Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 1. Leipzig, 1895.

Bild:
<< vorherige Seite

§ 13. Die Verwaltungsrechtspflege; Voraussetzungen und Wirkung.
solche Stellung als Parteien zukommen und ein Verfahren eingehalten
werden soll, das dem entspricht23.

Wenn es demnach zum Wesen der Verwaltungsrechtspflege ge-
hört, dass hier ein Verwaltungsakt erzeugt wird mit einem gewissen
rechtlich bedeutsamen Anteil des davon Betroffenen, so ist die ent-
scheidende Frage die, worin die rechtliche Bedeutung dieses Anteils
besteht. Die Civilrechtspflege zeigt uns diesen Anteil in verschiedener
Gestalt. Sie beginnt damit, dass es der beteiligte Unterthan ist, der
die obrigkeitliche Thätigkeit überhaupt erst in Bewegung setzt und
das Urteil herbeiführt mit seinem Anspruch auf Rechtshülfe, dem Klage-
recht
. Auch in der Verwaltungsrechtspflege giebt es ein solches.
Aber hier erscheint es nicht notwendig und nicht überall. Sie geht
möglicherweise auch vor auf Antrag einer öffentlichen Behörde gegen
den Unterthanen, der sich nur verteidigt. Sie gleicht dann der Straf-
rechtspflege. Wenn man da von einem Klagerecht der Obrigkeit
sprechen will, so ist das nur eine äusserliche Entlehnung des Aus-
drucks; um Rechtsschutz für die Obrigkeit handelt es sich überhaupt
nicht24. Andererseits besteht ein Anspruch auf Rechtshülfe ganz im
Sinne dieses Klagerechts d. h. als Recht auf einen obrigkeitlichen
Ausspruch über das Verhältnis auch ausserhalb der Verwaltungsrechts-

23 In diesem Sinne ist es richtig, was Loening, V.R. S. 821 Note 1, aus-
führt: dass die Vorschriften der C.Pr.O., auch wenn sie nicht unmittelbar rechts-
verbindlich gemacht sind für die Verwaltungsrechtspflege, ihr doch als Anhalt dienen
zur sachgemässen Führung des Verfahrens. -- Die Notwendigkeit eines dem Urteil
vorausgehenden Verfahrens möchte auch Bernatzik, Rechtskraft S. 63 und 64,
hervorheben. Er führt sie zurück auf eine damit "untrennbar verbundene Vor-
stellung". -- Über Parteirechte: Merkel, Encyklopädie § 770. v. Sarwey,
Öff. R. u. V.R.Pfl., sieht gemäss einer auch sonst verbreiteten Lehrmeinung
in dem publizistischen Klagerecht und dem Parteirecht überhaupt nur den Aus-
fluss des dahinterstehenden materiellen Rechtsanspruchs, der dadurch gesichert
werden soll. Darüber Wach, Feststellungsanspruch S. 22 ff. Gerade die Ordnung
des Verwaltungsrechtsschutzes beweist aufs klarste, dass materielle subjektive
Rechte bestehen können ohne Rechtspflege und folglich ohne entsprechende Partei-
rechte, und dass andererseits Rechtspflege und folglich Parteirechte gewährt sein
können zum Schutz beliebiger materieller Interessen, die ihrerseits nicht die Ge-
stalt von subjektiven Rechten haben.
24 Beispiele: Preuss. Zust.Ges. § 36 Ziff. 4 (Verfahren auf Entfernung aus dem
Amte), § 119 und § 120 (Untersagung von gewerblichen Betrieben u. s. w.). --
Loening, V.R. S. 797, nennt zunächst als Voraussetzung des Verwaltungsstreit-
verfahrens schlechthin die Klage des verletzten Unterthanen; nachher (S. 817, 818)
wird dann richtig hinzugefügt, dass auch dem Staate die Stelle des Klägers zu-
erteilt sein kann; dadurch muss freilich auch die ganze Einrichtung in ein andres
Licht treten.

§ 13. Die Verwaltungsrechtspflege; Voraussetzungen und Wirkung.
solche Stellung als Parteien zukommen und ein Verfahren eingehalten
werden soll, das dem entspricht23.

