein, durch deren Nichteinhaltung er erlischt. Bei der direkten Steuer erleidet er von vornherein eine Be- schränkung durch die selbständige Rechtswirkung der Veranlagung. Wenn die Einziehung erfolgt ist gemäſs der Veranlagung, so ist sie durch diese gedeckt. Die Rückforderung kann nur geltend gemacht werden unter gleichzeitiger Anfechtung der Veranlagung selbst und unter Wahrung der hierfür bestehenden Formen und Fristen. Es bleibt also hier nur der Fall übrig, wo in Widerspruch mit der geschehenen Veranlagung oder auch ohne alle vorgängige Ver- anlagung des Betroffenen die Einziehung erfolgt ist. Für die aus einem solchen Fehler bei der Erhebung entspringenden Rückforderungs-

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Zitationshilfe: Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 1. Leipzig, 1895, S. 425. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_verwaltungsrecht01_1895/445>, abgerufen am 21.05.2024.