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Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 1. Leipzig, 1895.

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§ 25. Zwang durch Gewaltanwendung.
Strassen und Plätzen, das Publikum verdrängend und seinerseits
keinerlei Beeinträchtigung duldend: wir sehen die Strasse durch
Posten gesperrt, welche die Vordrängenden mit dem Kolben abweisen
wir sehen den eiligen Mann, der durch die lange Reihe der mar-
schierenden Truppe hindurch den jenseitigen Bürgersteig gewinnen
will, mit der flachen Degenklinge behandelt. Das ist nicht, wie es
scheinen könnte, einfache Gewaltthat, sondern die Selbstverteidigung
einer gegen Störungen allerdings sehr empfindlichen öffentlichen
Anstalt, -- Polizei26.

2. Bildet das Bisherige eine Art eigner Polizeigewalt der mili-
tärischen Anstalt gegenüber den Unterthanen, so kann das Heer
andererseits auch berufen sein, an fremder Polizei durch Gewaltübung
Teil zu nehmen, d. h. an der anderen Verwaltungen zustehenden
Polizeithätigkeit. Das ist abgeleiteter militärischer Polizei-
zwang
. Gegenstand und Umfang richten sich nach dem Rechte des
Verwaltungszweiges, welchem die militärische Hülfsthätigkeit sich an-
schliesst. Nur sind naturgemäss die Voraussetzungen und die Formen
dieser Hülfsthätigkeit möglichst einfach und gleichförmig gestaltet, so
dass die Mannschaft in deutlich gezeichneten Bahnen sich bewegt.

Es können andere staatliche Einrichtungen und Anstalten eines
stärkeren Schutzes bedürfen, als ihre eigenen Kräfte und das all-
gemeine Polizeipersonal ihnen zu gewähren vermögen; das Heer giebt
für sie alsdann Wachen und Posten ab. Das geschieht vor allem zur
Bedeckung von Gefängnisanstalten und sonstigen wichtigen staatlichen
Gebäuden. Was hier an polizeilichem Zwang für das Militär zu thun
ist, bestimmt lediglich die Dienstinstruktion. Das Recht zum Zwang,
in dessen Umfang sich die Dienstinstruktion halten muss, entlehnt sie
einzig aus dem Selbstverteidigungsrechte der beschützten Anstalt;
immer mit Hinzufügung der besonderen gesetzlichen Zwangsform des
Waffengebrauchs27.

26 Die Gewaltanwendung wird hier überall noch verschärft durch die be-
sonderen militärischen Anschauungen von Ehre. Bayr. Garnisonsdienst-Instr. v.
5. April 1885 § 12 verlangt, dass die Waffe gegebenen Falles mit allem Nachdruck
gebraucht werde, denn "nur hierdurch ist (unter anderem) die Wahrung der Würde
des Militärdienstes verbürgt". Für die bürgerliche Polizei müssen derartige Ge-
sichtspunkte zurücktreten.
27 So geht das Recht der Gewaltanwendung bei einer Zuchthauswache auf:
Verhinderung von Flucht- und Ausbruchversuchen, Niederhaltung eines Aufruhrs
unter den Gefangenen, Abwehr eines Angriffes auf die Beamten oder Bediensteten
selbst oder auf andere Gefangene (Bayr. Specialinstruktion, abgedruckt bei van
Calker,
a. a. O. S. 57).

§ 25. Zwang durch Gewaltanwendung.
Straſsen und Plätzen, das Publikum verdrängend und seinerseits
keinerlei Beeinträchtigung duldend: wir sehen die Straſse durch
Posten gesperrt, welche die Vordrängenden mit dem Kolben abweisen
wir sehen den eiligen Mann, der durch die lange Reihe der mar-
schierenden Truppe hindurch den jenseitigen Bürgersteig gewinnen
will, mit der flachen Degenklinge behandelt. Das ist nicht, wie es
scheinen könnte, einfache Gewaltthat, sondern die Selbstverteidigung
einer gegen Störungen allerdings sehr empfindlichen öffentlichen
Anstalt, — Polizei26.

2. Bildet das Bisherige eine Art eigner Polizeigewalt der mili-
tärischen Anstalt gegenüber den Unterthanen, so kann das Heer
andererseits auch berufen sein, an fremder Polizei durch Gewaltübung
Teil zu nehmen, d. h. an der anderen Verwaltungen zustehenden
Polizeithätigkeit. Das ist abgeleiteter militärischer Polizei-
zwang
. Gegenstand und Umfang richten sich nach dem Rechte des
Verwaltungszweiges, welchem die militärische Hülfsthätigkeit sich an-
schlieſst. Nur sind naturgemäſs die Voraussetzungen und die Formen
dieser Hülfsthätigkeit möglichst einfach und gleichförmig gestaltet, so
daſs die Mannschaft in deutlich gezeichneten Bahnen sich bewegt.

