selbstverständlich. Ihm würde aber auch genügt sein mit allgemeinen Ermächtigungen der Behörden, im Einzelfalle Strafen zu verhängen. Hier ist gemeint, dass die Strafe in Form des Rechtssatzes be- stimmt sei derart, dass die Verhängung der Strafe im Einzelfall nur Anwendung des Rechtssatzes ist, nur ein Ausspruch dessen, was durch den Rechtssatz für diesen Fall bereits gewollt ist, eine Entscheidung. Das schliesst nicht aus, dass dem richterlichen Er- messen ein gewisser Spielraum zur Anpassung des Strafmasses gelassen wird; der Akt behält auch dabei noch die Natur der Entscheidung; vgl. oben S. 100, S. 164.
Mit dieser rechtssatzmässigen Strafbestimmung verhält es sich nun im Einzelnen folgendermassen.
1. Das Gesetz pflegt auf dem Gebiete der Verwaltung und namentlich der Polizei die Schaffung von Rechtssätzen in grossem Umfange der Verordnung zu überlassen, die mit ihrer leichteren Beweglichkeit den Umständen von Zeit und Ort sich besser anpassen mag. Den Forderungen des Rechtsstaates würde es in keiner Weise widersprechen, wenn auch die Strafbestimmung dem verordnungs- mässigen Rechtssatze anheimgestellt wäre.
Allein hier wird verschieden verfahren. Soweit der Einfluss des französischen Rechtes reicht, macht das Gesetz grundsätzlich von der Übertragung der Polizeistrafbestimmung an die Verordnung keinen Gebrauch.
Die Missstände, welche vor der Revolution aus den willkürlichen Strafandrohungen der reglements sich ergaben, hatten einen so tiefen Eindruck hinterlassen, dass man bei der Neuordnung des Staatsrechts den Grundsatz nulla poena sine lege schroff in dem Sinne durch- zuführen suchte, dass der rechtssatzmässige Ausspruch der Straf- bestimmung immer durch das verfassungsmässige Gesetz selbst vor- zunehmen ist, -- also durch Gesetz im formellen und materiellen Sinne zugleich. Eine Aufstellung des Polizeistrafrechtssatzes durch die vollziehende Gewalt soll nicht stattfinden d. h. keine gesetzliche Ermächtigung dazu gegeben werden; dann wird sie von selbst un- möglich. Die Gesetzgebung hat sich im allgemeinen daran gehalten; seltene Ausnahmen kommen vor und begründen dann natürlich gültige Strafbestimmungen des Staatsoberhauptes und seiner Behörden. Denn eine rechtliche Unzulässigkeit derartiger Übertragungen besteht nicht; es ist lediglich nicht Brauch.
Die süddeutschen Polizeistrafgesetzbücher haben sich dieser An- schauung gefügt. Die Strafbestimmung erfolgt also hier stets durch Gesetz; nur die genauere Bezeichnung des Thatbestandes kann der
20*
§ 22. Die Polizeistrafe.
selbstverständlich. Ihm würde aber auch genügt sein mit allgemeinen Ermächtigungen der Behörden, im Einzelfalle Strafen zu verhängen. Hier ist gemeint, daſs die Strafe in Form des Rechtssatzes be- stimmt sei derart, daſs die Verhängung der Strafe im Einzelfall nur Anwendung des Rechtssatzes ist, nur ein Ausspruch dessen, was durch den Rechtssatz für diesen Fall bereits gewollt ist, eine Entscheidung. Das schlieſst nicht aus, daſs dem richterlichen Er- messen ein gewisser Spielraum zur Anpassung des Strafmaſses gelassen wird; der Akt behält auch dabei noch die Natur der Entscheidung; vgl. oben S. 100, S. 164.
Mit dieser rechtssatzmäſsigen Strafbestimmung verhält es sich nun im Einzelnen folgendermaſsen.
1. Das Gesetz pflegt auf dem Gebiete der Verwaltung und namentlich der Polizei die Schaffung von Rechtssätzen in groſsem Umfange der Verordnung zu überlassen, die mit ihrer leichteren Beweglichkeit den Umständen von Zeit und Ort sich besser anpassen mag. Den Forderungen des Rechtsstaates würde es in keiner Weise widersprechen, wenn auch die Strafbestimmung dem verordnungs- mäſsigen Rechtssatze anheimgestellt wäre.
Allein hier wird verschieden verfahren. Soweit der Einfluſs des französischen Rechtes reicht, macht das Gesetz grundsätzlich von der Übertragung der Polizeistrafbestimmung an die Verordnung keinen Gebrauch.
