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Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 1. Leipzig, 1895.

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Die Finanzgewalt.

Die Steuerpflicht bleibt alsdann einstweilen schwebend. Das
heisst, sie entsteht vorläufig nicht; ihre Entstehung wird hinaus-
geschoben und es ist ungewiss, ob sie entsteht: wenn die Ware
ins Ausland zurückkehrt oder untergeht, entsteht sie überhaupt
niemals4.

Diese schwebende Steuerpflicht bedeutet aber mehr als eine blosse
Unentschiedenheit. Es ist etwas ganz anderes, wenn die Ware an der
Grenze harrt oder in einem Zollausschluss oder Freilager sich befindet,
und wenn sie mit Begleitschein I reist oder in eine Niederlage auf-
genommen ist. An den Umstand, dass im letzteren Falle die Steuer-
pflicht gesetzlich eigentlich begründet wäre, knüpft sich nicht bloss
eine steueramtliche Gewalt über die Sache zur Sicherung der auf ihr
lastenden, noch unerledigten Steuermöglichkeiten (davon unten § 30 u.
32), sondern auch eine sofortige persönliche Verpflichtung desjenigen,
welchen ohne jene besondere Erleichterung und Verschiebung die
Steuerpflicht getroffen haben würde: des "Extrahenten" des Begleit-
scheins, des Einlegers. Diese Pflicht ist keine Zahlungspflicht, sondern
eine Haftpflicht. Sie geht darauf, einzustehen dafür, dass der auf
die Ware nach ihrem gegenwärtigen Bestande zu entrichtende Zoll
seiner Zeit als nicht geschuldet nachgewiesen oder gehörig entrichtet
werde5.

Zu dem Zwecke verbindet sich mit dem Beginne der schweben-
den Steuerpflicht eine Feststellung der Art und Menge der Ware,
welcher gegenüber die Befreiung nachgewiesen werden muss.

Die Befreiung von der Haftpflicht erfolgt durch den Nachweis,
dass die wirkliche Steuerpflicht nachträglich entstanden und erfüllt
worden ist durch Übertritt der Ware in freien Verkehr und Ge-
stellung derselben zu amtlicher Abfertigung.

von den letzteren gehören nur die Transit- und die unter amtlichem Mitverschluss
stehenden Teilungslager hierher; Privatlager-Regulativ vom 8. Juni 1888 § 4.
(Centr.Bl. 1888 S. 235; Loebe, Zollstrafrecht S. 99 ff.).
4 Zollges. § 9 giebt ein Unterscheidungsmerkmal für den richtigen Augenblick
der Entstehung der Zollpflicht, indem es die Vorgänge nennt, nach welchen sich
bei einem zeitlichen Wechsel der Tarife der anzuwendende bestimmt. Die Aufnahme
der Ware in eine der in Note 3 erwähnten Niederlagen ist darunter nicht an-
geführt. Hier entsteht also die Zollpflicht erst mit dem Austritt aus der Nieder-
lage in freien Verkehr nach Massgabe des in diesem Zeitpunkte geltenden Tarifs;
Privatlager-Regulativ § 16 (Centr.Bl. 1888 S. 239).
5 Diese Haftpflicht ist nur eine Seite der schwebenden Steuerpflicht und be-
ruht auf dem gleichen Rechtsgrund wie diese. Man sollte es nicht für möglich
halten, dass auch diese Pflicht wieder für eine civilrechtliche erklärt werden könnte.
Das geschieht aber z. B. bei Loebe, Zollstrafrecht S. 93. Soll hier vielleicht gar
ein civilrechtlicher Vertrag vorliegen?
Die Finanzgewalt.

Die Steuerpflicht bleibt alsdann einstweilen schwebend. Das
heiſst, sie entsteht vorläufig nicht; ihre Entstehung wird hinaus-
geschoben und es ist ungewiſs, ob sie entsteht: wenn die Ware
ins Ausland zurückkehrt oder untergeht, entsteht sie überhaupt
niemals4.

Diese schwebende Steuerpflicht bedeutet aber mehr als eine bloſse
Unentschiedenheit. Es ist etwas ganz anderes, wenn die Ware an der
Grenze harrt oder in einem Zollausschluſs oder Freilager sich befindet,
und wenn sie mit Begleitschein I reist oder in eine Niederlage auf-
genommen ist. An den Umstand, daſs im letzteren Falle die Steuer-
pflicht gesetzlich eigentlich begründet wäre, knüpft sich nicht bloſs
eine steueramtliche Gewalt über die Sache zur Sicherung der auf ihr
lastenden, noch unerledigten Steuermöglichkeiten (davon unten § 30 u.
32), sondern auch eine sofortige persönliche Verpflichtung desjenigen,
welchen ohne jene besondere Erleichterung und Verschiebung die
Steuerpflicht getroffen haben würde: des „Extrahenten“ des Begleit-
scheins, des Einlegers. Diese Pflicht ist keine Zahlungspflicht, sondern
eine Haftpflicht. Sie geht darauf, einzustehen dafür, daſs der auf
die Ware nach ihrem gegenwärtigen Bestande zu entrichtende Zoll
seiner Zeit als nicht geschuldet nachgewiesen oder gehörig entrichtet
werde5.

Zu dem Zwecke verbindet sich mit dem Beginne der schweben-
den Steuerpflicht eine Feststellung der Art und Menge der Ware,
welcher gegenüber die Befreiung nachgewiesen werden muſs.

