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Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 1. Leipzig, 1895.

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Die Finanzgewalt.
es sich um Unzulässigwerden der Einziehung einer Geldforderung
handelt, den Begriff der Verjährung leichter zu, als bei einer so fremd-
artigen Wirkung wie die Unzulässigkeit eines obrigkeitlichen Aus-
spruches. Wenn man aber vergleichen will, so ist hier der bereits
oben verwertete Vergleich mit dem Strafrecht näher gelegt. Wie die
Rückstandsverjährung der Verjährung der Strafvollstreckung, so ent-
spricht das Unzulässigwerden des Nachholungsaktes der Verjährung
der Strafverfolgung, welche das Strafurteil ausschliesst. Der Name
Verjährung passt in allen Fällen gleich gut und gleich schlecht.

II. Auf seiten des Unterthanen führt die Unterlassung
der rechtzeitigen Vornahme gewisser Rechtshandlungen zum Verlust
des Anspruches auf Beseitigung unbegründeter rechtswidriger Belastung.
Hier wirkt nur die Fristversäumnis, d. h. nur die soeben
unter n. 2 betrachtete Verjährung hat ihre Seitenstücke. Sie wirkt
aber wieder auf zweierlei Art.

1. Durch Verlust des Anfechtungsrechtes gegenüber
einem Verwaltungsakt
. Das Gebiet dieses Rechtsinstitutes bilden
die direkten Steuern.

Die Veranlagung kann von vornherein der gesetzlichen Steuer-
pflicht widersprechen. Der Akt ist ergangen gegen einen Nichtschuldner
oder gegen den Schuldner auf einen zu hohen Betrag. Er ist gleich-
wohl rechtsverbindlich, soweit er nicht auf den vom Gesetze vor-
gesehenen Wegen zur Abänderung gebracht wird. Möglicherweise ist
eine obere Behörde zuständig, von Amtswegen zu Gunsten des Be-
troffenen einzugreifen. Der ordentliche Weg ist die Anfechtung von
seiten desselben, die Reklamation. Über die Reklamation wird
alsdann im Beschwerdeverfahren oder im Rechtswege entschieden;
das ist Sache der Ordnung des Rechtsschutzes. Für die Erhebung
der Anfechtung bestehen aber kurze Fristen, von der Kundgabe der
Veranlagung ab zu rechnen. Es sind Präklusivfristen8. Ist die Frist
versäumt, so bleibt die Steuerpflicht für die Zeit, für welche der Akt
gelten soll, bestimmt, wie sie darin bestimmt ist.

Die Veranlagung kann auch erst hinterdrein in Widerspruch
geraten mit ihren gesetzlichen Grundlagen, nämlich durch Veränderung
der thatsächlichen Voraussetzungen. Das ist vor allem möglich bei
denjenigen Veranlagungen, welche auf längere Zeit hinaus die periodisch
fällig werdende Steuer oder Stücke der Steuerpflicht festsetzen, bei
den Katastersteuern (oben § 27, III n. 1). Mit der Änderung des

8 Über diese rechtliche Bedeutung der Frist: O.V.G. 28. Nov. 1888.

Die Finanzgewalt.
es sich um Unzulässigwerden der Einziehung einer Geldforderung
handelt, den Begriff der Verjährung leichter zu, als bei einer so fremd-
artigen Wirkung wie die Unzulässigkeit eines obrigkeitlichen Aus-
spruches. Wenn man aber vergleichen will, so ist hier der bereits
oben verwertete Vergleich mit dem Strafrecht näher gelegt. Wie die
Rückstandsverjährung der Verjährung der Strafvollstreckung, so ent-
spricht das Unzulässigwerden des Nachholungsaktes der Verjährung
der Strafverfolgung, welche das Strafurteil ausschlieſst. Der Name
Verjährung paſst in allen Fällen gleich gut und gleich schlecht.

II. Auf seiten des Unterthanen führt die Unterlassung
der rechtzeitigen Vornahme gewisser Rechtshandlungen zum Verlust
des Anspruches auf Beseitigung unbegründeter rechtswidriger Belastung.
Hier wirkt nur die Fristversäumnis, d. h. nur die soeben
unter n. 2 betrachtete Verjährung hat ihre Seitenstücke. Sie wirkt
aber wieder auf zweierlei Art.

1. Durch Verlust des Anfechtungsrechtes gegenüber
einem Verwaltungsakt
. Das Gebiet dieses Rechtsinstitutes bilden
die direkten Steuern.

