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Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 1. Leipzig, 1895.

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§ 20. Der Polizeibefehl.

3. Der Polizeibefehl schafft ein Rechtsverhältnis nur zwischen
dem Staat und dem Unterthanen, welchem befohlen wird, die Gehor-
samspflicht. Auf die Verhältnisse zwischen diesem und anderen Unter-
thanen äussert das mittelbar seine Wirkung, insofern etwa die andern
Vorteil daraus haben oder ihnen gegenüber civilrechtliche Verpflichtungen
nicht erfüllt werden können. Aber das ist zunächst nur reine That-
sache, sofern nicht das Gesetz selbständige rechtliche Wirkungen auch
in diesem Verhältnisse daran knüpft (oben § 11, IV n. 4), die dann
aus dem Kreise unserer Betrachtung herausfallen.

IV. Der erlassene Polizeibefehl kann auf verschiedene Weise
wieder endigen, d. h. seine Wirksamkeit verlieren. Die Endigungs-
gründe sind:

1. Die Zurücknahme und die Aufhebung. Erstere kann
bei allen Arten von Polizeibefehlen geschehen in der Form, in der sie
erlassen sind. Die Aufhebung durch die höhere staatliche Willens-
äusserung gilt bloss für Polizeiverordnungen und Polizeiverfügungen,
nicht für Polizeigesetze. Sie kann folgeweise geschehen durch die
Anordnung einer höheren Stufe, mit welcher der Befehl nicht verein-
bar ist: das Gesetz hebt widerstreitende Verordnungen auf, die obere
Verordnung die untere, soweit sie entgegensteht, die höhere Polizei-
verfügung in gleicher Weise die niedere. Die Aufhebung kann aber
auch selbständig geschehen. Dafür hat sowohl die Verordnung
als die Verfügung eine Zuständigkeitsordnung, die mit der der Zu-
ständigkeit zu eignen höheren Polizeibefehlen in Verordnung oder
Verfügung nicht notwendig zusammenfällt; Aufsichtsbehörden, Ver-
waltungsgerichte sind bestellt mit der Befugnis aufzuheben, ohne die
Befugnis, selbst zu befehlen.

Dabei kommt es nun darauf an, ob die Aufhebung nur erfolgt,
weil die aufhebende Behörde anders will, also mehr in der Art der
Aufhebung, die nur folgeweise geschieht, oder ob sie stattfindet, weil
die Verordnung oder Verfügung als rechtsungültig angesehen wird.
In beiden Fällen besteht der Befehl für die Zukunft nicht mehr. Im
letzteren Fall ist aber seine Rechtswirksamkeit auch für die Vergangen-
heit verneint. Auch im ersteren Falle können mit dem Befehl bereits ein-
getretene Wirkungen und Folgen desselben rückgängig gemacht werden,

des Polizeisergeanten, von einem polizeiverordnungswidrigen Beginnen abzulassen, als
"Gebot" und "polizeiliche Verfügung" behandelt wird. Auch der von Laband,
St.R. I S. 695, als Beispiel angeführte "mündliche Befehl" des Schutzmanns, welcher
einen Hausbesitzer zur Reinigung des Strassenpflasters auffordert, ist kein Befehl,
sondern Mahnung und Drohung mit Strafanzeige. Dass der ehemalige Unteroffizier
dabei im Befehlstone spricht, ist juristisch nicht massgebend.
§ 20. Der Polizeibefehl.

3. Der Polizeibefehl schafft ein Rechtsverhältnis nur zwischen
dem Staat und dem Unterthanen, welchem befohlen wird, die Gehor-
samspflicht. Auf die Verhältnisse zwischen diesem und anderen Unter-
thanen äuſsert das mittelbar seine Wirkung, insofern etwa die andern
Vorteil daraus haben oder ihnen gegenüber civilrechtliche Verpflichtungen
nicht erfüllt werden können. Aber das ist zunächst nur reine That-
sache, sofern nicht das Gesetz selbständige rechtliche Wirkungen auch
in diesem Verhältnisse daran knüpft (oben § 11, IV n. 4), die dann
aus dem Kreise unserer Betrachtung herausfallen.

IV. Der erlassene Polizeibefehl kann auf verschiedene Weise
wieder endigen, d. h. seine Wirksamkeit verlieren. Die Endigungs-
gründe sind:

1. Die Zurücknahme und die Aufhebung. Erstere kann
bei allen Arten von Polizeibefehlen geschehen in der Form, in der sie
erlassen sind. Die Aufhebung durch die höhere staatliche Willens-
äuſserung gilt bloſs für Polizeiverordnungen und Polizeiverfügungen,
nicht für Polizeigesetze. Sie kann folgeweise geschehen durch die
Anordnung einer höheren Stufe, mit welcher der Befehl nicht verein-
bar ist: das Gesetz hebt widerstreitende Verordnungen auf, die obere
Verordnung die untere, soweit sie entgegensteht, die höhere Polizei-
verfügung in gleicher Weise die niedere. Die Aufhebung kann aber
auch selbständig geschehen. Dafür hat sowohl die Verordnung
als die Verfügung eine Zuständigkeitsordnung, die mit der der Zu-
ständigkeit zu eignen höheren Polizeibefehlen in Verordnung oder
Verfügung nicht notwendig zusammenfällt; Aufsichtsbehörden, Ver-
waltungsgerichte sind bestellt mit der Befugnis aufzuheben, ohne die
Befugnis, selbst zu befehlen.