Wenn es demnach zum Wesen der Verwaltungsrechtspflege ge-
hört, daſs hier ein Verwaltungsakt erzeugt wird mit einem gewissen
rechtlich bedeutsamen Anteil des davon Betroffenen, so ist die ent-
scheidende Frage die, worin die rechtliche Bedeutung dieses Anteils
besteht. Die Civilrechtspflege zeigt uns diesen Anteil in verschiedener
Gestalt. Sie beginnt damit, daſs es der beteiligte Unterthan ist, der
die obrigkeitliche Thätigkeit überhaupt erst in Bewegung setzt und
das Urteil herbeiführt mit seinem Anspruch auf Rechtshülfe, dem Klage-
recht
. Auch in der Verwaltungsrechtspflege giebt es ein solches.
Aber hier erscheint es nicht notwendig und nicht überall. Sie geht
möglicherweise auch vor auf Antrag einer öffentlichen Behörde gegen
den Unterthanen, der sich nur verteidigt. Sie gleicht dann der Straf-
rechtspflege. Wenn man da von einem Klagerecht der Obrigkeit
sprechen will, so ist das nur eine äuſserliche Entlehnung des Aus-
drucks; um Rechtsschutz für die Obrigkeit handelt es sich überhaupt
nicht24. Andererseits besteht ein Anspruch auf Rechtshülfe ganz im
Sinne dieses Klagerechts d. h. als Recht auf einen obrigkeitlichen
Ausspruch über das Verhältnis auch auſserhalb der Verwaltungsrechts-