Die Veranlagung kann von vornherein der gesetzlichen Steuer-
pflicht widersprechen. Der Akt ist ergangen gegen einen Nichtschuldner
oder gegen den Schuldner auf einen zu hohen Betrag. Er ist gleich-
wohl rechtsverbindlich, soweit er nicht auf den vom Gesetze vor-
gesehenen Wegen zur Abänderung gebracht wird. Möglicherweise ist
eine obere Behörde zuständig, von Amtswegen zu Gunsten des Be-
troffenen einzugreifen. Der ordentliche Weg ist die Anfechtung von
seiten desselben, die Reklamation. Über die Reklamation wird
alsdann im Beschwerdeverfahren oder im Rechtswege entschieden;
das ist Sache der Ordnung des Rechtsschutzes. Für die Erhebung
der Anfechtung bestehen aber kurze Fristen, von der Kundgabe der
Veranlagung ab zu rechnen. Es sind Präklusivfristen8. Ist die Frist
versäumt, so bleibt die Steuerpflicht für die Zeit, für welche der Akt
gelten soll, bestimmt, wie sie darin bestimmt ist.

Die Veranlagung kann auch erst hinterdrein in Widerspruch
geraten mit ihren gesetzlichen Grundlagen, nämlich durch Veränderung
der thatsächlichen Voraussetzungen. Das ist vor allem möglich bei
denjenigen Veranlagungen, welche auf längere Zeit hinaus die periodisch
fällig werdende Steuer oder Stücke der Steuerpflicht festsetzen, bei
den Katastersteuern (oben § 27, III n. 1). Mit der Änderung des

8 Über diese rechtliche Bedeutung der Frist: O.V.G. 28. Nov. 1888.
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[424/0444] Die Finanzgewalt. es sich um Unzulässigwerden der Einziehung einer Geldforderung handelt, den Begriff der Verjährung leichter zu, als bei einer so fremd- artigen Wirkung wie die Unzulässigkeit eines obrigkeitlichen Aus- spruches. Wenn man aber vergleichen will, so ist hier der bereits oben verwertete Vergleich mit dem Strafrecht näher gelegt. Wie die Rückstandsverjährung der Verjährung der Strafvollstreckung, so ent- spricht das Unzulässigwerden des Nachholungsaktes der Verjährung der Strafverfolgung, welche das Strafurteil ausschlieſst. Der Name Verjährung paſst in allen Fällen gleich gut und gleich schlecht. II. Auf seiten des Unterthanen führt die Unterlassung der rechtzeitigen Vornahme gewisser Rechtshandlungen zum Verlust des Anspruches auf Beseitigung unbegründeter rechtswidriger Belastung. Hier wirkt nur die Fristversäumnis, d. h. nur die soeben unter n. 2 betrachtete Verjährung hat ihre Seitenstücke. Sie wirkt aber wieder auf zweierlei Art. 1. Durch Verlust des Anfechtungsrechtes gegenüber einem Verwaltungsakt. Das Gebiet dieses Rechtsinstitutes bilden die direkten Steuern. Die Veranlagung kann von vornherein der gesetzlichen Steuer- pflicht widersprechen. Der Akt ist ergangen gegen einen Nichtschuldner oder gegen den Schuldner auf einen zu hohen Betrag. Er ist gleich- wohl rechtsverbindlich, soweit er nicht auf den vom Gesetze vor- gesehenen Wegen zur Abänderung gebracht wird. Möglicherweise ist eine obere Behörde zuständig, von Amtswegen zu Gunsten des Be- troffenen einzugreifen. Der ordentliche Weg ist die Anfechtung von seiten desselben, die Reklamation. Über die Reklamation wird alsdann im Beschwerdeverfahren oder im Rechtswege entschieden; das ist Sache der Ordnung des Rechtsschutzes. Für die Erhebung der Anfechtung bestehen aber kurze Fristen, von der Kundgabe der Veranlagung ab zu rechnen. Es sind Präklusivfristen 8. Ist die Frist versäumt, so bleibt die Steuerpflicht für die Zeit, für welche der Akt gelten soll, bestimmt, wie sie darin bestimmt ist. Die Veranlagung kann auch erst hinterdrein in Widerspruch geraten mit ihren gesetzlichen Grundlagen, nämlich durch Veränderung der thatsächlichen Voraussetzungen. Das ist vor allem möglich bei denjenigen Veranlagungen, welche auf längere Zeit hinaus die periodisch fällig werdende Steuer oder Stücke der Steuerpflicht festsetzen, bei den Katastersteuern (oben § 27, III n. 1). Mit der Änderung des 8 Über diese rechtliche Bedeutung der Frist: O.V.G. 28. Nov. 1888.

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Zitationshilfe: Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 1. Leipzig, 1895, S. 424. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_verwaltungsrecht01_1895/444>, abgerufen am 22.05.2024.