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Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 1. Leipzig, 1895.

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Der Rechtsschutz in Verwaltungssachen.
waltungsrechtspflege kann ihrer allgemeinen Natur gemäss der Partei
nicht entbehren, für welche der Verwaltungsakt ergehen und in
der dem Urteil eigentümlichen Weise gebunden sein soll. Aber regel-
mässig hat sie wie die Strafrechtspflege nur eine Partei vor sich.
Das ist der Unterthan, dessen Verhältnis zur Staatsgewalt der Akt
bestimmt. Das Gesetz, das Rechtspflege anordnet für einen Ver-
waltungsakt, macht eben dadurch den Unterthan, über welchen dieser
ergehen soll, zur Partei15.

Möglicherweise kann der Verwaltungsakt auch über mehrere
Unterthanen zugleich ergehen und zwar so, dass diese in entgegen-
gesetztem Interesse dabei beteiligt sind. Dann liegt der Fall einer
zweiseitigen Rechtspflege vor. Im Strafprozess geschieht das mit dem
Auftreten eines Nebenklägers. In der Verwaltungsrechtspflege kann
es sich auf verschiedene Weise ergeben.

Gewisse Verwaltungsakte finden schon in ihrem Gegenstande eine
Mehrzahl von Beteiligten, die mit widerstreitenden Ansprüchen sich
gegenüber stehen und zwischen denen sie Recht sprechen. Die vor-
nehmsten Fälle liefern Auseinandersetzungssachen, Verbandlasten und
sonstige sekundäre Rechtsverhältnisse des öffentlichen Rechts (oben
§ 9 Note 10). Es wird als selbstverständlich betrachtet, dass der-
artige Entscheidungen in Form der Rechtspflege erfolgen. Entweder
werden sie in die Civilrechtspflege hinüber geschoben, oder das Gesetz
bestimmt, dass Verwaltungsrechtspflege dafür stattzufinden hat. Dann
ist das von selbst eine zweiseitige; die entgegengesetzten Parteien
sind gegeben.

Aber auch ohne solche Grundlage kann das Gesetz für Erlassung
eines Verwaltungsaktes, der über eine Person ergeht, ein Verfahren
anordnen, in welchem die Begehren und Einwendungen der in ent-
gegengesetztem Interesse an der Sache Beteiligten zu Gehör kommen,
und kann diesem Verfahren sofort oder in der Nachprüfung die Gestalt

gange würde es aber am Ende möglich sein, den Staat auch in jedem Civilprozesse
als heimliche Partei zu entdecken, die nur auf die Parteirolle verzichtet, weil sie
dasselbe wollen soll wie das Gericht und durch dieses ihr Interesse an der Sache
genügend gewahrt ist.
15 Es ist viel zu eng, wenn man üblicherweise den Parteistreitigkeiten des
öffentlichen Rechts, womit die Fälle der Verwaltungsrechtspflege zwischen mehreren
sich gegenüberstehenden Parteien bezeichnet sein sollen, nur die Rechtsbeschwerde
oder Verwaltungsklage wegen Gesetzesverletzung gegenüber stellt. So v. Sarwey,
Öff. R. u. V.R.Pfl. S. 113 ff. (der damit das württemb. R. nach Ges. v. 16. Dez.
1876 Art. 10 und Art. 13 verallgemeinert); v. Stengel, Organis. Ges. S. 44; Seydel,
Bayr. St.R. II S. 481 Note 3. Die Verwaltungsrechtspflege mit einer Partei ist
weit umfangreicher; vgl. unten S. 206.

Der Rechtsschutz in Verwaltungssachen.
waltungsrechtspflege kann ihrer allgemeinen Natur gemäſs der Partei
nicht entbehren, für welche der Verwaltungsakt ergehen und in
der dem Urteil eigentümlichen Weise gebunden sein soll. Aber regel-
mäſsig hat sie wie die Strafrechtspflege nur eine Partei vor sich.
Das ist der Unterthan, dessen Verhältnis zur Staatsgewalt der Akt
bestimmt. Das Gesetz, das Rechtspflege anordnet für einen Ver-
waltungsakt, macht eben dadurch den Unterthan, über welchen dieser
ergehen soll, zur Partei15.

Möglicherweise kann der Verwaltungsakt auch über mehrere
Unterthanen zugleich ergehen und zwar so, daſs diese in entgegen-
gesetztem Interesse dabei beteiligt sind. Dann liegt der Fall einer
zweiseitigen Rechtspflege vor. Im Strafprozeſs geschieht das mit dem
Auftreten eines Nebenklägers. In der Verwaltungsrechtspflege kann
es sich auf verschiedene Weise ergeben.

Gewisse Verwaltungsakte finden schon in ihrem Gegenstande eine
Mehrzahl von Beteiligten, die mit widerstreitenden Ansprüchen sich
gegenüber stehen und zwischen denen sie Recht sprechen. Die vor-
nehmsten Fälle liefern Auseinandersetzungssachen, Verbandlasten und
sonstige sekundäre Rechtsverhältnisse des öffentlichen Rechts (oben
§ 9 Note 10). Es wird als selbstverständlich betrachtet, daſs der-
artige Entscheidungen in Form der Rechtspflege erfolgen. Entweder
werden sie in die Civilrechtspflege hinüber geschoben, oder das Gesetz
bestimmt, daſs Verwaltungsrechtspflege dafür stattzufinden hat. Dann
ist das von selbst eine zweiseitige; die entgegengesetzten Parteien
sind gegeben.

