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Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 1. Leipzig, 1895.

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§ 16. Zuständigkeit der Civilgerichte.
Verwaltungsbehörde, die gesetzlich mit der Vertretung dieses Interesses
betraut ist, und richtet sich gegen die ganze Justiz, nicht gegen das
zur Zeit befasste Gericht allein23.

Dafür muss eine zeitliche Schranke gesetzt sein. Der
Kompetenzkonflikt ist ausgeschlossen gegenüber einem rechtskräftigen
Urteil des Civilgerichts. Das folgt nicht notwendig aus dem Wesen
der Rechtskraft; dieser Zeitpunkt ist vom Gesetz nur als der geeig-
netste gewählt24. Nachdem man ihn gewählt hat, ist es andererseits
auch notwendig gewesen, den Beginn der Zulässigkeit des Kompetenz-
konflikts möglichst weit vorzuverlegen, weil sonst die Geltendmachung
allzurasch vereitelt werden könnte: es genügt, dass das Gericht mit
der Sache befasst worden ist oder dass es einen Ausspruch über seine
Zuständigkeit gethan habe. Auch die Bestimmung dieses Punktes ist
Zweckmässigkeitssache25.

3. Die Wirkung des erhobenen Kompetenzkonflikts ist die Unter-
brechung des gerichtlichen Verfahrens bis zur Entscheidung über den
Konflikt durch die dafür bestellte Behörde, den Kompetenz-
konfliktshof
. Die Entscheidung erfolgt nach Anhörung der Be-
teiligten in ihren schriftlichen Äusserungen: Denkschriften der antrag-
stellenden Verwaltungsbehörde und ihrer Centralstelle, Gutachten des
befassten Gerichts und seines Obergerichts, Schriftsätze der Parteien
des unterbrochenen Prozesses; schliesslich findet noch eine öffentliche
mündliche Verhandlung statt, in welcher ein besonders beauftragter
Vertreter der Verwaltung, die ursprünglichen Parteien, sowie der
etwaige Staatsanwalt an der entscheidenden Behörde zu Worte kommen.

Aber trotz dieser zahlreichen Beteiligung hat der Kompetenz-
konfliktshof in seinem Verfahren keine Parteien vor sich. Die ver-
schiedenen Beamten, welche ihm schriftlich und mündlich ihre An-
sichten und Anträge vortragen, sind es nicht; sie sind nicht die
Rechtssubjekte, auf welche die Entscheidung wirkt. Zum Teil haben
sie eine Parteirolle zu führen, die im Interesse des Verfahrens ge-
ordnet ist wie die des Staatsanwalts im Strafprozess; zum Teil auch
das nicht.

23 Nadbyl in Wörterbuch I S. 814. Wenn gesagt wird, dass es sich dabei
um eine "Entscheidung zwischen Gerichten und Verwaltungsbehörden" und "über
eine Streitigkeit zwischen ihnen" handele (G.V.G. § 17 Abs. 2; Struckmann
u. Koch, Preuss. Ausf.Ges. S. 521), so ist das nur ein Gleichnis; das sind
keine Parteien.
24 Deshalb ist es auch gleichgültig, ob er unlogisch gewählt ist, wie
v. Sarwey, Öff. R. u. V.R.Pfl. S. 680, behauptet.
25 O.V.G. 28. März 1868; Seydel, Bayr. St.R. II S. 549 ff.

§ 16. Zuständigkeit der Civilgerichte.
Verwaltungsbehörde, die gesetzlich mit der Vertretung dieses Interesses
betraut ist, und richtet sich gegen die ganze Justiz, nicht gegen das
zur Zeit befaſste Gericht allein23.

Dafür muſs eine zeitliche Schranke gesetzt sein. Der
Kompetenzkonflikt ist ausgeschlossen gegenüber einem rechtskräftigen
Urteil des Civilgerichts. Das folgt nicht notwendig aus dem Wesen
der Rechtskraft; dieser Zeitpunkt ist vom Gesetz nur als der geeig-
netste gewählt24. Nachdem man ihn gewählt hat, ist es andererseits
auch notwendig gewesen, den Beginn der Zulässigkeit des Kompetenz-
konflikts möglichst weit vorzuverlegen, weil sonst die Geltendmachung
allzurasch vereitelt werden könnte: es genügt, daſs das Gericht mit
der Sache befaſst worden ist oder daſs es einen Ausspruch über seine
Zuständigkeit gethan habe. Auch die Bestimmung dieses Punktes ist
Zweckmäſsigkeitssache25.

3. Die Wirkung des erhobenen Kompetenzkonflikts ist die Unter-
brechung des gerichtlichen Verfahrens bis zur Entscheidung über den
Konflikt durch die dafür bestellte Behörde, den Kompetenz-
konfliktshof
. Die Entscheidung erfolgt nach Anhörung der Be-
teiligten in ihren schriftlichen Äuſserungen: Denkschriften der antrag-
stellenden Verwaltungsbehörde und ihrer Centralstelle, Gutachten des
befaſsten Gerichts und seines Obergerichts, Schriftsätze der Parteien
des unterbrochenen Prozesses; schlieſslich findet noch eine öffentliche
mündliche Verhandlung statt, in welcher ein besonders beauftragter
Vertreter der Verwaltung, die ursprünglichen Parteien, sowie der
etwaige Staatsanwalt an der entscheidenden Behörde zu Worte kommen.

