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Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 1. Leipzig, 1895.

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Die Polizeigewalt.
namentlich die übrig gebliebenen Spuren strafbarer Handlungen
werden in dieser Weise beseitigt.

Es kann sein, dass zur Erreichung des Zweckes neben der Ersatz-
vornahme auch das erste Zwangsvollstreckungsmittel, die Ungehorsams-
strafe, möglich ist. Das Verhältnis zwischen beiden hat die Civil-
prozessordnung dahin geordnet, dass in solchen Fällen die Ungehorsams-
strafe ausgeschlossen sein soll (C.Pr.O. § 774). Das Natürliche ist,
dass alsdann die Behörde die Wahl hat zwischen beiden Mitteln, um
eines oder das andere oder auch beide nebeneinander anzuwenden.
Durch besondere Gesetzesbestimmungen kann auch die polizeiliche
Ersatzvornahme im Interesse des Betroffenen bevorzugt sein, so dass
sie unter gewissen Voraussetzungen statt der späteren Ungehorsams-
strafe ausschliesslich stattfinden soll22.

2. Das Verfahren geht aus von dem gehörig eröffneten Befehle,
die Handlung vorzunehmen. Die Einleitung geschieht durch die An-
drohung
der Ersatzvornahme im Falle des Ungehorsams. Diese
Androhung kann nach gesetzlicher Vorschrift ausdrücklich gemacht
werden müssen; sie liegt aber möglicherweise auch schon genügend
enthalten in dem Befehle selbst, der seiner Natur nach geeignet ist,
so vollstreckt zu werden23.

Auch die Verstattung einer Frist zur Selbstvornahme des Be-
fohlenen kann vorgeschrieben sein; wo nicht, ergiebt sich die Be-
lassung einer solchen als ein Gebot der Natur der Sache. Mangels
einer Bezeichnung der Dauer ist die Frist eine "moralische", d. h. von
der notdürftigen Dauer, um die Selbstvornahme noch zu ermöglichen.

22 Die Wahl geben Württemb. Ges. 12. Aug. 1879 Art. 2 Abs. 2 (Schicker,
Württemb. Pol.Stf.R. S. 80); Bad. Pol.Stf.G.B. § 30, 31 ("auch"); Hess. Ges. v.
20. Juni 1873 Art. 50 (Prov.Aussch. f. Oberhessen 10. Juni 1884; Ztschft. f. St. u.
Gem.Verw. IX S. 171). Für Sachsen: Leuthold, Sächs. V.R. S. 375. -- Bayr.
Pol.Stf.G.B. Art. 21 lässt freie Wahl nur für die erste Strafandrohung; die Wieder-
holung ist nur zulässig, wenn ein anderes Zwangsmittel, insbesondere Ersatzvor-
nahme nicht zu Gebote steht. -- Nach Preuss. L.V.G. § 132 ist statt Ungehorsams-
strafe Ersatzvornahme zu wählen, "sofern es thunlich ist". Thunlich ist aber nicht
gleichbedeutend mit möglich; es sollen Erwägungen der Zweckmässigkeit berück-
sichtigt werden wegen der Beibringbarkeit der Kosten und schonender Behandlung
der eigenen Interessen des Gezwungenen. O.V.G. 2. Okt. 1880 (Samml. VII S. 342);
21. April 1888 (Samml. XVI S. 392). -- Es ist demnach nicht richtig, wenn
G. Meyer in Wörterbuch II S. 800 die Ungehorsamsstrafe beschränkt auf Er-
zwingung von Handlungen, welche von Dritten nicht vorgenommen werden können,
und von Unterlassungen.
23 So Bayr. Pol.Stf.G.B. Art. 16 u. 21; schriftliche Androhung verlangt
Preuss. L.V.G. § 132.

Die Polizeigewalt.
namentlich die übrig gebliebenen Spuren strafbarer Handlungen
werden in dieser Weise beseitigt.

Es kann sein, daſs zur Erreichung des Zweckes neben der Ersatz-
vornahme auch das erste Zwangsvollstreckungsmittel, die Ungehorsams-
strafe, möglich ist. Das Verhältnis zwischen beiden hat die Civil-
prozeſsordnung dahin geordnet, daſs in solchen Fällen die Ungehorsams-
strafe ausgeschlossen sein soll (C.Pr.O. § 774). Das Natürliche ist,
daſs alsdann die Behörde die Wahl hat zwischen beiden Mitteln, um
eines oder das andere oder auch beide nebeneinander anzuwenden.
Durch besondere Gesetzesbestimmungen kann auch die polizeiliche
Ersatzvornahme im Interesse des Betroffenen bevorzugt sein, so daſs
sie unter gewissen Voraussetzungen statt der späteren Ungehorsams-
strafe ausschlieſslich stattfinden soll22.

2. Das Verfahren geht aus von dem gehörig eröffneten Befehle,
die Handlung vorzunehmen. Die Einleitung geschieht durch die An-
drohung
der Ersatzvornahme im Falle des Ungehorsams. Diese
Androhung kann nach gesetzlicher Vorschrift ausdrücklich gemacht
werden müssen; sie liegt aber möglicherweise auch schon genügend
enthalten in dem Befehle selbst, der seiner Natur nach geeignet ist,
so vollstreckt zu werden23.

Auch die Verstattung einer Frist zur Selbstvornahme des Be-
fohlenen kann vorgeschrieben sein; wo nicht, ergiebt sich die Be-
lassung einer solchen als ein Gebot der Natur der Sache. Mangels
einer Bezeichnung der Dauer ist die Frist eine „moralische“, d. h. von
der notdürftigen Dauer, um die Selbstvornahme noch zu ermöglichen.

