Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 1. Leipzig, 1895.Die Polizeigewalt. Die Amtshandlung des Vollstreckungsbeamten wird für die Frage Der Grund dieser zwiespältigen Beurteilung ist der nämliche, der Die Bestrafung des Widerstandes ist angesehen als ein besonderer 1. Die Rechtswidrigkeit der Amtshandlung ist gedeckt, derart 3 Bei der zweiten Beratung des § 113 im Nordd. Reichstag hatte man be-
schlossen, die Strafbarkeit des Widerstandes allein davon abhängen zu lassen, dass der Beamte, "innerhalb seiner Zuständigkeit" gehandelt habe; die dritte Lesung hat dann ohne sachliche Begründung den Ausdruck "rechtmässige Amtshandlung" dafür gesetzt. Verhandlungen 1870 I S. 430, II S. 1169; vgl. auch die Ausführungen des Abg. Planck daselbst I S. 429. -- Die Voraussetzung der allgemeinen Zu- ständigkeit fehlt, wenn der Beamte aus seinem örtlichen Bezirk herausgreift, oder in einen anderen Verwaltungszweig hinein: Oppenhoff, Stf.G.B. zu § 113 n. 10; Olshausen, Stf.G.B. zu § 113 n. 13 a; Binding, Stf.R. I S. 741. Desgleichen bei Missbrauch des Amtes in eignem oder Parteiinteresse (O.Tr. 10. März 1869), sowie bei den im engeren Sinne so genannten Ausschreitungen: Misshand- lungen und Beleidigungen gelegentlich der Amtsthätigkeit. Diese sind nicht deshalb von der Autorität des Amtes nicht gedeckt, weil sie strafbar sind, sondern umgekehrt: sie sind strafbar, weil sie aus der allgemeinen Natur der Amtshandlung heraus und damit unter das gemeine Strafrecht fallen; Hiller, Rechtmässigkeit der Amtshand- lungen S. 85, 86. Die Polizeigewalt. Die Amtshandlung des Vollstreckungsbeamten wird für die Frage Der Grund dieser zwiespältigen Beurteilung ist der nämliche, der Die Bestrafung des Widerstandes ist angesehen als ein besonderer 1. Die Rechtswidrigkeit der Amtshandlung ist gedeckt, derart 3 Bei der zweiten Beratung des § 113 im Nordd. Reichstag hatte man be-
schlossen, die Strafbarkeit des Widerstandes allein davon abhängen zu lassen, daſs der Beamte, „innerhalb seiner Zuständigkeit“ gehandelt habe; die dritte Lesung hat dann ohne sachliche Begründung den Ausdruck „rechtmäſsige Amtshandlung“ dafür gesetzt. Verhandlungen 1870 I S. 430, II S. 1169; vgl. auch die Ausführungen des Abg. Planck daselbst I S. 429. — Die Voraussetzung der allgemeinen Zu- ständigkeit fehlt, wenn der Beamte aus seinem örtlichen Bezirk herausgreift, oder in einen anderen Verwaltungszweig hinein: Oppenhoff, Stf.G.B. zu § 113 n. 10; Olshausen, Stf.G.B. zu § 113 n. 13 a; Binding, Stf.R. I S. 741. Desgleichen bei Miſsbrauch des Amtes in eignem oder Parteiinteresse (O.Tr. 10. März 1869), sowie bei den im engeren Sinne so genannten Ausschreitungen: Miſshand- lungen und Beleidigungen gelegentlich der Amtsthätigkeit. Diese sind nicht deshalb von der Autorität des Amtes nicht gedeckt, weil sie strafbar sind, sondern umgekehrt: sie sind strafbar, weil sie aus der allgemeinen Natur der Amtshandlung heraus und damit unter das gemeine Strafrecht fallen; Hiller, Rechtmäſsigkeit der Amtshand- lungen S. 85, 86. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <pb facs="#f0380" n="360"/> <fw place="top" type="header">Die Polizeigewalt.