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Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 1. Leipzig, 1895.

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Die Polizeigewalt.

2. Die Wirkung des Verbotes mit Erlaubnisvorbehalt ist wieder
eine doppelte, entsprechend seinen zwei Stücken.

Das Verbot, allgemein gehalten wie es ist, schafft ein gleich-
mässiges Hindernis für das darin bezeichnete Unternehmen, die
Pflicht für jedermann, den es betrifft, ein derartiges Unternehmen
ohne weiteres nicht ins Werk zu setzen. Die Möglichkeit und selbst
die rechtliche Notwendigkeit der daneben in Aussicht gestellten Er-
laubnis vermindert die Kraft des Verbotes in keiner Weise, solange
die Erlaubnis nicht wirklich erteilt ist. Das Verbot ist formell. An
seine Übertretung knüpfen sich unbedingt die Folgen des Ungehorsams.

Der Erlaubnisvorbehalt seinerseits begründet eine Zuständig-
keit
der Behörde, für den Einzelfall das Verbot aufzuheben. Die
Wirkungen für den Unterthanen, den es angeht, sind abhängig von
der Art, wie der Rechtssatz die Voraussetzungen der Erteilung der
Erlaubnis bestimmt.

Soweit diese dem freien Ermessen der Behörde überlassen ist,
bedeutet der Vorbehalt für ihn immer nur eine Möglichkeit, eine
Aussicht, welche je nach der Umgrenzung der zu erwägenden Rück-
sichten und der äusserlichen Sachlage eine grössere oder geringere
Wahrscheinlichkeit der Erfüllung haben mag. Von einem Recht ist
keine Rede. Es kann aber auch der Fall, in welchem die Erlaubnis
zu gewähren ist, von dem Rechtssatze so genau bestimmt sein, dass
die Behörde, welche sich darüber auszusprechen hat, nur ausspricht,
was der Rechtssatz schon will, ihr Akt hat die Natur einer Ent-
scheidung. Die Form, in welcher der Ausspruch so gebunden wird,
kann die sein, dass der Rechtssatz sagt: die Erlaubnis muss in den
und den Fällen erteilt werden; oder die, dass es heisst: die Erlaubnis
darf nur in den und den Fällen verweigert werden. Die Gebunden-
heit wirkt dann wie alle rechtssatzmässige Gebundenheit zu Gunsten
des Beteiligten, sie besteht ihm gegenüber. Er kann sich darauf
berufen und sie für sich geltend machen, um die Erlaubnis zu er-
wirken. Dieser Anspruch auf die obrigkeitliche Handlung hat die
Natur eines subjektiven öffentlichen Rechtes in dem oben
(§ 9, IV n. 1) festgestellten Begriffe.

nung behielt aber der Behörde vor, den zu erlaubenden Bau nach Höhe und sonstigen
Einzelheiten jedesmal frei zu bestimmen. Das Gericht äussert Bedenken, "ob nicht
schon das schrankenlose Ermessen, welches danach die Behörde für die in jedem
einzelnen Falle zu erteilende Bauvorschrift sich selbst beilegt, der Rechtsgültigkeit
der Verordnung grundsätzlich entgegensteht". Dieser Zweifel erklärt sich einzig aus
den obigen Grundsätzen; der Erlaubnisvorbehalt war allzu scharf.
Die Polizeigewalt.

2. Die Wirkung des Verbotes mit Erlaubnisvorbehalt ist wieder
eine doppelte, entsprechend seinen zwei Stücken.

Das Verbot, allgemein gehalten wie es ist, schafft ein gleich-
mäſsiges Hindernis für das darin bezeichnete Unternehmen, die
Pflicht für jedermann, den es betrifft, ein derartiges Unternehmen
ohne weiteres nicht ins Werk zu setzen. Die Möglichkeit und selbst
die rechtliche Notwendigkeit der daneben in Aussicht gestellten Er-
laubnis vermindert die Kraft des Verbotes in keiner Weise, solange
die Erlaubnis nicht wirklich erteilt ist. Das Verbot ist formell. An
seine Übertretung knüpfen sich unbedingt die Folgen des Ungehorsams.

Der Erlaubnisvorbehalt seinerseits begründet eine Zuständig-
keit
der Behörde, für den Einzelfall das Verbot aufzuheben. Die
Wirkungen für den Unterthanen, den es angeht, sind abhängig von
der Art, wie der Rechtssatz die Voraussetzungen der Erteilung der
Erlaubnis bestimmt.

