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Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 1. Leipzig, 1895.

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§ 21. Die Polizeierlaubnis.
Unternehmen zunächst eine Frist setzt, während deren es sich er-
probt. Bejahenden Falls würde dann die Erlaubnis neu erteilt werden.
Unmöglich ist eine solche echte Befristung nicht, aber dem polizei-
lichen Zwecke würde in solchem Falle besser dadurch entsprochen,
dass die Behörde sich dauernd oder für eine gewisse Zeit oder nach
Ablauf einer gewissen Zeit den Widerruf vorbehält. Das wird
im Zweifel auch eher als gewollt anzunehmen sein. Der Unterschied
ist der, dass hier die Erlaubnis nicht von selbst erlischt, sondern erst
durch die vorbehaltene Erklärung des Widerrufs.

In beiden Formen ist die Nebenbestimmung der Befristung un-
zulässig, wenn das Gesetz oder die Verordnung über Fortbestand und
Endigung der Erlaubnis selbst Bestimmungen getroffen hat. Da-
durch sind, auch wo die Erlaubnis sonst in freiem Ermessen steht,
wenigstens in diesem Punkte willkürliche Besonderheiten aus-
geschlossen15. --

Bezüglich der Bedingung ist zunächst gleichfalls wieder auszu-
scheiden, was etwa dem Wortlaute nach sich als Bedingung giebt, in
Wirklichkeit aber nur genauere Bezeichnung des polizeilich Wesent-
lichen an dem Unternehmen enthält, wofür diesem die Genehmigung
erteilt wird. Das ist keine Nebenbestimmung und wirkt nicht als
solche, hat vielmehr Verwandtschaft mit einer conditio juris. Beispiel:
Wirtschaftserlaubnis wird erteilt unter der Bedingung, nur in dem
genehmigten Lokale davon Gebrauch zu machen16.

Von einer Bedingung würde man nur sprechen können, wenn der
Erlaubnis besondere Vorschriften hinzugefügt werden, bei deren
Nichtbeobachtung die Erlaubnis zusammenfallen und das Verbot
wieder in Kraft treten soll. Allein ein solcher civilrechtlicher Forma-
lismus passt nicht in die Polizei. Für diese gilt der oberste Grund-
satz der Verhältnismässigkeit des Eingriffs. Es kommt immer darauf
an, wie gross der Nachteil ist, der thatsächlich aus der Nichtbeob-
achtung der gegebenen Vorschriften erwächst, ob das Unternehmen
wirklich nunmehr als schädliches oder gefährliches, polizeiwidriges
aufzufassen ist; nur dann rechtfertigt sich die Unterdrückung. Das

15 Insofern die Gew.O. die Voraussetzungen der Entziehung gewerbepolizei-
licher Erlaubnis besonders geregelt hat, ist ebenso die Befristung wie der Vor-
behalt des Widerrufs ausgeschlossen: O.V.G. 18. Jan. 1882 (Samml. VIII S. 215).
16 Das sieht wie eine Resolutivbedingung aus. O.V.G. 10. Okt. 1876 erkennt
auch eine Suspensivbedingung an: Wirtschaftserlaubnis unter der Bedingung, dass
das genehmigte Lokal erst hergestellt werde. Wirkliche Bedingung ist keins von
beiden.

§ 21. Die Polizeierlaubnis.
Unternehmen zunächst eine Frist setzt, während deren es sich er-
probt. Bejahenden Falls würde dann die Erlaubnis neu erteilt werden.
Unmöglich ist eine solche echte Befristung nicht, aber dem polizei-
lichen Zwecke würde in solchem Falle besser dadurch entsprochen,
daſs die Behörde sich dauernd oder für eine gewisse Zeit oder nach
Ablauf einer gewissen Zeit den Widerruf vorbehält. Das wird
im Zweifel auch eher als gewollt anzunehmen sein. Der Unterschied
ist der, daſs hier die Erlaubnis nicht von selbst erlischt, sondern erst
durch die vorbehaltene Erklärung des Widerrufs.

In beiden Formen ist die Nebenbestimmung der Befristung un-
zulässig, wenn das Gesetz oder die Verordnung über Fortbestand und
Endigung der Erlaubnis selbst Bestimmungen getroffen hat. Da-
durch sind, auch wo die Erlaubnis sonst in freiem Ermessen steht,
wenigstens in diesem Punkte willkürliche Besonderheiten aus-
geschlossen15. —

Bezüglich der Bedingung ist zunächst gleichfalls wieder auszu-
scheiden, was etwa dem Wortlaute nach sich als Bedingung giebt, in
Wirklichkeit aber nur genauere Bezeichnung des polizeilich Wesent-
lichen an dem Unternehmen enthält, wofür diesem die Genehmigung
erteilt wird. Das ist keine Nebenbestimmung und wirkt nicht als
solche, hat vielmehr Verwandtschaft mit einer conditio juris. Beispiel:
Wirtschaftserlaubnis wird erteilt unter der Bedingung, nur in dem
genehmigten Lokale davon Gebrauch zu machen16.

