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Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 1. Leipzig, 1895.

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§ 23. Polizeiliche Zwangsvollstreckung.
durch das Gericht ermächtigt, die Handlung auf Kosten des
Schuldners vornehmen zu lassen
(C.Pr.O. § 773 ff.).

In das polizeiliche Zwangsvollstreckungsverfahren übersetzt, ge-
staltet sich dies zu der Befugnis der Behörde, ihren Befehl, welcher
auf eine derartige Handlung lautet, selbständig in dieser Weise zur
Durchführung zu bringen.

Für diese Zwangsersatzvornahme gelten folgende Regeln.

1. Die Ersatzvornahme bedarf keiner eigenen gesetz-
lichen Grundlage
. Im Gegensatz zur Ungehorsamsstrafe legt sie
keine neue Last daneben auf, welche mittelbar zur Erfüllung der
Pflicht drängte, sondern setzt nur ins Werk, was auf Grund des Be-
fehles bereits geschuldet ist. Sie prägt die Schuld nur um gemäss
den Notwendigkeiten des Zwanges: an die Stelle des einfachen Han-
delns, wie es freiwillig zu leisten wäre, setzt sie den Zwang zur Dul-
dung des Handelns und zum Ersatz der Kosten. Dass das lästiger
und nachteiliger empfunden wird, als die eigene freiwillige Erfüllung,
liegt in der Natur des Zwanges überhaupt; die Fähigkeit, in den
Zwang einfach übergeführt zu werden, ist aber im obrigkeitlichen Be-
fehl von selbst enthalten.

Die neuere Gesetzgebung hat sich auch dieses Zwangsmittels be-
mächtigt und namentlich das Verfahren dafür geordnet. Soweit sie
es nicht besonders beschränkt hat, ist es innerhalb seines natürlichen
Gebietes zulässig auch ohne Gesetz21.

Es muss sich also handeln um eine befohlene Thätigkeit, welche
statt des Pflichtigen auch durch einen Anderen verrichtet werden
kann. Den Hauptgegenstand bilden solche Fälle, wo ein äusserer Zu-
stand von Sachen in Frage ist, der geändert werden soll: polizei-
widrige Bauten und Aufstapelungen sind zu entfernen, Schutzvor-
richtungen anzubringen, störende und schädliche Dinge zu verbessern;

21 Die Gesetzgebungen gestatten dieses Zwangsmittel durchweg für alle polizei-
lichen Befehle und sonstige Auflagen und Anordnungen, die ihrem Inhalt nach
dazu geeignet sind. -- Bayr. Pol.Stf.G.B., welches ja auch mit der Ungehorsams-
strafe kargt, unterscheidet in Art. 16, 20 u. 21 Abs. 4: Beseitigung der durch eine
strafbare Handlung geschaffenen Zustände kann durch Ersatzvornahme nur ge-
schehen auf Grund gerichtlicher Verurteilung; Ersatzvornahme für Dinge, welche
jemandem unter Strafe gesetzlich geboten sind, kann als vorläufige Massregel an-
geordnet werden, aber der Kostenersatz ist abhängig von der späteren gericht-
lichen Verurteilung zur Strafe; nur bei Verfügungen zum Vollzug von Gesetzen
(und Verordnungen), deren Übertretung nicht mit Strafe bedroht ist, kann die
Ersatzvornahme von der Verwaltungsbehörde selbständig verhängt und durchgeführt
werden.
Binding, Handbuch. VI. 1: Otto Mayer, Verwaltungsr. I. 22

§ 23. Polizeiliche Zwangsvollstreckung.
durch das Gericht ermächtigt, die Handlung auf Kosten des
Schuldners vornehmen zu lassen
(C.Pr.O. § 773 ff.).

In das polizeiliche Zwangsvollstreckungsverfahren übersetzt, ge-
staltet sich dies zu der Befugnis der Behörde, ihren Befehl, welcher
auf eine derartige Handlung lautet, selbständig in dieser Weise zur
Durchführung zu bringen.

Für diese Zwangsersatzvornahme gelten folgende Regeln.

1. Die Ersatzvornahme bedarf keiner eigenen gesetz-
lichen Grundlage
. Im Gegensatz zur Ungehorsamsstrafe legt sie
keine neue Last daneben auf, welche mittelbar zur Erfüllung der
Pflicht drängte, sondern setzt nur ins Werk, was auf Grund des Be-
fehles bereits geschuldet ist. Sie prägt die Schuld nur um gemäſs
den Notwendigkeiten des Zwanges: an die Stelle des einfachen Han-
delns, wie es freiwillig zu leisten wäre, setzt sie den Zwang zur Dul-
dung des Handelns und zum Ersatz der Kosten. Daſs das lästiger
und nachteiliger empfunden wird, als die eigene freiwillige Erfüllung,
liegt in der Natur des Zwanges überhaupt; die Fähigkeit, in den
Zwang einfach übergeführt zu werden, ist aber im obrigkeitlichen Be-
fehl von selbst enthalten.

Die neuere Gesetzgebung hat sich auch dieses Zwangsmittels be-
mächtigt und namentlich das Verfahren dafür geordnet. Soweit sie
es nicht besonders beschränkt hat, ist es innerhalb seines natürlichen
Gebietes zulässig auch ohne Gesetz21.