Die Befreiung von der Haftpflicht erfolgt durch den Nachweis,
daſs die wirkliche Steuerpflicht nachträglich entstanden und erfüllt
worden ist durch Übertritt der Ware in freien Verkehr und Ge-
stellung derselben zu amtlicher Abfertigung.

von den letzteren gehören nur die Transit- und die unter amtlichem Mitverschluſs
stehenden Teilungslager hierher; Privatlager-Regulativ vom 8. Juni 1888 § 4.
(Centr.Bl. 1888 S. 235; Loebe, Zollstrafrecht S. 99 ff.).
4 Zollges. § 9 giebt ein Unterscheidungsmerkmal für den richtigen Augenblick
der Entstehung der Zollpflicht, indem es die Vorgänge nennt, nach welchen sich
bei einem zeitlichen Wechsel der Tarife der anzuwendende bestimmt. Die Aufnahme
der Ware in eine der in Note 3 erwähnten Niederlagen ist darunter nicht an-
geführt. Hier entsteht also die Zollpflicht erst mit dem Austritt aus der Nieder-
lage in freien Verkehr nach Maſsgabe des in diesem Zeitpunkte geltenden Tarifs;
Privatlager-Regulativ § 16 (Centr.Bl. 1888 S. 239).
5 Diese Haftpflicht ist nur eine Seite der schwebenden Steuerpflicht und be-
ruht auf dem gleichen Rechtsgrund wie diese. Man sollte es nicht für möglich
halten, daſs auch diese Pflicht wieder für eine civilrechtliche erklärt werden könnte.
Das geschieht aber z. B. bei Loebe, Zollstrafrecht S. 93. Soll hier vielleicht gar
ein civilrechtlicher Vertrag vorliegen?
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[408/0428] Die Finanzgewalt. Die Steuerpflicht bleibt alsdann einstweilen schwebend. Das heiſst, sie entsteht vorläufig nicht; ihre Entstehung wird hinaus- geschoben und es ist ungewiſs, ob sie entsteht: wenn die Ware ins Ausland zurückkehrt oder untergeht, entsteht sie überhaupt niemals 4. Diese schwebende Steuerpflicht bedeutet aber mehr als eine bloſse Unentschiedenheit. Es ist etwas ganz anderes, wenn die Ware an der Grenze harrt oder in einem Zollausschluſs oder Freilager sich befindet, und wenn sie mit Begleitschein I reist oder in eine Niederlage auf- genommen ist. An den Umstand, daſs im letzteren Falle die Steuer- pflicht gesetzlich eigentlich begründet wäre, knüpft sich nicht bloſs eine steueramtliche Gewalt über die Sache zur Sicherung der auf ihr lastenden, noch unerledigten Steuermöglichkeiten (davon unten § 30 u. 32), sondern auch eine sofortige persönliche Verpflichtung desjenigen, welchen ohne jene besondere Erleichterung und Verschiebung die Steuerpflicht getroffen haben würde: des „Extrahenten“ des Begleit- scheins, des Einlegers. Diese Pflicht ist keine Zahlungspflicht, sondern eine Haftpflicht. Sie geht darauf, einzustehen dafür, daſs der auf die Ware nach ihrem gegenwärtigen Bestande zu entrichtende Zoll seiner Zeit als nicht geschuldet nachgewiesen oder gehörig entrichtet werde 5. Zu dem Zwecke verbindet sich mit dem Beginne der schweben- den Steuerpflicht eine Feststellung der Art und Menge der Ware, welcher gegenüber die Befreiung nachgewiesen werden muſs. Die Befreiung von der Haftpflicht erfolgt durch den Nachweis, daſs die wirkliche Steuerpflicht nachträglich entstanden und erfüllt worden ist durch Übertritt der Ware in freien Verkehr und Ge- stellung derselben zu amtlicher Abfertigung. 3 4 Zollges. § 9 giebt ein Unterscheidungsmerkmal für den richtigen Augenblick der Entstehung der Zollpflicht, indem es die Vorgänge nennt, nach welchen sich bei einem zeitlichen Wechsel der Tarife der anzuwendende bestimmt. Die Aufnahme der Ware in eine der in Note 3 erwähnten Niederlagen ist darunter nicht an- geführt. Hier entsteht also die Zollpflicht erst mit dem Austritt aus der Nieder- lage in freien Verkehr nach Maſsgabe des in diesem Zeitpunkte geltenden Tarifs; Privatlager-Regulativ § 16 (Centr.Bl. 1888 S. 239). 5 Diese Haftpflicht ist nur eine Seite der schwebenden Steuerpflicht und be- ruht auf dem gleichen Rechtsgrund wie diese. Man sollte es nicht für möglich halten, daſs auch diese Pflicht wieder für eine civilrechtliche erklärt werden könnte. Das geschieht aber z. B. bei Loebe, Zollstrafrecht S. 93. Soll hier vielleicht gar ein civilrechtlicher Vertrag vorliegen? 3 von den letzteren gehören nur die Transit- und die unter amtlichem Mitverschluſs stehenden Teilungslager hierher; Privatlager-Regulativ vom 8. Juni 1888 § 4. (Centr.Bl. 1888 S. 235; Loebe, Zollstrafrecht S. 99 ff.).

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Zitationshilfe: Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 1. Leipzig, 1895, S. 408. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_verwaltungsrecht01_1895/428>, abgerufen am 22.12.2024.