Von einer Bedingung würde man nur sprechen können, wenn der
Erlaubnis besondere Vorschriften hinzugefügt werden, bei deren
Nichtbeobachtung die Erlaubnis zusammenfallen und das Verbot
wieder in Kraft treten soll. Allein ein solcher civilrechtlicher Forma-
lismus paſst nicht in die Polizei. Für diese gilt der oberste Grund-
satz der Verhältnismäſsigkeit des Eingriffs. Es kommt immer darauf
an, wie groſs der Nachteil ist, der thatsächlich aus der Nichtbeob-
achtung der gegebenen Vorschriften erwächst, ob das Unternehmen
wirklich nunmehr als schädliches oder gefährliches, polizeiwidriges
aufzufassen ist; nur dann rechtfertigt sich die Unterdrückung. Das

15 Insofern die Gew.O. die Voraussetzungen der Entziehung gewerbepolizei-
licher Erlaubnis besonders geregelt hat, ist ebenso die Befristung wie der Vor-
behalt des Widerrufs ausgeschlossen: O.V.G. 18. Jan. 1882 (Samml. VIII S. 215).
16 Das sieht wie eine Resolutivbedingung aus. O.V.G. 10. Okt. 1876 erkennt
auch eine Suspensivbedingung an: Wirtschaftserlaubnis unter der Bedingung, daſs
das genehmigte Lokal erst hergestellt werde. Wirkliche Bedingung ist keins von
beiden.
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[297/0317] § 21. Die Polizeierlaubnis. Unternehmen zunächst eine Frist setzt, während deren es sich er- probt. Bejahenden Falls würde dann die Erlaubnis neu erteilt werden. Unmöglich ist eine solche echte Befristung nicht, aber dem polizei- lichen Zwecke würde in solchem Falle besser dadurch entsprochen, daſs die Behörde sich dauernd oder für eine gewisse Zeit oder nach Ablauf einer gewissen Zeit den Widerruf vorbehält. Das wird im Zweifel auch eher als gewollt anzunehmen sein. Der Unterschied ist der, daſs hier die Erlaubnis nicht von selbst erlischt, sondern erst durch die vorbehaltene Erklärung des Widerrufs. In beiden Formen ist die Nebenbestimmung der Befristung un- zulässig, wenn das Gesetz oder die Verordnung über Fortbestand und Endigung der Erlaubnis selbst Bestimmungen getroffen hat. Da- durch sind, auch wo die Erlaubnis sonst in freiem Ermessen steht, wenigstens in diesem Punkte willkürliche Besonderheiten aus- geschlossen 15. — Bezüglich der Bedingung ist zunächst gleichfalls wieder auszu- scheiden, was etwa dem Wortlaute nach sich als Bedingung giebt, in Wirklichkeit aber nur genauere Bezeichnung des polizeilich Wesent- lichen an dem Unternehmen enthält, wofür diesem die Genehmigung erteilt wird. Das ist keine Nebenbestimmung und wirkt nicht als solche, hat vielmehr Verwandtschaft mit einer conditio juris. Beispiel: Wirtschaftserlaubnis wird erteilt unter der Bedingung, nur in dem genehmigten Lokale davon Gebrauch zu machen 16. Von einer Bedingung würde man nur sprechen können, wenn der Erlaubnis besondere Vorschriften hinzugefügt werden, bei deren Nichtbeobachtung die Erlaubnis zusammenfallen und das Verbot wieder in Kraft treten soll. Allein ein solcher civilrechtlicher Forma- lismus paſst nicht in die Polizei. Für diese gilt der oberste Grund- satz der Verhältnismäſsigkeit des Eingriffs. Es kommt immer darauf an, wie groſs der Nachteil ist, der thatsächlich aus der Nichtbeob- achtung der gegebenen Vorschriften erwächst, ob das Unternehmen wirklich nunmehr als schädliches oder gefährliches, polizeiwidriges aufzufassen ist; nur dann rechtfertigt sich die Unterdrückung. Das 15 Insofern die Gew.O. die Voraussetzungen der Entziehung gewerbepolizei- licher Erlaubnis besonders geregelt hat, ist ebenso die Befristung wie der Vor- behalt des Widerrufs ausgeschlossen: O.V.G. 18. Jan. 1882 (Samml. VIII S. 215). 16 Das sieht wie eine Resolutivbedingung aus. O.V.G. 10. Okt. 1876 erkennt auch eine Suspensivbedingung an: Wirtschaftserlaubnis unter der Bedingung, daſs das genehmigte Lokal erst hergestellt werde. Wirkliche Bedingung ist keins von beiden.

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Zitationshilfe: Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 1. Leipzig, 1895, S. 297. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_verwaltungsrecht01_1895/317>, abgerufen am 17.05.2024.