Aber trotz dieser zahlreichen Beteiligung hat der Kompetenz-
konfliktshof in seinem Verfahren keine Parteien vor sich. Die ver-
schiedenen Beamten, welche ihm schriftlich und mündlich ihre An-
sichten und Anträge vortragen, sind es nicht; sie sind nicht die
Rechtssubjekte, auf welche die Entscheidung wirkt. Zum Teil haben
sie eine Parteirolle zu führen, die im Interesse des Verfahrens ge-
ordnet ist wie die des Staatsanwalts im Strafprozeſs; zum Teil auch
das nicht.

23 Nadbyl in Wörterbuch I S. 814. Wenn gesagt wird, daſs es sich dabei
um eine „Entscheidung zwischen Gerichten und Verwaltungsbehörden“ und „über
eine Streitigkeit zwischen ihnen“ handele (G.V.G. § 17 Abs. 2; Struckmann
u. Koch, Preuſs. Ausf.Ges. S. 521), so ist das nur ein Gleichnis; das sind
keine Parteien.
24 Deshalb ist es auch gleichgültig, ob er unlogisch gewählt ist, wie
v. Sarwey, Öff. R. u. V.R.Pfl. S. 680, behauptet.
25 O.V.G. 28. März 1868; Seydel, Bayr. St.R. II S. 549 ff.
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[223/0243] § 16. Zuständigkeit der Civilgerichte. Verwaltungsbehörde, die gesetzlich mit der Vertretung dieses Interesses betraut ist, und richtet sich gegen die ganze Justiz, nicht gegen das zur Zeit befaſste Gericht allein 23. Dafür muſs eine zeitliche Schranke gesetzt sein. Der Kompetenzkonflikt ist ausgeschlossen gegenüber einem rechtskräftigen Urteil des Civilgerichts. Das folgt nicht notwendig aus dem Wesen der Rechtskraft; dieser Zeitpunkt ist vom Gesetz nur als der geeig- netste gewählt 24. Nachdem man ihn gewählt hat, ist es andererseits auch notwendig gewesen, den Beginn der Zulässigkeit des Kompetenz- konflikts möglichst weit vorzuverlegen, weil sonst die Geltendmachung allzurasch vereitelt werden könnte: es genügt, daſs das Gericht mit der Sache befaſst worden ist oder daſs es einen Ausspruch über seine Zuständigkeit gethan habe. Auch die Bestimmung dieses Punktes ist Zweckmäſsigkeitssache 25. 3. Die Wirkung des erhobenen Kompetenzkonflikts ist die Unter- brechung des gerichtlichen Verfahrens bis zur Entscheidung über den Konflikt durch die dafür bestellte Behörde, den Kompetenz- konfliktshof. Die Entscheidung erfolgt nach Anhörung der Be- teiligten in ihren schriftlichen Äuſserungen: Denkschriften der antrag- stellenden Verwaltungsbehörde und ihrer Centralstelle, Gutachten des befaſsten Gerichts und seines Obergerichts, Schriftsätze der Parteien des unterbrochenen Prozesses; schlieſslich findet noch eine öffentliche mündliche Verhandlung statt, in welcher ein besonders beauftragter Vertreter der Verwaltung, die ursprünglichen Parteien, sowie der etwaige Staatsanwalt an der entscheidenden Behörde zu Worte kommen. Aber trotz dieser zahlreichen Beteiligung hat der Kompetenz- konfliktshof in seinem Verfahren keine Parteien vor sich. Die ver- schiedenen Beamten, welche ihm schriftlich und mündlich ihre An- sichten und Anträge vortragen, sind es nicht; sie sind nicht die Rechtssubjekte, auf welche die Entscheidung wirkt. Zum Teil haben sie eine Parteirolle zu führen, die im Interesse des Verfahrens ge- ordnet ist wie die des Staatsanwalts im Strafprozeſs; zum Teil auch das nicht. 23 Nadbyl in Wörterbuch I S. 814. Wenn gesagt wird, daſs es sich dabei um eine „Entscheidung zwischen Gerichten und Verwaltungsbehörden“ und „über eine Streitigkeit zwischen ihnen“ handele (G.V.G. § 17 Abs. 2; Struckmann u. Koch, Preuſs. Ausf.Ges. S. 521), so ist das nur ein Gleichnis; das sind keine Parteien. 24 Deshalb ist es auch gleichgültig, ob er unlogisch gewählt ist, wie v. Sarwey, Öff. R. u. V.R.Pfl. S. 680, behauptet. 25 O.V.G. 28. März 1868; Seydel, Bayr. St.R. II S. 549 ff.

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Zitationshilfe: Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 1. Leipzig, 1895, S. 223. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_verwaltungsrecht01_1895/243>, abgerufen am 02.05.2024.