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Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 1. Leipzig, 1895.

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Die Polizeigewalt.
soweit es dem Willen des Aufhebenden entspricht. Im zweiten Fall sind
sie selbstverständlich rückgängig gemacht und darüber hinaus kommen
Entschädigungsansprüche und Haftungen für das Geschehene in Frage22.

2. Der Wegfall des Gegenstandes ist ein Endigungsgrund,
welcher der Polizeiverfügung eigentümlich ist. Polizeigesetz und
Polizeiverordnung bestimmen ihren Gegenstand durch den allgemeinen
Begriff, der nicht untergeht; nur seine Anwendungsfälle wechseln. Die
Polizeiverfügung dagegen hat ihren einzelnen Fall, an welchem sie
hängt und mit dessen Erledigung sie verschwindet.

Unter Umständen kann die Erledigung schon sofort gegeben sein
durch die Gehorsamsleistung, wo nämlich nur das Gebot einer ein-
maligen Handlung in Frage ist. Regelmässig bezwecken Gebote wie
Verbote die Herstellung eines dauernden Zustandes und die Aufrecht-
erhaltung desselben und wirken so lange fort, als dieser noch gestört
werden kann.

Alle Verfügungen knüpfen aber ihre Befehle an eine bestimmte
Seite der Lebensbeziehungen einer bestimmten Person. Der Gegen-
stand mag etwas sein, was dem, welchem befohlen wird, als persön-
liche Eigenschaft
anhängt: dann endigt der Einzelbefehl späte-
stens mit dessen Tode. Es kann aber auch ein trennbares Lebens-
verhältnis
der Gegenstand sein, ein Besitz, ein Unternehmen, ein
Gewerbe: dann endigt der Polizeibefehl, sobald dieses Lebensverhält-
nis von dieser Person getrennt wird. Es ist gleichgültig, wie die
Trennung erfolgt. Der Besitz kann einfach zerstört, das Gewerbe
aufgegeben sein; der Befehl, der sich daran geknüpft hatte, erlischt.
Wenn dieselbe Person später das Haus wieder aufbaut, das Ge-
werbe neu beginnt, so gilt der alte Befehl nicht für das neue Unter-
nehmen. Es muss erforderlichen Falles ein neuer Befehl gleichen
Inhalts dafür gegeben werden.

Das trennbare Lebensverhältnis kann auch auf andre übergehn;
der Befehl erlischt und geht nicht etwa auf die Nachfolger mit über.
Die Geschäftsübernehmer, die Hauskäufer treten nicht ein in die ihrem

22 Rosin, Pol.Verord. S. 199 ff., meint: im Falle der Rechtsungültigkeit könne
von einer Ausserkraftsetzung der Verordnung nicht die Rede sein; "denn was
rechtlich nicht in Kraft getreten ist, kann rechtlich auch nicht wieder ausser Kraft
gesetzt werden"; es sei also bloss der äussere Schein, der zweckmässigerweise be-
seitigt werde. Zustimmend Seydel, Bayr. St.R. III S. 594 Anm. 4. Allein auch
die ungültige Verordnung ist in Kraft und Wirksamkeit, solange und soweit ihr
nicht ein Nachprüfungsrecht entgegentritt; die Ausserkraftsetzung bedeutet also
weit mehr als eine blosse Aufklärung, die gegeben wird.

Die Polizeigewalt.
soweit es dem Willen des Aufhebenden entspricht. Im zweiten Fall sind
sie selbstverständlich rückgängig gemacht und darüber hinaus kommen
Entschädigungsansprüche und Haftungen für das Geschehene in Frage22.

2. Der Wegfall des Gegenstandes ist ein Endigungsgrund,
welcher der Polizeiverfügung eigentümlich ist. Polizeigesetz und
Polizeiverordnung bestimmen ihren Gegenstand durch den allgemeinen
Begriff, der nicht untergeht; nur seine Anwendungsfälle wechseln. Die
Polizeiverfügung dagegen hat ihren einzelnen Fall, an welchem sie
hängt und mit dessen Erledigung sie verschwindet.

Unter Umständen kann die Erledigung schon sofort gegeben sein
durch die Gehorsamsleistung, wo nämlich nur das Gebot einer ein-
maligen Handlung in Frage ist. Regelmäſsig bezwecken Gebote wie
Verbote die Herstellung eines dauernden Zustandes und die Aufrecht-
erhaltung desselben und wirken so lange fort, als dieser noch gestört
werden kann.