Aber auch ohne solche Grundlage kann das Gesetz für Erlassung
eines Verwaltungsaktes, der über eine Person ergeht, ein Verfahren
anordnen, in welchem die Begehren und Einwendungen der in ent-
gegengesetztem Interesse an der Sache Beteiligten zu Gehör kommen,
und kann diesem Verfahren sofort oder in der Nachprüfung die Gestalt

gange würde es aber am Ende möglich sein, den Staat auch in jedem Civilprozesse
als heimliche Partei zu entdecken, die nur auf die Parteirolle verzichtet, weil sie
dasselbe wollen soll wie das Gericht und durch dieses ihr Interesse an der Sache
genügend gewahrt ist.
15 Es ist viel zu eng, wenn man üblicherweise den Parteistreitigkeiten des
öffentlichen Rechts, womit die Fälle der Verwaltungsrechtspflege zwischen mehreren
sich gegenüberstehenden Parteien bezeichnet sein sollen, nur die Rechtsbeschwerde
oder Verwaltungsklage wegen Gesetzesverletzung gegenüber stellt. So v. Sarwey,
Öff. R. u. V.R.Pfl. S. 113 ff. (der damit das württemb. R. nach Ges. v. 16. Dez.
1876 Art. 10 und Art. 13 verallgemeinert); v. Stengel, Organis. Ges. S. 44; Seydel,
Bayr. St.R. II S. 481 Note 3. Die Verwaltungsrechtspflege mit einer Partei ist
weit umfangreicher; vgl. unten S. 206.
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[186/0206] Der Rechtsschutz in Verwaltungssachen. waltungsrechtspflege kann ihrer allgemeinen Natur gemäſs der Partei nicht entbehren, für welche der Verwaltungsakt ergehen und in der dem Urteil eigentümlichen Weise gebunden sein soll. Aber regel- mäſsig hat sie wie die Strafrechtspflege nur eine Partei vor sich. Das ist der Unterthan, dessen Verhältnis zur Staatsgewalt der Akt bestimmt. Das Gesetz, das Rechtspflege anordnet für einen Ver- waltungsakt, macht eben dadurch den Unterthan, über welchen dieser ergehen soll, zur Partei 15. Möglicherweise kann der Verwaltungsakt auch über mehrere Unterthanen zugleich ergehen und zwar so, daſs diese in entgegen- gesetztem Interesse dabei beteiligt sind. Dann liegt der Fall einer zweiseitigen Rechtspflege vor. Im Strafprozeſs geschieht das mit dem Auftreten eines Nebenklägers. In der Verwaltungsrechtspflege kann es sich auf verschiedene Weise ergeben. Gewisse Verwaltungsakte finden schon in ihrem Gegenstande eine Mehrzahl von Beteiligten, die mit widerstreitenden Ansprüchen sich gegenüber stehen und zwischen denen sie Recht sprechen. Die vor- nehmsten Fälle liefern Auseinandersetzungssachen, Verbandlasten und sonstige sekundäre Rechtsverhältnisse des öffentlichen Rechts (oben § 9 Note 10). Es wird als selbstverständlich betrachtet, daſs der- artige Entscheidungen in Form der Rechtspflege erfolgen. Entweder werden sie in die Civilrechtspflege hinüber geschoben, oder das Gesetz bestimmt, daſs Verwaltungsrechtspflege dafür stattzufinden hat. Dann ist das von selbst eine zweiseitige; die entgegengesetzten Parteien sind gegeben. Aber auch ohne solche Grundlage kann das Gesetz für Erlassung eines Verwaltungsaktes, der über eine Person ergeht, ein Verfahren anordnen, in welchem die Begehren und Einwendungen der in ent- gegengesetztem Interesse an der Sache Beteiligten zu Gehör kommen, und kann diesem Verfahren sofort oder in der Nachprüfung die Gestalt 14 15 Es ist viel zu eng, wenn man üblicherweise den Parteistreitigkeiten des öffentlichen Rechts, womit die Fälle der Verwaltungsrechtspflege zwischen mehreren sich gegenüberstehenden Parteien bezeichnet sein sollen, nur die Rechtsbeschwerde oder Verwaltungsklage wegen Gesetzesverletzung gegenüber stellt. So v. Sarwey, Öff. R. u. V.R.Pfl. S. 113 ff. (der damit das württemb. R. nach Ges. v. 16. Dez. 1876 Art. 10 und Art. 13 verallgemeinert); v. Stengel, Organis. Ges. S. 44; Seydel, Bayr. St.R. II S. 481 Note 3. Die Verwaltungsrechtspflege mit einer Partei ist weit umfangreicher; vgl. unten S. 206. 14 gange würde es aber am Ende möglich sein, den Staat auch in jedem Civilprozesse als heimliche Partei zu entdecken, die nur auf die Parteirolle verzichtet, weil sie dasselbe wollen soll wie das Gericht und durch dieses ihr Interesse an der Sache genügend gewahrt ist.

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Zitationshilfe: Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 1. Leipzig, 1895, S. 186. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_verwaltungsrecht01_1895/206>, abgerufen am 02.05.2024.