23 In diesem Sinne ist es richtig, was Loening, V.R. S. 821 Note 1, aus-
führt: daſs die Vorschriften der C.Pr.O., auch wenn sie nicht unmittelbar rechts-
verbindlich gemacht sind für die Verwaltungsrechtspflege, ihr doch als Anhalt dienen
zur sachgemäſsen Führung des Verfahrens. — Die Notwendigkeit eines dem Urteil
vorausgehenden Verfahrens möchte auch Bernatzik, Rechtskraft S. 63 und 64,
hervorheben. Er führt sie zurück auf eine damit „untrennbar verbundene Vor-
stellung“. — Über Parteirechte: Merkel, Encyklopädie § 770. v. Sarwey,
Öff. R. u. V.R.Pfl., sieht gemäſs einer auch sonst verbreiteten Lehrmeinung
in dem publizistischen Klagerecht und dem Parteirecht überhaupt nur den Aus-
fluſs des dahinterstehenden materiellen Rechtsanspruchs, der dadurch gesichert
werden soll. Darüber Wach, Feststellungsanspruch S. 22 ff. Gerade die Ordnung
des Verwaltungsrechtsschutzes beweist aufs klarste, daſs materielle subjektive
Rechte bestehen können ohne Rechtspflege und folglich ohne entsprechende Partei-
rechte, und daſs andererseits Rechtspflege und folglich Parteirechte gewährt sein
können zum Schutz beliebiger materieller Interessen, die ihrerseits nicht die Ge-
stalt von subjektiven Rechten haben.
24 Beispiele: Preuſs. Zust.Ges. § 36 Ziff. 4 (Verfahren auf Entfernung aus dem
Amte), § 119 und § 120 (Untersagung von gewerblichen Betrieben u. s. w.). —
Loening, V.R. S. 797, nennt zunächst als Voraussetzung des Verwaltungsstreit-
verfahrens schlechthin die Klage des verletzten Unterthanen; nachher (S. 817, 818)
wird dann richtig hinzugefügt, daſs auch dem Staate die Stelle des Klägers zu-
erteilt sein kann; dadurch muſs freilich auch die ganze Einrichtung in ein andres
Licht treten.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0193" n="173"/><fw place="top" type="header">§ 13. Die Verwaltungsrechtspflege; Voraussetzungen und Wirkung.</fw><lb/>
solche Stellung als Parteien zukommen und ein Verfahren eingehalten<lb/>
werden soll, das dem entspricht<note place="foot" n="23">In diesem Sinne ist es richtig, was <hi rendition="#g">Loening,</hi> V.R. S. 821 Note 1, aus-<lb/>
führt: da&#x017F;s die Vorschriften der C.Pr.O., auch wenn sie nicht unmittelbar rechts-<lb/>
verbindlich gemacht sind für die Verwaltungsrechtspflege, ihr doch als Anhalt dienen<lb/>
zur sachgemä&#x017F;sen Führung des Verfahrens. &#x2014; Die Notwendigkeit eines dem Urteil<lb/>
vorausgehenden Verfahrens möchte auch <hi rendition="#g">Bernatzik,</hi> Rechtskraft S. 63 und 64,<lb/>
hervorheben. Er führt sie zurück auf eine damit &#x201E;untrennbar verbundene Vor-<lb/>
stellung&#x201C;. &#x2014; Über Parteirechte: <hi rendition="#g">Merkel,</hi> Encyklopädie § 770. v. <hi rendition="#g">Sarwey,</hi><lb/>
Öff. R. u. V.R.Pfl., sieht gemä&#x017F;s einer auch sonst verbreiteten Lehrmeinung<lb/>
in dem publizistischen Klagerecht und dem Parteirecht überhaupt nur den Aus-<lb/>
flu&#x017F;s des dahinterstehenden materiellen Rechtsanspruchs, der dadurch gesichert<lb/>
werden soll. Darüber <hi rendition="#g">Wach,</hi> Feststellungsanspruch S. 22 ff. Gerade die Ordnung<lb/>
des Verwaltungsrechtsschutzes beweist aufs klarste, da&#x017F;s materielle subjektive<lb/>
Rechte bestehen können ohne Rechtspflege und folglich ohne entsprechende Partei-<lb/>
rechte, und da&#x017F;s andererseits Rechtspflege und folglich Parteirechte gewährt sein<lb/>
können zum Schutz beliebiger materieller Interessen, die ihrerseits nicht die Ge-<lb/>
stalt von subjektiven Rechten haben.</note>.</p><lb/>
            <p>Wenn es demnach zum Wesen der Verwaltungsrechtspflege ge-<lb/>
hört, da&#x017F;s hier ein Verwaltungsakt erzeugt wird mit einem gewissen<lb/>
rechtlich bedeutsamen Anteil des davon Betroffenen, so ist die ent-<lb/>
scheidende Frage die, worin die rechtliche Bedeutung dieses Anteils<lb/>
besteht. Die Civilrechtspflege zeigt uns diesen Anteil in verschiedener<lb/>
Gestalt. Sie beginnt damit, da&#x017F;s es der beteiligte Unterthan ist, der<lb/>
die obrigkeitliche Thätigkeit überhaupt erst in Bewegung setzt und<lb/>
das Urteil herbeiführt mit seinem Anspruch auf Rechtshülfe, dem <hi rendition="#g">Klage-<lb/>
recht</hi>. Auch in der Verwaltungsrechtspflege giebt es ein solches.<lb/>
Aber hier erscheint es nicht notwendig und nicht überall. Sie geht<lb/>
möglicherweise auch vor auf Antrag einer öffentlichen Behörde gegen<lb/>
den Unterthanen, der sich nur verteidigt. Sie gleicht dann der Straf-<lb/>
rechtspflege. Wenn man da von einem Klagerecht der Obrigkeit<lb/>