Es können andere staatliche Einrichtungen und Anstalten eines
stärkeren Schutzes bedürfen, als ihre eigenen Kräfte und das all-
gemeine Polizeipersonal ihnen zu gewähren vermögen; das Heer giebt
für sie alsdann Wachen und Posten ab. Das geschieht vor allem zur
Bedeckung von Gefängnisanstalten und sonstigen wichtigen staatlichen
Gebäuden. Was hier an polizeilichem Zwang für das Militär zu thun
ist, bestimmt lediglich die Dienstinstruktion. Das Recht zum Zwang,
in dessen Umfang sich die Dienstinstruktion halten muſs, entlehnt sie
einzig aus dem Selbstverteidigungsrechte der beschützten Anstalt;
immer mit Hinzufügung der besonderen gesetzlichen Zwangsform des
Waffengebrauchs27.

26 Die Gewaltanwendung wird hier überall noch verschärft durch die be-
sonderen militärischen Anschauungen von Ehre. Bayr. Garnisonsdienst-Instr. v.
5. April 1885 § 12 verlangt, daſs die Waffe gegebenen Falles mit allem Nachdruck
gebraucht werde, denn „nur hierdurch ist (unter anderem) die Wahrung der Würde
des Militärdienstes verbürgt“. Für die bürgerliche Polizei müssen derartige Ge-
sichtspunkte zurücktreten.
27 So geht das Recht der Gewaltanwendung bei einer Zuchthauswache auf:
Verhinderung von Flucht- und Ausbruchversuchen, Niederhaltung eines Aufruhrs
unter den Gefangenen, Abwehr eines Angriffes auf die Beamten oder Bediensteten
selbst oder auf andere Gefangene (Bayr. Specialinstruktion, abgedruckt bei van
Calker,
a. a. O. S. 57).
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[375/0395] § 25. Zwang durch Gewaltanwendung. Straſsen und Plätzen, das Publikum verdrängend und seinerseits keinerlei Beeinträchtigung duldend: wir sehen die Straſse durch Posten gesperrt, welche die Vordrängenden mit dem Kolben abweisen wir sehen den eiligen Mann, der durch die lange Reihe der mar- schierenden Truppe hindurch den jenseitigen Bürgersteig gewinnen will, mit der flachen Degenklinge behandelt. Das ist nicht, wie es scheinen könnte, einfache Gewaltthat, sondern die Selbstverteidigung einer gegen Störungen allerdings sehr empfindlichen öffentlichen Anstalt, — Polizei 26. 2. Bildet das Bisherige eine Art eigner Polizeigewalt der mili- tärischen Anstalt gegenüber den Unterthanen, so kann das Heer andererseits auch berufen sein, an fremder Polizei durch Gewaltübung Teil zu nehmen, d. h. an der anderen Verwaltungen zustehenden Polizeithätigkeit. Das ist abgeleiteter militärischer Polizei- zwang. Gegenstand und Umfang richten sich nach dem Rechte des Verwaltungszweiges, welchem die militärische Hülfsthätigkeit sich an- schlieſst. Nur sind naturgemäſs die Voraussetzungen und die Formen dieser Hülfsthätigkeit möglichst einfach und gleichförmig gestaltet, so daſs die Mannschaft in deutlich gezeichneten Bahnen sich bewegt. Es können andere staatliche Einrichtungen und Anstalten eines stärkeren Schutzes bedürfen, als ihre eigenen Kräfte und das all- gemeine Polizeipersonal ihnen zu gewähren vermögen; das Heer giebt für sie alsdann Wachen und Posten ab. Das geschieht vor allem zur Bedeckung von Gefängnisanstalten und sonstigen wichtigen staatlichen Gebäuden. Was hier an polizeilichem Zwang für das Militär zu thun ist, bestimmt lediglich die Dienstinstruktion. Das Recht zum Zwang, in dessen Umfang sich die Dienstinstruktion halten muſs, entlehnt sie einzig aus dem Selbstverteidigungsrechte der beschützten Anstalt; immer mit Hinzufügung der besonderen gesetzlichen Zwangsform des Waffengebrauchs 27. 26 Die Gewaltanwendung wird hier überall noch verschärft durch die be- sonderen militärischen Anschauungen von Ehre. Bayr. Garnisonsdienst-Instr. v. 5. April 1885 § 12 verlangt, daſs die Waffe gegebenen Falles mit allem Nachdruck gebraucht werde, denn „nur hierdurch ist (unter anderem) die Wahrung der Würde des Militärdienstes verbürgt“. Für die bürgerliche Polizei müssen derartige Ge- sichtspunkte zurücktreten. 27 So geht das Recht der Gewaltanwendung bei einer Zuchthauswache auf: Verhinderung von Flucht- und Ausbruchversuchen, Niederhaltung eines Aufruhrs unter den Gefangenen, Abwehr eines Angriffes auf die Beamten oder Bediensteten selbst oder auf andere Gefangene (Bayr. Specialinstruktion, abgedruckt bei van Calker, a. a. O. S. 57).

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Zitationshilfe: Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 1. Leipzig, 1895, S. 375. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_verwaltungsrecht01_1895/395>, abgerufen am 21.05.2024.