Alle Verfügungen knüpfen aber ihre Befehle an eine bestimmte
Seite der Lebensbeziehungen einer bestimmten Person. Der Gegen-
stand mag etwas sein, was dem, welchem befohlen wird, als persön-
liche Eigenschaft
anhängt: dann endigt der Einzelbefehl späte-
stens mit dessen Tode. Es kann aber auch ein trennbares Lebens-
verhältnis
der Gegenstand sein, ein Besitz, ein Unternehmen, ein
Gewerbe: dann endigt der Polizeibefehl, sobald dieses Lebensverhält-
nis von dieser Person getrennt wird. Es ist gleichgültig, wie die
Trennung erfolgt. Der Besitz kann einfach zerstört, das Gewerbe
aufgegeben sein; der Befehl, der sich daran geknüpft hatte, erlischt.
Wenn dieselbe Person später das Haus wieder aufbaut, das Ge-
werbe neu beginnt, so gilt der alte Befehl nicht für das neue Unter-
nehmen. Es muſs erforderlichen Falles ein neuer Befehl gleichen
Inhalts dafür gegeben werden.

Das trennbare Lebensverhältnis kann auch auf andre übergehn;
der Befehl erlischt und geht nicht etwa auf die Nachfolger mit über.
Die Geschäftsübernehmer, die Hauskäufer treten nicht ein in die ihrem

22 Rosin, Pol.Verord. S. 199 ff., meint: im Falle der Rechtsungültigkeit könne
von einer Auſserkraftsetzung der Verordnung nicht die Rede sein; „denn was
rechtlich nicht in Kraft getreten ist, kann rechtlich auch nicht wieder auſser Kraft
gesetzt werden“; es sei also bloſs der äuſsere Schein, der zweckmäſsigerweise be-
seitigt werde. Zustimmend Seydel, Bayr. St.R. III S. 594 Anm. 4. Allein auch
die ungültige Verordnung ist in Kraft und Wirksamkeit, solange und soweit ihr
nicht ein Nachprüfungsrecht entgegentritt; die Auſserkraftsetzung bedeutet also
weit mehr als eine bloſse Aufklärung, die gegeben wird.
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[286/0306] Die Polizeigewalt. soweit es dem Willen des Aufhebenden entspricht. Im zweiten Fall sind sie selbstverständlich rückgängig gemacht und darüber hinaus kommen Entschädigungsansprüche und Haftungen für das Geschehene in Frage 22. 2. Der Wegfall des Gegenstandes ist ein Endigungsgrund, welcher der Polizeiverfügung eigentümlich ist. Polizeigesetz und Polizeiverordnung bestimmen ihren Gegenstand durch den allgemeinen Begriff, der nicht untergeht; nur seine Anwendungsfälle wechseln. Die Polizeiverfügung dagegen hat ihren einzelnen Fall, an welchem sie hängt und mit dessen Erledigung sie verschwindet. Unter Umständen kann die Erledigung schon sofort gegeben sein durch die Gehorsamsleistung, wo nämlich nur das Gebot einer ein- maligen Handlung in Frage ist. Regelmäſsig bezwecken Gebote wie Verbote die Herstellung eines dauernden Zustandes und die Aufrecht- erhaltung desselben und wirken so lange fort, als dieser noch gestört werden kann. Alle Verfügungen knüpfen aber ihre Befehle an eine bestimmte Seite der Lebensbeziehungen einer bestimmten Person. Der Gegen- stand mag etwas sein, was dem, welchem befohlen wird, als persön- liche Eigenschaft anhängt: dann endigt der Einzelbefehl späte- stens mit dessen Tode. Es kann aber auch ein trennbares Lebens- verhältnis der Gegenstand sein, ein Besitz, ein Unternehmen, ein Gewerbe: dann endigt der Polizeibefehl, sobald dieses Lebensverhält- nis von dieser Person getrennt wird. Es ist gleichgültig, wie die Trennung erfolgt. Der Besitz kann einfach zerstört, das Gewerbe aufgegeben sein; der Befehl, der sich daran geknüpft hatte, erlischt. Wenn dieselbe Person später das Haus wieder aufbaut, das Ge- werbe neu beginnt, so gilt der alte Befehl nicht für das neue Unter- nehmen. Es muſs erforderlichen Falles ein neuer Befehl gleichen Inhalts dafür gegeben werden. Das trennbare Lebensverhältnis kann auch auf andre übergehn; der Befehl erlischt und geht nicht etwa auf die Nachfolger mit über. Die Geschäftsübernehmer, die Hauskäufer treten nicht ein in die ihrem 22 Rosin, Pol.Verord. S. 199 ff., meint: im Falle der Rechtsungültigkeit könne von einer Auſserkraftsetzung der Verordnung nicht die Rede sein; „denn was rechtlich nicht in Kraft getreten ist, kann rechtlich auch nicht wieder auſser Kraft gesetzt werden“; es sei also bloſs der äuſsere Schein, der zweckmäſsigerweise be- seitigt werde. Zustimmend Seydel, Bayr. St.R. III S. 594 Anm. 4. Allein auch die ungültige Verordnung ist in Kraft und Wirksamkeit, solange und soweit ihr nicht ein Nachprüfungsrecht entgegentritt; die Auſserkraftsetzung bedeutet also weit mehr als eine bloſse Aufklärung, die gegeben wird.

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Zitationshilfe: Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 1. Leipzig, 1895, S. 286. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_verwaltungsrecht01_1895/306>, abgerufen am 21.11.2024.