</fw><lb/> <p>Die Amtshandlung des Vollstreckungsbeamten wird für die Frage<lb/> der Strafbarkeit des Widerstandes in gewissen Fällen noch als recht-<lb/> mäſsig angesehen, wo sie an sich nicht rechtmäſsig ist. Der Wider-<lb/> standleistende muſs bestraft werden, weil sie rechtmäſsig ist im Sinne<lb/> des § 113, und gleichwohl kann sie im Beschwerdeverfahren oder<lb/> Verwaltungsstreitverfahren angefochten und rückgängig gemacht, kann<lb/> der Staat mit einer Entschädigung belastet werden, weil sie nicht<lb/> rechtmäſsig ist.</p><lb/> <p>Der Grund dieser zwiespältigen Beurteilung ist der nämliche, der<lb/> auch bei der Frage der civilrechtlichen Haftung des Beamten eine<lb/> Abweichung von den allgemeinen Grundsätzen des Deliktsrechtes er-<lb/> zeugt hat (oben § 17, I n. 1).</p><lb/> <p>Die Bestrafung des Widerstandes ist angesehen als ein besonderer<lb/> Schutz, der dem handelnden Beamten gewährt wird. Dieser Schutz<lb/> wird ihm entzogen, wenn er rechtswidrig handelt. Aber im Interesse<lb/> des Dienstes selbst darf ihm nicht angerechnet werden die Rechts-<lb/> widrigkeit, der ihn gerade die Pflicht seines Amtes besonders aussetzt;<lb/> auch in dieser Beziehung trägt er, wie wir es oben ausdrückten, nicht<lb/> die Gefahr der Amtsführung. Wesentlich ist also nur, daſs es über-<lb/> haupt noch eine Amtshandlung des Vollstreckungsbeamten sei, also<lb/> innerhalb der allgemeinen Grenzen seiner Zuständigkeit sich bewege<note place="foot" n="3">Bei der zweiten Beratung des § 113 im Nordd. Reichstag hatte man be-<lb/> schlossen, die Strafbarkeit des Widerstandes allein davon abhängen zu lassen, daſs<lb/> der Beamte, „innerhalb seiner Zuständigkeit“ gehandelt habe; die dritte Lesung<lb/> hat dann ohne sachliche Begründung den Ausdruck „rechtmäſsige Amtshandlung“<lb/> dafür gesetzt. Verhandlungen 1870 I S. 430, II S. 1169; vgl. auch die Ausführungen<lb/> des Abg. <hi rendition="#g">Planck</hi> daselbst I S. 429. — Die Voraussetzung der allgemeinen Zu-<lb/> ständigkeit fehlt, wenn der Beamte aus seinem örtlichen Bezirk herausgreift, oder<lb/> in einen anderen Verwaltungszweig hinein: <hi rendition="#g">Oppenhoff,</hi> Stf.G.B. zu § 113 n. 10;<lb/><hi rendition="#g">Olshausen,</hi> Stf.G.B. zu § 113 n. 13 a; <hi rendition="#g">Binding,</hi> Stf.R. I S. 741. Desgleichen<lb/> bei <hi rendition="#g">Miſsbrauch</hi> des Amtes in eignem oder Parteiinteresse (O.Tr. 10. März 1869),<lb/> sowie bei den im engeren Sinne so genannten <hi rendition="#g">Ausschreitungen:</hi> Miſshand-<lb/> lungen und Beleidigungen gelegentlich der Amtsthätigkeit. Diese sind nicht deshalb<lb/> von der Autorität des Amtes nicht gedeckt, weil sie strafbar sind, sondern umgekehrt:<lb/> sie sind strafbar, weil sie aus der allgemeinen Natur der Amtshandlung heraus und<lb/> damit unter das gemeine Strafrecht fallen; <hi rendition="#g">Hiller,</hi> Rechtmäſsigkeit der Amtshand-<lb/> lungen S. 85, 86.</note>.<lb/> Die etwa dabei unterlaufene Rechtswidrigkeit schadet nichts, wenn sie<lb/> die Folge ist eines amtlichen Irrtums oder Befehls.</p><lb/> <p>1. Die Rechtswidrigkeit der Amtshandlung ist gedeckt, derart<lb/> daſs diese dem Widerstande gegenüber als eine rechtmäſsige gilt,<lb/> wenn die Rechtswidrigkeit nur beruht auf einem <hi rendition="#g">Irrtum,</hi> dem der<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [360/0380]
Die Polizeigewalt.