sprechen will, so ist das nur eine äu&#x017F;serliche Entlehnung des Aus-<lb/>
drucks; um Rechtsschutz für die Obrigkeit handelt es sich überhaupt<lb/>
nicht<note place="foot" n="24">Beispiele: Preu&#x017F;s. Zust.Ges. § 36 Ziff. 4 (Verfahren auf Entfernung aus dem<lb/>
Amte), § 119 und § 120 (Untersagung von gewerblichen Betrieben u. s. w.). &#x2014;<lb/><hi rendition="#g">Loening,</hi> V.R. S. 797, nennt zunächst als Voraussetzung des Verwaltungsstreit-<lb/>
verfahrens schlechthin die Klage des verletzten Unterthanen; nachher (S. 817, 818)<lb/>
wird dann richtig hinzugefügt, da&#x017F;s auch dem Staate die Stelle des Klägers zu-<lb/>
erteilt sein kann; dadurch mu&#x017F;s freilich auch die ganze Einrichtung in ein andres<lb/>
Licht treten.</note>. Andererseits besteht ein Anspruch auf Rechtshülfe ganz im<lb/>
Sinne dieses Klagerechts d. h. als Recht auf einen obrigkeitlichen<lb/>
Ausspruch über das Verhältnis <choice><sic>anch</sic><corr>auch</corr></choice> au&#x017F;serhalb der Verwaltungsrechts-<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[173/0193] § 13. Die Verwaltungsrechtspflege; Voraussetzungen und Wirkung. solche Stellung als Parteien zukommen und ein Verfahren eingehalten werden soll, das dem entspricht 23. Wenn es demnach zum Wesen der Verwaltungsrechtspflege ge- hört, daſs hier ein Verwaltungsakt erzeugt wird mit einem gewissen rechtlich bedeutsamen Anteil des davon Betroffenen, so ist die ent- scheidende Frage die, worin die rechtliche Bedeutung dieses Anteils besteht. Die Civilrechtspflege zeigt uns diesen Anteil in verschiedener Gestalt. Sie beginnt damit, daſs es der beteiligte Unterthan ist, der die obrigkeitliche Thätigkeit überhaupt erst in Bewegung setzt und das Urteil herbeiführt mit seinem Anspruch auf Rechtshülfe, dem Klage- recht. Auch in der Verwaltungsrechtspflege giebt es ein solches. Aber hier erscheint es nicht notwendig und nicht überall. Sie geht möglicherweise auch vor auf Antrag einer öffentlichen Behörde gegen den Unterthanen, der sich nur verteidigt. Sie gleicht dann der Straf- rechtspflege. Wenn man da von einem Klagerecht der Obrigkeit sprechen will, so ist das nur eine äuſserliche Entlehnung des Aus- drucks; um Rechtsschutz für die Obrigkeit handelt es sich überhaupt nicht 24. Andererseits besteht ein Anspruch auf Rechtshülfe ganz im Sinne dieses Klagerechts d. h. als Recht auf einen obrigkeitlichen Ausspruch über das Verhältnis auch auſserhalb der Verwaltungsrechts- 23 In diesem Sinne ist es richtig, was Loening, V.R. S. 821 Note 1, aus- führt: daſs die Vorschriften der C.Pr.O., auch wenn sie nicht unmittelbar rechts- verbindlich gemacht sind für die Verwaltungsrechtspflege, ihr doch als Anhalt dienen zur sachgemäſsen Führung des Verfahrens. — Die Notwendigkeit eines dem Urteil vorausgehenden Verfahrens möchte auch Bernatzik, Rechtskraft S. 63 und 64, hervorheben. Er führt sie zurück auf eine damit „untrennbar verbundene Vor- stellung“. — Über Parteirechte: Merkel, Encyklopädie § 770. v. Sarwey, Öff. R. u. V.R.Pfl., sieht gemäſs einer auch sonst verbreiteten Lehrmeinung in dem publizistischen Klagerecht und dem Parteirecht überhaupt nur den Aus- fluſs des dahinterstehenden materiellen Rechtsanspruchs, der dadurch gesichert werden soll. Darüber Wach, Feststellungsanspruch S. 22 ff. Gerade die Ordnung des Verwaltungsrechtsschutzes beweist aufs klarste, daſs materielle subjektive Rechte bestehen können ohne Rechtspflege und folglich ohne entsprechende Partei- rechte, und daſs andererseits Rechtspflege und folglich Parteirechte gewährt sein können zum Schutz beliebiger materieller Interessen, die ihrerseits nicht die Ge- stalt von subjektiven Rechten haben. 24 Beispiele: Preuſs. Zust.Ges. § 36 Ziff. 4 (Verfahren auf Entfernung aus dem Amte), § 119 und § 120 (Untersagung von gewerblichen Betrieben u. s. w.). — Loening, V.R. S. 797, nennt zunächst als Voraussetzung des Verwaltungsstreit- verfahrens schlechthin die Klage des verletzten Unterthanen; nachher (S. 817, 818) wird dann richtig hinzugefügt, daſs auch dem Staate die Stelle des Klägers zu- erteilt sein kann; dadurch muſs freilich auch die ganze Einrichtung in ein andres Licht treten.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_verwaltungsrecht01_1895
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_verwaltungsrecht01_1895/193
Zitationshilfe: Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 1. Leipzig, 1895, S. 173. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_verwaltungsrecht01_1895/193>, abgerufen am 30.04.2024.