Es muſs sich also handeln um eine befohlene Thätigkeit, welche
statt des Pflichtigen auch durch einen Anderen verrichtet werden
kann. Den Hauptgegenstand bilden solche Fälle, wo ein äuſserer Zu-
stand von Sachen in Frage ist, der geändert werden soll: polizei-
widrige Bauten und Aufstapelungen sind zu entfernen, Schutzvor-
richtungen anzubringen, störende und schädliche Dinge zu verbessern;

21 Die Gesetzgebungen gestatten dieses Zwangsmittel durchweg für alle polizei-
lichen Befehle und sonstige Auflagen und Anordnungen, die ihrem Inhalt nach
dazu geeignet sind. — Bayr. Pol.Stf.G.B., welches ja auch mit der Ungehorsams-
strafe kargt, unterscheidet in Art. 16, 20 u. 21 Abs. 4: Beseitigung der durch eine
strafbare Handlung geschaffenen Zustände kann durch Ersatzvornahme nur ge-
schehen auf Grund gerichtlicher Verurteilung; Ersatzvornahme für Dinge, welche
jemandem unter Strafe gesetzlich geboten sind, kann als vorläufige Maſsregel an-
geordnet werden, aber der Kostenersatz ist abhängig von der späteren gericht-
lichen Verurteilung zur Strafe; nur bei Verfügungen zum Vollzug von Gesetzen
(und Verordnungen), deren Übertretung nicht mit Strafe bedroht ist, kann die
Ersatzvornahme von der Verwaltungsbehörde selbständig verhängt und durchgeführt
werden.
Binding, Handbuch. VI. 1: Otto Mayer, Verwaltungsr. I. 22
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[337/0357] § 23. Polizeiliche Zwangsvollstreckung. durch das Gericht ermächtigt, die Handlung auf Kosten des Schuldners vornehmen zu lassen (C.Pr.O. § 773 ff.). In das polizeiliche Zwangsvollstreckungsverfahren übersetzt, ge- staltet sich dies zu der Befugnis der Behörde, ihren Befehl, welcher auf eine derartige Handlung lautet, selbständig in dieser Weise zur Durchführung zu bringen. Für diese Zwangsersatzvornahme gelten folgende Regeln. 1. Die Ersatzvornahme bedarf keiner eigenen gesetz- lichen Grundlage. Im Gegensatz zur Ungehorsamsstrafe legt sie keine neue Last daneben auf, welche mittelbar zur Erfüllung der Pflicht drängte, sondern setzt nur ins Werk, was auf Grund des Be- fehles bereits geschuldet ist. Sie prägt die Schuld nur um gemäſs den Notwendigkeiten des Zwanges: an die Stelle des einfachen Han- delns, wie es freiwillig zu leisten wäre, setzt sie den Zwang zur Dul- dung des Handelns und zum Ersatz der Kosten. Daſs das lästiger und nachteiliger empfunden wird, als die eigene freiwillige Erfüllung, liegt in der Natur des Zwanges überhaupt; die Fähigkeit, in den Zwang einfach übergeführt zu werden, ist aber im obrigkeitlichen Be- fehl von selbst enthalten. Die neuere Gesetzgebung hat sich auch dieses Zwangsmittels be- mächtigt und namentlich das Verfahren dafür geordnet. Soweit sie es nicht besonders beschränkt hat, ist es innerhalb seines natürlichen Gebietes zulässig auch ohne Gesetz 21. Es muſs sich also handeln um eine befohlene Thätigkeit, welche statt des Pflichtigen auch durch einen Anderen verrichtet werden kann. Den Hauptgegenstand bilden solche Fälle, wo ein äuſserer Zu- stand von Sachen in Frage ist, der geändert werden soll: polizei- widrige Bauten und Aufstapelungen sind zu entfernen, Schutzvor- richtungen anzubringen, störende und schädliche Dinge zu verbessern; 21 Die Gesetzgebungen gestatten dieses Zwangsmittel durchweg für alle polizei- lichen Befehle und sonstige Auflagen und Anordnungen, die ihrem Inhalt nach dazu geeignet sind. — Bayr. Pol.Stf.G.B., welches ja auch mit der Ungehorsams- strafe kargt, unterscheidet in Art. 16, 20 u. 21 Abs. 4: Beseitigung der durch eine strafbare Handlung geschaffenen Zustände kann durch Ersatzvornahme nur ge- schehen auf Grund gerichtlicher Verurteilung; Ersatzvornahme für Dinge, welche jemandem unter Strafe gesetzlich geboten sind, kann als vorläufige Maſsregel an- geordnet werden, aber der Kostenersatz ist abhängig von der späteren gericht- lichen Verurteilung zur Strafe; nur bei Verfügungen zum Vollzug von Gesetzen (und Verordnungen), deren Übertretung nicht mit Strafe bedroht ist, kann die Ersatzvornahme von der Verwaltungsbehörde selbständig verhängt und durchgeführt werden. Binding, Handbuch. VI. 1: Otto Mayer, Verwaltungsr. I. 22

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Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




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Zitationshilfe: Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 1. Leipzig, 1895, S. 337. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_verwaltungsrecht01_1895/357>, abgerufen am 21.05.2024.