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Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 1. Leipzig, 1895.

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Der Rechtsschutz in Verwaltungssachen.
stimmung einigermassen der garantie constitutionnelle; sie unter-
scheidet sich immer noch davon, insofern sie die Unzuständigkeit des
Gerichts statt der Unzulässigkeit der Klage begründet und insofern
als mit dem Ausspruch der Verwaltungsbehörde eine Entscheidung
nach Rechtsgrundsätzen gemeint ist, statt einer Erlaubnis nach Gut-
dünken.

Das Ges. v. 13. Febr. 1854 stellt in letzterem Punkte Über-
einstimmung her: die gerichtliche Verfolgung eines Civil- oder Militär-
beamten wegen Amtshandlungen kann von der oberen Behörde ge-
hemmt werden durch die Erhebung des Konflikts. Der Kompetenz-
konfliktshof befindet alsdann, ob dem Beamten "eine zur gerichtlichen
Verfolgung geeignete Überschreitung seiner Amtsbefugnisse oder
Unterlassung einer ihr obliegenden Amtshandlung zur Last fällt", und
eröffnet je nachdem den Rechtsweg oder verschliesst ihn21.

2. In diese Rechtszustände greift nun die Reichs-Justizgesetzgebung
hinein mit den schwer erkämpften Bestimmungen des § 11 E.G. zu
G.V.G.: die Zulässigkeit der gerichtlichen Verfolgung von Beamten
kann an eine reichsgesetzlich reglementierte Vorentscheidung
gebunden, sonst aber von der Landesgesetzgebung nicht beschränkt
werden. Diese Vorentscheidung vertritt die Stelle der französisch-
rechtlichen Verfolgungserlaubnis nach der garantie constitutionnelle,
alle Arten der letzteren sind im übrigen durch diesen § 11 aus-
geschlossen.

Nicht getroffen von § 11 sind landesgesetzliche Bestimmungen,
welche im Sinne des anderen Grundsatzes des französischen Rechtes
die Gerichte für unzuständig erklären, über die Frage der Rechts-
gültigkeit des Verwaltungsaktes zu erkennen und damit ein Aussetzen
des Verfahrens nötig machen. Allein diese Bestimmungen stehen da-
für im Widerspruch mit § 139 C.Pr.O., wonach das Gericht nur aus-

Ressortverh. S. 360 Note 135. Der § 6 ist aber in dem obigen Sinne gemeint;
wenn das Gericht nur aussetzt, statt sich für unzuständig zu erklären, ist Kom-
petenzkonflikt zu erheben; Oppenhoff, Ressortverh. S. 480 Note 63. -- Vgl. auch
C.C.H. 16. Dez. 1854 (J.M.Bl. 1855 S. 51); 6. Okt. 1855 (J.M.Bl. 1855 S. 411); R.G.
16. Febr. 1888 (Samml. 20 S. 301). Man hat diese bedingte Zuständigkeit des Ge-
richts als in der Natur der Sache liegend über die Fälle des Schadensersatz-
anspruches aus polizeilichen Verfügungen hinaus zur Anwendung gebracht z. B.
auf solche Klagen gegen Militärpersonen; C.C.H. 3. Juni 1848 bei Sydow, Zu-
lässigkeit des Rechtswegs S. 65.
21 Dieser Konflikt ist natürlich etwas ganz anderes als der Kompetenzkonflikt
und führte besser einen anderen Namen; C.C.H. 6. Okt. 1855 (Kossmann II S. 16);
O.V.G. 15. Febr. 1882, 24. Jan. 1885. Vermengung in der Ausdrucksweise bei C.C.H.
11. Dez. 1858 (J.M.Bl. 1864 S. 92).

Der Rechtsschutz in Verwaltungssachen.
stimmung einigermaſsen der garantie constitutionnelle; sie unter-
scheidet sich immer noch davon, insofern sie die Unzuständigkeit des
Gerichts statt der Unzulässigkeit der Klage begründet und insofern
als mit dem Ausspruch der Verwaltungsbehörde eine Entscheidung
nach Rechtsgrundsätzen gemeint ist, statt einer Erlaubnis nach Gut-
dünken.

Das Ges. v. 13. Febr. 1854 stellt in letzterem Punkte Über-
einstimmung her: die gerichtliche Verfolgung eines Civil- oder Militär-
beamten wegen Amtshandlungen kann von der oberen Behörde ge-
hemmt werden durch die Erhebung des Konflikts. Der Kompetenz-
konfliktshof befindet alsdann, ob dem Beamten „eine zur gerichtlichen
Verfolgung geeignete Überschreitung seiner Amtsbefugnisse oder
Unterlassung einer ihr obliegenden Amtshandlung zur Last fällt“, und
eröffnet je nachdem den Rechtsweg oder verschlieſst ihn21.

2. In diese Rechtszustände greift nun die Reichs-Justizgesetzgebung
hinein mit den schwer erkämpften Bestimmungen des § 11 E.G. zu
G.V.G.: die Zulässigkeit der gerichtlichen Verfolgung von Beamten
kann an eine reichsgesetzlich reglementierte Vorentscheidung
gebunden, sonst aber von der Landesgesetzgebung nicht beschränkt
werden. Diese Vorentscheidung vertritt die Stelle der französisch-
rechtlichen Verfolgungserlaubnis nach der garantie constitutionnelle,
alle Arten der letzteren sind im übrigen durch diesen § 11 aus-
geschlossen.