Dabei kommt es nun darauf an, ob die Aufhebung nur erfolgt,
weil die aufhebende Behörde anders will, also mehr in der Art der
Aufhebung, die nur folgeweise geschieht, oder ob sie stattfindet, weil
die Verordnung oder Verfügung als rechtsungültig angesehen wird.
In beiden Fällen besteht der Befehl für die Zukunft nicht mehr. Im
letzteren Fall ist aber seine Rechtswirksamkeit auch für die Vergangen-
heit verneint. Auch im ersteren Falle können mit dem Befehl bereits ein-
getretene Wirkungen und Folgen desselben rückgängig gemacht werden,

des Polizeisergeanten, von einem polizeiverordnungswidrigen Beginnen abzulassen, als
„Gebot“ und „polizeiliche Verfügung“ behandelt wird. Auch der von Laband,
St.R. I S. 695, als Beispiel angeführte „mündliche Befehl“ des Schutzmanns, welcher
einen Hausbesitzer zur Reinigung des Straſsenpflasters auffordert, ist kein Befehl,
sondern Mahnung und Drohung mit Strafanzeige. Daſs der ehemalige Unteroffizier
dabei im Befehlstone spricht, ist juristisch nicht maſsgebend.
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[285/0305] § 20. Der Polizeibefehl. 3. Der Polizeibefehl schafft ein Rechtsverhältnis nur zwischen dem Staat und dem Unterthanen, welchem befohlen wird, die Gehor- samspflicht. Auf die Verhältnisse zwischen diesem und anderen Unter- thanen äuſsert das mittelbar seine Wirkung, insofern etwa die andern Vorteil daraus haben oder ihnen gegenüber civilrechtliche Verpflichtungen nicht erfüllt werden können. Aber das ist zunächst nur reine That- sache, sofern nicht das Gesetz selbständige rechtliche Wirkungen auch in diesem Verhältnisse daran knüpft (oben § 11, IV n. 4), die dann aus dem Kreise unserer Betrachtung herausfallen. IV. Der erlassene Polizeibefehl kann auf verschiedene Weise wieder endigen, d. h. seine Wirksamkeit verlieren. Die Endigungs- gründe sind: 1. Die Zurücknahme und die Aufhebung. Erstere kann bei allen Arten von Polizeibefehlen geschehen in der Form, in der sie erlassen sind. Die Aufhebung durch die höhere staatliche Willens- äuſserung gilt bloſs für Polizeiverordnungen und Polizeiverfügungen, nicht für Polizeigesetze. Sie kann folgeweise geschehen durch die Anordnung einer höheren Stufe, mit welcher der Befehl nicht verein- bar ist: das Gesetz hebt widerstreitende Verordnungen auf, die obere Verordnung die untere, soweit sie entgegensteht, die höhere Polizei- verfügung in gleicher Weise die niedere. Die Aufhebung kann aber auch selbständig geschehen. Dafür hat sowohl die Verordnung als die Verfügung eine Zuständigkeitsordnung, die mit der der Zu- ständigkeit zu eignen höheren Polizeibefehlen in Verordnung oder Verfügung nicht notwendig zusammenfällt; Aufsichtsbehörden, Ver- waltungsgerichte sind bestellt mit der Befugnis aufzuheben, ohne die Befugnis, selbst zu befehlen. Dabei kommt es nun darauf an, ob die Aufhebung nur erfolgt, weil die aufhebende Behörde anders will, also mehr in der Art der Aufhebung, die nur folgeweise geschieht, oder ob sie stattfindet, weil die Verordnung oder Verfügung als rechtsungültig angesehen wird. In beiden Fällen besteht der Befehl für die Zukunft nicht mehr. Im letzteren Fall ist aber seine Rechtswirksamkeit auch für die Vergangen- heit verneint. Auch im ersteren Falle können mit dem Befehl bereits ein- getretene Wirkungen und Folgen desselben rückgängig gemacht werden, 21 21 des Polizeisergeanten, von einem polizeiverordnungswidrigen Beginnen abzulassen, als „Gebot“ und „polizeiliche Verfügung“ behandelt wird. Auch der von Laband, St.R. I S. 695, als Beispiel angeführte „mündliche Befehl“ des Schutzmanns, welcher einen Hausbesitzer zur Reinigung des Straſsenpflasters auffordert, ist kein Befehl, sondern Mahnung und Drohung mit Strafanzeige. Daſs der ehemalige Unteroffizier dabei im Befehlstone spricht, ist juristisch nicht maſsgebend.

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Zitationshilfe: Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 1. Leipzig, 1895, S. 285. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_verwaltungsrecht01_1895/305>, abgerufen am 21.11.2024.