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Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 1. Leipzig, 1895.

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Der Rechtsschutz in Verwaltungssachen.

Die Parteien im unterbrochenen Prozess werden in
dem Kompetenzkonfliktsverfahren auf diesen Titel hin zugezogen; aber
sie sind deshalb nicht Parteien für dieses Verfahren. Sie haben nicht
einmal eine richtige Parteirolle darin; sie sind nur beteiligte Zu-
schauer des eigentlichen Streites, etwa wie die betroffenen Grundbesitzer
bei einem Streite über die Gemeindegrenzen26.

Die eigentlichen Streitsteile, diejenigen, auf welche die Ent-
scheidung wirken soll, sind in der That die Verwaltung einer-
seits, die Justiz andererseits; über ihre Machtgrenzen wird ge-
sprochen. Aber Verwaltung und Justiz sind keine Rechtssubjekte. Es
ist also auch niemand da, für welchen die Entscheidung Rechtskraft
erhalten könnte. Damit ist allerdings nur gesagt, dass niemand ein
Recht erwirkt auf Unabänderlichkeit der Entscheidung. Unabänder-
lich ist sie von selbst durch die Ordnung der Behörden im öffent-
lichen Interesse. Damit ist ferner nur gesagt, dass die Entscheidung
nicht die eigentümliche Natur eines Urteils an sich trage. Sie bleibt
deshalb doch ein obrigkeitlicher Akt, der Gewalt hat, seinen Gegen-
stand bindend zu ordnen für jedermann, insbesondere für den ganzen
Kreis der unter den Kompetenzkonfliktshof gestellten Behörden. Ihrer
rechtlichen Natur nach ist sie dem Kassationsausspruch vergleichbar,
der auch seinerseits nichts von materieller Rechtskraft besitzt und
doch als Ausübung der obersten Aufsichtsgewalt in der wirksamsten
Weise in die Justiz eingreift.

4. Die Entscheidung lautet entweder dahin, dass der Rechtsweg
unzulässig
sei oder dahin, dass der Rechtsweg zulässig sei.

Im ersteren Falle bedeutet sie nicht etwa nur eine Wieder-
herstellung des Rechtes der Verwaltung, sich in ihrer Zuständigkeit
zu behaupten durch Nichtanerkennung des sie verletzenden Aktes.
Vielmehr soll die ganze Störung verhütet werden durch einen Eingriff
in die Justiz. Es wird festgestellt, dass, was sie auf Grund der An-
nahme ihrer Zuständigkeit in dieser Sache entscheidet, rechtswidrig
ist, mit der Wirkung der Nichtigkeit des bereits ergangenen Urteils

26 Oppenhoff, Ressortverh. S. 472 Note 11; Loening, V.R. S. 792
Note 3. Wach, C.Pr.R. I S. 106 Note, glaubt Parteien annehmen zu müssen,
weil sonst nicht zu erklären wäre, wie die Entscheidung wirke für die ursprüng-
lichen Parteien und die Behörden; allein auch Beschlüsse und Verwaltungsakte
wirken. -- Nach französischem Recht war es lange zweifelhaft, ob die ursprüng-
lichen Parteien überhaupt gehört werden könnten; Block, Dict. Vo conflit,
n. 136, 137.
Der Rechtsschutz in Verwaltungssachen.

Die Parteien im unterbrochenen Prozeſs werden in
dem Kompetenzkonfliktsverfahren auf diesen Titel hin zugezogen; aber
sie sind deshalb nicht Parteien für dieses Verfahren. Sie haben nicht
einmal eine richtige Parteirolle darin; sie sind nur beteiligte Zu-
schauer des eigentlichen Streites, etwa wie die betroffenen Grundbesitzer
bei einem Streite über die Gemeindegrenzen26.

Die eigentlichen Streitsteile, diejenigen, auf welche die Ent-
scheidung wirken soll, sind in der That die Verwaltung einer-
seits, die Justiz andererseits; über ihre Machtgrenzen wird ge-
sprochen. Aber Verwaltung und Justiz sind keine Rechtssubjekte. Es
ist also auch niemand da, für welchen die Entscheidung Rechtskraft
erhalten könnte. Damit ist allerdings nur gesagt, daſs niemand ein
Recht erwirkt auf Unabänderlichkeit der Entscheidung. Unabänder-
lich ist sie von selbst durch die Ordnung der Behörden im öffent-
lichen Interesse. Damit ist ferner nur gesagt, daſs die Entscheidung
nicht die eigentümliche Natur eines Urteils an sich trage. Sie bleibt
deshalb doch ein obrigkeitlicher Akt, der Gewalt hat, seinen Gegen-
stand bindend zu ordnen für jedermann, insbesondere für den ganzen
Kreis der unter den Kompetenzkonfliktshof gestellten Behörden. Ihrer
rechtlichen Natur nach ist sie dem Kassationsausspruch vergleichbar,
der auch seinerseits nichts von materieller Rechtskraft besitzt und
doch als Ausübung der obersten Aufsichtsgewalt in der wirksamsten
Weise in die Justiz eingreift.