Nicht getroffen von § 11 sind landesgesetzliche Bestimmungen,
welche im Sinne des anderen Grundsatzes des französischen Rechtes
die Gerichte für unzuständig erklären, über die Frage der Rechts-
gültigkeit des Verwaltungsaktes zu erkennen und damit ein Aussetzen
des Verfahrens nötig machen. Allein diese Bestimmungen stehen da-
für im Widerspruch mit § 139 C.Pr.O., wonach das Gericht nur aus-

Ressortverh. S. 360 Note 135. Der § 6 ist aber in dem obigen Sinne gemeint;
wenn das Gericht nur aussetzt, statt sich für unzuständig zu erklären, ist Kom-
petenzkonflikt zu erheben; Oppenhoff, Ressortverh. S. 480 Note 63. — Vgl. auch
C.C.H. 16. Dez. 1854 (J.M.Bl. 1855 S. 51); 6. Okt. 1855 (J.M.Bl. 1855 S. 411); R.G.
16. Febr. 1888 (Samml. 20 S. 301). Man hat diese bedingte Zuständigkeit des Ge-
richts als in der Natur der Sache liegend über die Fälle des Schadensersatz-
anspruches aus polizeilichen Verfügungen hinaus zur Anwendung gebracht z. B.
auf solche Klagen gegen Militärpersonen; C.C.H. 3. Juni 1848 bei Sydow, Zu-
lässigkeit des Rechtswegs S. 65.
21 Dieser Konflikt ist natürlich etwas ganz anderes als der Kompetenzkonflikt
und führte besser einen anderen Namen; C.C.H. 6. Okt. 1855 (Koſsmann II S. 16);
O.V.G. 15. Febr. 1882, 24. Jan. 1885. Vermengung in der Ausdrucksweise bei C.C.H.
11. Dez. 1858 (J.M.Bl. 1864 S. 92).
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[236/0256] Der Rechtsschutz in Verwaltungssachen. stimmung einigermaſsen der garantie constitutionnelle; sie unter- scheidet sich immer noch davon, insofern sie die Unzuständigkeit des Gerichts statt der Unzulässigkeit der Klage begründet und insofern als mit dem Ausspruch der Verwaltungsbehörde eine Entscheidung nach Rechtsgrundsätzen gemeint ist, statt einer Erlaubnis nach Gut- dünken. Das Ges. v. 13. Febr. 1854 stellt in letzterem Punkte Über- einstimmung her: die gerichtliche Verfolgung eines Civil- oder Militär- beamten wegen Amtshandlungen kann von der oberen Behörde ge- hemmt werden durch die Erhebung des Konflikts. Der Kompetenz- konfliktshof befindet alsdann, ob dem Beamten „eine zur gerichtlichen Verfolgung geeignete Überschreitung seiner Amtsbefugnisse oder Unterlassung einer ihr obliegenden Amtshandlung zur Last fällt“, und eröffnet je nachdem den Rechtsweg oder verschlieſst ihn 21. 2. In diese Rechtszustände greift nun die Reichs-Justizgesetzgebung hinein mit den schwer erkämpften Bestimmungen des § 11 E.G. zu G.V.G.: die Zulässigkeit der gerichtlichen Verfolgung von Beamten kann an eine reichsgesetzlich reglementierte Vorentscheidung gebunden, sonst aber von der Landesgesetzgebung nicht beschränkt werden. Diese Vorentscheidung vertritt die Stelle der französisch- rechtlichen Verfolgungserlaubnis nach der garantie constitutionnelle, alle Arten der letzteren sind im übrigen durch diesen § 11 aus- geschlossen. Nicht getroffen von § 11 sind landesgesetzliche Bestimmungen, welche im Sinne des anderen Grundsatzes des französischen Rechtes die Gerichte für unzuständig erklären, über die Frage der Rechts- gültigkeit des Verwaltungsaktes zu erkennen und damit ein Aussetzen des Verfahrens nötig machen. Allein diese Bestimmungen stehen da- für im Widerspruch mit § 139 C.Pr.O., wonach das Gericht nur aus- 20 21 Dieser Konflikt ist natürlich etwas ganz anderes als der Kompetenzkonflikt und führte besser einen anderen Namen; C.C.H. 6. Okt. 1855 (Koſsmann II S. 16); O.V.G. 15. Febr. 1882, 24. Jan. 1885. Vermengung in der Ausdrucksweise bei C.C.H. 11. Dez. 1858 (J.M.Bl. 1864 S. 92). 20 Ressortverh. S. 360 Note 135. Der § 6 ist aber in dem obigen Sinne gemeint; wenn das Gericht nur aussetzt, statt sich für unzuständig zu erklären, ist Kom- petenzkonflikt zu erheben; Oppenhoff, Ressortverh. S. 480 Note 63. — Vgl. auch C.C.H. 16. Dez. 1854 (J.M.Bl. 1855 S. 51); 6. Okt. 1855 (J.M.Bl. 1855 S. 411); R.G. 16. Febr. 1888 (Samml. 20 S. 301). Man hat diese bedingte Zuständigkeit des Ge- richts als in der Natur der Sache liegend über die Fälle des Schadensersatz- anspruches aus polizeilichen Verfügungen hinaus zur Anwendung gebracht z. B. auf solche Klagen gegen Militärpersonen; C.C.H. 3. Juni 1848 bei Sydow, Zu- lässigkeit des Rechtswegs S. 65.

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Zitationshilfe: Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 1. Leipzig, 1895, S. 236. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_verwaltungsrecht01_1895/256>, abgerufen am 23.12.2024.