Soweit diese dem freien Ermessen der Behörde überlassen ist,
bedeutet der Vorbehalt für ihn immer nur eine Möglichkeit, eine
Aussicht, welche je nach der Umgrenzung der zu erwägenden Rück-
sichten und der äuſserlichen Sachlage eine gröſsere oder geringere
Wahrscheinlichkeit der Erfüllung haben mag. Von einem Recht ist
keine Rede. Es kann aber auch der Fall, in welchem die Erlaubnis
zu gewähren ist, von dem Rechtssatze so genau bestimmt sein, daſs
die Behörde, welche sich darüber auszusprechen hat, nur ausspricht,
was der Rechtssatz schon will, ihr Akt hat die Natur einer Ent-
scheidung. Die Form, in welcher der Ausspruch so gebunden wird,
kann die sein, daſs der Rechtssatz sagt: die Erlaubnis muſs in den
und den Fällen erteilt werden; oder die, daſs es heiſst: die Erlaubnis
darf nur in den und den Fällen verweigert werden. Die Gebunden-
heit wirkt dann wie alle rechtssatzmäſsige Gebundenheit zu Gunsten
des Beteiligten, sie besteht ihm gegenüber. Er kann sich darauf
berufen und sie für sich geltend machen, um die Erlaubnis zu er-
wirken. Dieser Anspruch auf die obrigkeitliche Handlung hat die
Natur eines subjektiven öffentlichen Rechtes in dem oben
(§ 9, IV n. 1) festgestellten Begriffe.

nung behielt aber der Behörde vor, den zu erlaubenden Bau nach Höhe und sonstigen
Einzelheiten jedesmal frei zu bestimmen. Das Gericht äuſsert Bedenken, „ob nicht
schon das schrankenlose Ermessen, welches danach die Behörde für die in jedem
einzelnen Falle zu erteilende Bauvorschrift sich selbst beilegt, der Rechtsgültigkeit
der Verordnung grundsätzlich entgegensteht“. Dieser Zweifel erklärt sich einzig aus
den obigen Grundsätzen; der Erlaubnisvorbehalt war allzu scharf.
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[290/0310] Die Polizeigewalt. 2. Die Wirkung des Verbotes mit Erlaubnisvorbehalt ist wieder eine doppelte, entsprechend seinen zwei Stücken. Das Verbot, allgemein gehalten wie es ist, schafft ein gleich- mäſsiges Hindernis für das darin bezeichnete Unternehmen, die Pflicht für jedermann, den es betrifft, ein derartiges Unternehmen ohne weiteres nicht ins Werk zu setzen. Die Möglichkeit und selbst die rechtliche Notwendigkeit der daneben in Aussicht gestellten Er- laubnis vermindert die Kraft des Verbotes in keiner Weise, solange die Erlaubnis nicht wirklich erteilt ist. Das Verbot ist formell. An seine Übertretung knüpfen sich unbedingt die Folgen des Ungehorsams. Der Erlaubnisvorbehalt seinerseits begründet eine Zuständig- keit der Behörde, für den Einzelfall das Verbot aufzuheben. Die Wirkungen für den Unterthanen, den es angeht, sind abhängig von der Art, wie der Rechtssatz die Voraussetzungen der Erteilung der Erlaubnis bestimmt. Soweit diese dem freien Ermessen der Behörde überlassen ist, bedeutet der Vorbehalt für ihn immer nur eine Möglichkeit, eine Aussicht, welche je nach der Umgrenzung der zu erwägenden Rück- sichten und der äuſserlichen Sachlage eine gröſsere oder geringere Wahrscheinlichkeit der Erfüllung haben mag. Von einem Recht ist keine Rede. Es kann aber auch der Fall, in welchem die Erlaubnis zu gewähren ist, von dem Rechtssatze so genau bestimmt sein, daſs die Behörde, welche sich darüber auszusprechen hat, nur ausspricht, was der Rechtssatz schon will, ihr Akt hat die Natur einer Ent- scheidung. Die Form, in welcher der Ausspruch so gebunden wird, kann die sein, daſs der Rechtssatz sagt: die Erlaubnis muſs in den und den Fällen erteilt werden; oder die, daſs es heiſst: die Erlaubnis darf nur in den und den Fällen verweigert werden. Die Gebunden- heit wirkt dann wie alle rechtssatzmäſsige Gebundenheit zu Gunsten des Beteiligten, sie besteht ihm gegenüber. Er kann sich darauf berufen und sie für sich geltend machen, um die Erlaubnis zu er- wirken. Dieser Anspruch auf die obrigkeitliche Handlung hat die Natur eines subjektiven öffentlichen Rechtes in dem oben (§ 9, IV n. 1) festgestellten Begriffe. 4 4 nung behielt aber der Behörde vor, den zu erlaubenden Bau nach Höhe und sonstigen Einzelheiten jedesmal frei zu bestimmen. Das Gericht äuſsert Bedenken, „ob nicht schon das schrankenlose Ermessen, welches danach die Behörde für die in jedem einzelnen Falle zu erteilende Bauvorschrift sich selbst beilegt, der Rechtsgültigkeit der Verordnung grundsätzlich entgegensteht“. Dieser Zweifel erklärt sich einzig aus den obigen Grundsätzen; der Erlaubnisvorbehalt war allzu scharf.

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Zitationshilfe: Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 1. Leipzig, 1895, S. 290. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_verwaltungsrecht01_1895/310>, abgerufen am 21.05.2024.