Die Miſsstände, welche vor der Revolution aus den willkürlichen Strafandrohungen der règlements sich ergaben, hatten einen so tiefen Eindruck hinterlassen, daſs man bei der Neuordnung des Staatsrechts den Grundsatz nulla poena sine lege schroff in dem Sinne durch- zuführen suchte, daſs der rechtssatzmäſsige Ausspruch der Straf- bestimmung immer durch das verfassungsmäſsige Gesetz selbst vor- zunehmen ist, — also durch Gesetz im formellen und materiellen Sinne zugleich. Eine Aufstellung des Polizeistrafrechtssatzes durch die vollziehende Gewalt soll nicht stattfinden d. h. keine gesetzliche Ermächtigung dazu gegeben werden; dann wird sie von selbst un- möglich. Die Gesetzgebung hat sich im allgemeinen daran gehalten; seltene Ausnahmen kommen vor und begründen dann natürlich gültige Strafbestimmungen des Staatsoberhauptes und seiner Behörden. Denn eine rechtliche Unzulässigkeit derartiger Übertragungen besteht nicht; es ist lediglich nicht Brauch.
Die süddeutschen Polizeistrafgesetzbücher haben sich dieser An- schauung gefügt. Die Strafbestimmung erfolgt also hier stets durch Gesetz; nur die genauere Bezeichnung des Thatbestandes kann der
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§ 22. Die Polizeistrafe.
selbstverständlich. Ihm würde aber auch genügt sein mit allgemeinen
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Hier ist gemeint, daſs die Strafe in Form des Rechtssatzes be-
stimmt sei derart, daſs die Verhängung der Strafe im Einzelfall nur
Anwendung des Rechtssatzes ist, nur ein Ausspruch dessen,
was durch den Rechtssatz für diesen Fall bereits gewollt ist, eine
Entscheidung. Das schlieſst nicht aus, daſs dem richterlichen Er-
messen ein gewisser Spielraum zur Anpassung des Strafmaſses gelassen
wird; der Akt behält auch dabei noch die Natur der Entscheidung;
vgl. oben S. 100, S. 164.
Mit dieser rechtssatzmäſsigen Strafbestimmung verhält es sich
nun im Einzelnen folgendermaſsen.
1. Das Gesetz pflegt auf dem Gebiete der Verwaltung und
namentlich der Polizei die Schaffung von Rechtssätzen in groſsem
Umfange der Verordnung zu überlassen, die mit ihrer leichteren
Beweglichkeit den Umständen von Zeit und Ort sich besser anpassen
mag. Den Forderungen des Rechtsstaates würde es in keiner Weise
widersprechen, wenn auch die Strafbestimmung dem verordnungs-
mäſsigen Rechtssatze anheimgestellt wäre.
Allein hier wird verschieden verfahren. Soweit der Einfluſs des
französischen Rechtes reicht, macht das Gesetz grundsätzlich von der
Übertragung der Polizeistrafbestimmung an die Verordnung keinen
Gebrauch.
Die Miſsstände, welche vor der Revolution aus den willkürlichen
Strafandrohungen der règlements sich ergaben, hatten einen so tiefen
Eindruck hinterlassen, daſs man bei der Neuordnung des Staatsrechts
den Grundsatz nulla poena sine lege schroff in dem Sinne durch-
zuführen suchte, daſs der rechtssatzmäſsige Ausspruch der Straf-
bestimmung immer durch das verfassungsmäſsige Gesetz selbst vor-
zunehmen ist, — also durch Gesetz im formellen und materiellen
Sinne zugleich. Eine Aufstellung des Polizeistrafrechtssatzes durch
die vollziehende Gewalt soll nicht stattfinden d. h. keine gesetzliche
Ermächtigung dazu gegeben werden; dann wird sie von selbst un-
möglich. Die Gesetzgebung hat sich im allgemeinen daran gehalten;
seltene Ausnahmen kommen vor und begründen dann natürlich gültige
Strafbestimmungen des Staatsoberhauptes und seiner Behörden. Denn
eine rechtliche Unzulässigkeit derartiger Übertragungen besteht nicht;
es ist lediglich nicht Brauch.
Die süddeutschen Polizeistrafgesetzbücher haben sich dieser An-
schauung gefügt. Die Strafbestimmung erfolgt also hier stets durch
Gesetz; nur die genauere Bezeichnung des Thatbestandes kann der
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Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 1. Leipzig, 1895, S. 307. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_verwaltungsrecht01_1895/327>, abgerufen am 22.07.2024.
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