4. Die Entscheidung lautet entweder dahin, daſs der Rechtsweg
unzulässig
sei oder dahin, daſs der Rechtsweg zulässig sei.

Im ersteren Falle bedeutet sie nicht etwa nur eine Wieder-
herstellung des Rechtes der Verwaltung, sich in ihrer Zuständigkeit
zu behaupten durch Nichtanerkennung des sie verletzenden Aktes.
Vielmehr soll die ganze Störung verhütet werden durch einen Eingriff
in die Justiz. Es wird festgestellt, daſs, was sie auf Grund der An-
nahme ihrer Zuständigkeit in dieser Sache entscheidet, rechtswidrig
ist, mit der Wirkung der Nichtigkeit des bereits ergangenen Urteils

26 Oppenhoff, Ressortverh. S. 472 Note 11; Loening, V.R. S. 792
Note 3. Wach, C.Pr.R. I S. 106 Note, glaubt Parteien annehmen zu müssen,
weil sonst nicht zu erklären wäre, wie die Entscheidung wirke für die ursprüng-
lichen Parteien und die Behörden; allein auch Beschlüsse und Verwaltungsakte
wirken. — Nach französischem Recht war es lange zweifelhaft, ob die ursprüng-
lichen Parteien überhaupt gehört werden könnten; Block, Dict. Vo conflit,
n. 136, 137.
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[224/0244] Der Rechtsschutz in Verwaltungssachen. Die Parteien im unterbrochenen Prozeſs werden in dem Kompetenzkonfliktsverfahren auf diesen Titel hin zugezogen; aber sie sind deshalb nicht Parteien für dieses Verfahren. Sie haben nicht einmal eine richtige Parteirolle darin; sie sind nur beteiligte Zu- schauer des eigentlichen Streites, etwa wie die betroffenen Grundbesitzer bei einem Streite über die Gemeindegrenzen 26. Die eigentlichen Streitsteile, diejenigen, auf welche die Ent- scheidung wirken soll, sind in der That die Verwaltung einer- seits, die Justiz andererseits; über ihre Machtgrenzen wird ge- sprochen. Aber Verwaltung und Justiz sind keine Rechtssubjekte. Es ist also auch niemand da, für welchen die Entscheidung Rechtskraft erhalten könnte. Damit ist allerdings nur gesagt, daſs niemand ein Recht erwirkt auf Unabänderlichkeit der Entscheidung. Unabänder- lich ist sie von selbst durch die Ordnung der Behörden im öffent- lichen Interesse. Damit ist ferner nur gesagt, daſs die Entscheidung nicht die eigentümliche Natur eines Urteils an sich trage. Sie bleibt deshalb doch ein obrigkeitlicher Akt, der Gewalt hat, seinen Gegen- stand bindend zu ordnen für jedermann, insbesondere für den ganzen Kreis der unter den Kompetenzkonfliktshof gestellten Behörden. Ihrer rechtlichen Natur nach ist sie dem Kassationsausspruch vergleichbar, der auch seinerseits nichts von materieller Rechtskraft besitzt und doch als Ausübung der obersten Aufsichtsgewalt in der wirksamsten Weise in die Justiz eingreift. 4. Die Entscheidung lautet entweder dahin, daſs der Rechtsweg unzulässig sei oder dahin, daſs der Rechtsweg zulässig sei. Im ersteren Falle bedeutet sie nicht etwa nur eine Wieder- herstellung des Rechtes der Verwaltung, sich in ihrer Zuständigkeit zu behaupten durch Nichtanerkennung des sie verletzenden Aktes. Vielmehr soll die ganze Störung verhütet werden durch einen Eingriff in die Justiz. Es wird festgestellt, daſs, was sie auf Grund der An- nahme ihrer Zuständigkeit in dieser Sache entscheidet, rechtswidrig ist, mit der Wirkung der Nichtigkeit des bereits ergangenen Urteils 26 Oppenhoff, Ressortverh. S. 472 Note 11; Loening, V.R. S. 792 Note 3. Wach, C.Pr.R. I S. 106 Note, glaubt Parteien annehmen zu müssen, weil sonst nicht zu erklären wäre, wie die Entscheidung wirke für die ursprüng- lichen Parteien und die Behörden; allein auch Beschlüsse und Verwaltungsakte wirken. — Nach französischem Recht war es lange zweifelhaft, ob die ursprüng- lichen Parteien überhaupt gehört werden könnten; Block, Dict. Vo conflit, n. 136, 137.

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Zitationshilfe: Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 1. Leipzig, 1895, S. 224. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_verwaltungsrecht01_1895/244>, abgerufen am 02.05.2024.