22 Die Wahl geben Württemb. Ges. 12. Aug. 1879 Art. 2 Abs. 2 (Schicker,
Württemb. Pol.Stf.R. S. 80); Bad. Pol.Stf.G.B. § 30, 31 („auch“); Hess. Ges. v.
20. Juni 1873 Art. 50 (Prov.Aussch. f. Oberhessen 10. Juni 1884; Ztschft. f. St. u.
Gem.Verw. IX S. 171). Für Sachsen: Leuthold, Sächs. V.R. S. 375. — Bayr.
Pol.Stf.G.B. Art. 21 läſst freie Wahl nur für die erste Strafandrohung; die Wieder-
holung ist nur zulässig, wenn ein anderes Zwangsmittel, insbesondere Ersatzvor-
nahme nicht zu Gebote steht. — Nach Preuſs. L.V.G. § 132 ist statt Ungehorsams-
strafe Ersatzvornahme zu wählen, „sofern es thunlich ist“. Thunlich ist aber nicht
gleichbedeutend mit möglich; es sollen Erwägungen der Zweckmäſsigkeit berück-
sichtigt werden wegen der Beibringbarkeit der Kosten und schonender Behandlung
der eigenen Interessen des Gezwungenen. O.V.G. 2. Okt. 1880 (Samml. VII S. 342);
21. April 1888 (Samml. XVI S. 392). — Es ist demnach nicht richtig, wenn
G. Meyer in Wörterbuch II S. 800 die Ungehorsamsstrafe beschränkt auf Er-
zwingung von Handlungen, welche von Dritten nicht vorgenommen werden können,
und von Unterlassungen.
23 So Bayr. Pol.Stf.G.B. Art. 16 u. 21; schriftliche Androhung verlangt
Preuſs. L.V.G. § 132.
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[338/0358] Die Polizeigewalt. namentlich die übrig gebliebenen Spuren strafbarer Handlungen werden in dieser Weise beseitigt. Es kann sein, daſs zur Erreichung des Zweckes neben der Ersatz- vornahme auch das erste Zwangsvollstreckungsmittel, die Ungehorsams- strafe, möglich ist. Das Verhältnis zwischen beiden hat die Civil- prozeſsordnung dahin geordnet, daſs in solchen Fällen die Ungehorsams- strafe ausgeschlossen sein soll (C.Pr.O. § 774). Das Natürliche ist, daſs alsdann die Behörde die Wahl hat zwischen beiden Mitteln, um eines oder das andere oder auch beide nebeneinander anzuwenden. Durch besondere Gesetzesbestimmungen kann auch die polizeiliche Ersatzvornahme im Interesse des Betroffenen bevorzugt sein, so daſs sie unter gewissen Voraussetzungen statt der späteren Ungehorsams- strafe ausschlieſslich stattfinden soll 22. 2. Das Verfahren geht aus von dem gehörig eröffneten Befehle, die Handlung vorzunehmen. Die Einleitung geschieht durch die An- drohung der Ersatzvornahme im Falle des Ungehorsams. Diese Androhung kann nach gesetzlicher Vorschrift ausdrücklich gemacht werden müssen; sie liegt aber möglicherweise auch schon genügend enthalten in dem Befehle selbst, der seiner Natur nach geeignet ist, so vollstreckt zu werden 23. Auch die Verstattung einer Frist zur Selbstvornahme des Be- fohlenen kann vorgeschrieben sein; wo nicht, ergiebt sich die Be- lassung einer solchen als ein Gebot der Natur der Sache. Mangels einer Bezeichnung der Dauer ist die Frist eine „moralische“, d. h. von der notdürftigen Dauer, um die Selbstvornahme noch zu ermöglichen. 22 Die Wahl geben Württemb. Ges. 12. Aug. 1879 Art. 2 Abs. 2 (Schicker, Württemb. Pol.Stf.R. S. 80); Bad. Pol.Stf.G.B. § 30, 31 („auch“); Hess. Ges. v. 20. Juni 1873 Art. 50 (Prov.Aussch. f. Oberhessen 10. Juni 1884; Ztschft. f. St. u. Gem.Verw. IX S. 171). Für Sachsen: Leuthold, Sächs. V.R. S. 375. — Bayr. Pol.Stf.G.B. Art. 21 läſst freie Wahl nur für die erste Strafandrohung; die Wieder- holung ist nur zulässig, wenn ein anderes Zwangsmittel, insbesondere Ersatzvor- nahme nicht zu Gebote steht. — Nach Preuſs. L.V.G. § 132 ist statt Ungehorsams- strafe Ersatzvornahme zu wählen, „sofern es thunlich ist“. Thunlich ist aber nicht gleichbedeutend mit möglich; es sollen Erwägungen der Zweckmäſsigkeit berück- sichtigt werden wegen der Beibringbarkeit der Kosten und schonender Behandlung der eigenen Interessen des Gezwungenen. O.V.G. 2. Okt. 1880 (Samml. VII S. 342); 21. April 1888 (Samml. XVI S. 392). — Es ist demnach nicht richtig, wenn G. Meyer in Wörterbuch II S. 800 die Ungehorsamsstrafe beschränkt auf Er- zwingung von Handlungen, welche von Dritten nicht vorgenommen werden können, und von Unterlassungen. 23 So Bayr. Pol.Stf.G.B. Art. 16 u. 21; schriftliche Androhung verlangt Preuſs. L.V.G. § 132.

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Zitationshilfe: Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 1. Leipzig, 1895, S. 338. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_verwaltungsrecht01_1895/358>, abgerufen am 20.05.2024.