Die Amtshandlung des Vollstreckungsbeamten wird für die Frage
der Strafbarkeit des Widerstandes in gewissen Fällen noch als recht-
mäſsig angesehen, wo sie an sich nicht rechtmäſsig ist. Der Wider-
standleistende muſs bestraft werden, weil sie rechtmäſsig ist im Sinne
des § 113, und gleichwohl kann sie im Beschwerdeverfahren oder
Verwaltungsstreitverfahren angefochten und rückgängig gemacht, kann
der Staat mit einer Entschädigung belastet werden, weil sie nicht
rechtmäſsig ist.
Der Grund dieser zwiespältigen Beurteilung ist der nämliche, der
auch bei der Frage der civilrechtlichen Haftung des Beamten eine
Abweichung von den allgemeinen Grundsätzen des Deliktsrechtes er-
zeugt hat (oben § 17, I n. 1).
Die Bestrafung des Widerstandes ist angesehen als ein besonderer
Schutz, der dem handelnden Beamten gewährt wird. Dieser Schutz
wird ihm entzogen, wenn er rechtswidrig handelt. Aber im Interesse
des Dienstes selbst darf ihm nicht angerechnet werden die Rechts-
widrigkeit, der ihn gerade die Pflicht seines Amtes besonders aussetzt;
auch in dieser Beziehung trägt er, wie wir es oben ausdrückten, nicht
die Gefahr der Amtsführung. Wesentlich ist also nur, daſs es über-
haupt noch eine Amtshandlung des Vollstreckungsbeamten sei, also
innerhalb der allgemeinen Grenzen seiner Zuständigkeit sich bewege 3.
Die etwa dabei unterlaufene Rechtswidrigkeit schadet nichts, wenn sie
die Folge ist eines amtlichen Irrtums oder Befehls.
1. Die Rechtswidrigkeit der Amtshandlung ist gedeckt, derart
daſs diese dem Widerstande gegenüber als eine rechtmäſsige gilt,
wenn die Rechtswidrigkeit nur beruht auf einem Irrtum, dem der
3 Bei der zweiten Beratung des § 113 im Nordd. Reichstag hatte man be-
schlossen, die Strafbarkeit des Widerstandes allein davon abhängen zu lassen, daſs
der Beamte, „innerhalb seiner Zuständigkeit“ gehandelt habe; die dritte Lesung
hat dann ohne sachliche Begründung den Ausdruck „rechtmäſsige Amtshandlung“
dafür gesetzt. Verhandlungen 1870 I S. 430, II S. 1169; vgl. auch die Ausführungen
des Abg. Planck daselbst I S. 429. — Die Voraussetzung der allgemeinen Zu-
ständigkeit fehlt, wenn der Beamte aus seinem örtlichen Bezirk herausgreift, oder
in einen anderen Verwaltungszweig hinein: Oppenhoff, Stf.G.B. zu § 113 n. 10;
Olshausen, Stf.G.B. zu § 113 n. 13 a; Binding, Stf.R. I S. 741. Desgleichen
bei Miſsbrauch des Amtes in eignem oder Parteiinteresse (O.Tr. 10. März 1869),
sowie bei den im engeren Sinne so genannten Ausschreitungen: Miſshand-
lungen und Beleidigungen gelegentlich der Amtsthätigkeit. Diese sind nicht deshalb
von der Autorität des Amtes nicht gedeckt, weil sie strafbar sind, sondern umgekehrt:
sie sind strafbar, weil sie aus der allgemeinen Natur der Amtshandlung heraus und
damit unter das gemeine Strafrecht fallen; Hiller, Rechtmäſsigkeit der Amtshand-
lungen S. 85, 86.
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