Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 1. Leipzig, 1895.Der Rechtsschutz in Verwaltungssachen. Noch viel weniger kann der umgekehrte Satz gelten, wonach Deutlich wird der Gegensatz namentlich da, wo die Verwaltungs- 16 Die sog. Enumerationsmethode vgl. unten § 14. Zu der Aufzählung von solchen Sachen (Verwaltungsrechtssachen), welche das bayrische Gesetz giebt, be- merkt Krais, Kom. S. 47: "Andere als die in den erwähnten Artikeln aufgeführten Angelegenheiten sind daher, auch wenn sie ihrem Wesen nach als Verwaltungs- rechtssachen betrachtet werden könnten, nicht als solche zu behandeln". Daraus mag man ersehen, wie wenig es dem Begriff der Verwaltungsrechtsprechung hilft, dass man ihn für "von selbst gegeben" erklärt. 17 Die Fälle des bayr. V.G. Ges. Art. 10 durchlaufen die unteren Instanzen als reine Verwaltungssachen, um erst zuletzt vor dem Verwaltungsgerichtshofe Gegenstand der Verwaltungsrechtspflege zu werden; Krais, Kom. S. 204. -- Nach preuss. Recht nimmt ein Streit über die Wegeunterhaltung gemäss § 56 Zust.Ges. folgenden Gang. Die Wegepolizeibehörde ordnet an; der Belastete erhebt Ein- spruch, über welchen die Behörde beschliesst. Gegen den Beschluss findet die Klage im Verwaltungsstreitverfahren statt. Weder die Anordnung, noch der Be- schluss sind Verwaltungsrechtspflege, das Urteil auf die Klage wohl. Wo ist der Unterschied? Das subjektive Recht, die Rechtsordnung, die Rechtsprechung sind doch in allen drei Fällen die nämlichen. 18 Man sucht sich auch auf eine Verschiedenheit des Zweckes, der Absicht,
des Interesses zu berufen, welche staatlicherseits dabei verfolgt würden (Bernatzik, Rechtskraft S. 63; v. Sarwey, Öff. R. u. V.R.Pfl. S. 73 ff.; Laband, St.R. II S. 345, 346). Das alles bedeutet nichts für uns, sofern nicht auch die Rechts- gestalt des Aktes danach sich ändert; dann aber ist diese allein das Unter- scheidende. Der Rechtsschutz in Verwaltungssachen. Noch viel weniger kann der umgekehrte Satz gelten, wonach Deutlich wird der Gegensatz namentlich da, wo die Verwaltungs- 16 Die sog. Enumerationsmethode vgl. unten § 14. Zu der Aufzählung von solchen Sachen (Verwaltungsrechtssachen), welche das bayrische Gesetz giebt, be- merkt Krais, Kom. S. 47: „Andere als die in den erwähnten Artikeln aufgeführten Angelegenheiten sind daher, auch wenn sie ihrem Wesen nach als Verwaltungs- rechtssachen betrachtet werden könnten, nicht als solche zu behandeln“. Daraus mag man ersehen, wie wenig es dem Begriff der Verwaltungsrechtsprechung hilft, daſs man ihn für „von selbst gegeben“ erklärt. 17 Die Fälle des bayr. V.G. Ges. Art. 10 durchlaufen die unteren Instanzen als reine Verwaltungssachen, um erst zuletzt vor dem Verwaltungsgerichtshofe Gegenstand der Verwaltungsrechtspflege zu werden; Krais, Kom. S. 204. — Nach preuſs. Recht nimmt ein Streit über die Wegeunterhaltung gemäſs § 56 Zust.Ges. folgenden Gang. Die Wegepolizeibehörde ordnet an; der Belastete erhebt Ein- spruch, über welchen die Behörde beschlieſst. Gegen den Beschluſs findet die Klage im Verwaltungsstreitverfahren statt. Weder die Anordnung, noch der Be- schluſs sind Verwaltungsrechtspflege, das Urteil auf die Klage wohl. Wo ist der Unterschied? Das subjektive Recht, die Rechtsordnung, die Rechtsprechung sind doch in allen drei Fällen die nämlichen. 18 Man sucht sich auch auf eine Verschiedenheit des Zweckes, der Absicht,
des Interesses zu berufen, welche staatlicherseits dabei verfolgt würden (Bernatzik, Rechtskraft S. 63; v. Sarwey, Öff. R. u. V.R.Pfl. S. 73 ff.; Laband, St.R. II S. 345, 346). Das alles bedeutet nichts für uns, sofern nicht auch die Rechts- gestalt des Aktes danach sich ändert; dann aber ist diese allein das Unter- scheidende. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0190" n="170"/> <fw place="top" type="header">Der Rechtsschutz in Verwaltungssachen.</fw><lb/> <p>Noch viel weniger kann der umgekehrte Satz gelten, wonach<lb/> etwa jeder Verwaltungsakt Verwaltungsrechtspflege wäre, der eine<lb/> Rechtsprechung, eine Entscheidung enthält. Bei der Justiz trifft das<lb/> ja wieder äuſserlich zusammen; aber die Verwaltung weist uns Akte<lb/> solchen Inhalts auſserhalb der Verwaltungsrechtspflege als eine ganz ge-<lb/> wöhnliche Erscheinung auf. Bei der Art, wie so häufig die Gesetz-<lb/> gebung das Gebiet der Verwaltungsrechtspflege abgrenzt, indem sie<lb/> nämlich die ihr zugehörigen Arten von Sachen einzeln aufzählt, kann<lb/> es gar nicht fehlen, daſs die eine oder andere Entscheidung drauſsen<lb/> bleibt, überhaupt nie in die Verwaltungsrechtspflege gelangt<note place="foot" n="16">Die sog. Enumerationsmethode vgl. unten § 14. Zu der Aufzählung von<lb/> solchen Sachen (Verwaltungsrechtssachen), welche das bayrische Gesetz giebt, be-<lb/> merkt <hi rendition="#g">Krais,</hi> Kom. S. 47: „Andere als die in den erwähnten Artikeln aufgeführten<lb/> Angelegenheiten sind daher, auch wenn sie ihrem Wesen nach als Verwaltungs-<lb/> rechtssachen betrachtet werden könnten, nicht als solche zu behandeln“. Daraus<lb/> mag man ersehen, wie wenig es dem Begriff der Verwaltungsrechtsprechung hilft,<lb/> daſs man ihn für „von selbst gegeben“ erklärt.</note>.</p><lb/> <p>Deutlich wird der Gegensatz namentlich da, wo die Verwaltungs-<lb/> gerichte nur über die Verwaltungsbehörden gestellt sind zu einer<lb/> Nachprüfung ihrer Akte auf Beschwerde oder Klage, wobei ganz der<lb/> gleiche Akt bei ihnen nochmals in Frage kommt, ob und wie er er-<lb/> lassen werden soll. Da war er dann erst, obwohl Entscheidung und<lb/> in diesem Sinne Rechtsprechung, ein einfacher Verwaltungsakt, nach-<lb/> her ein Akt der Verwaltungsrechtspflege, ein Urteil<note place="foot" n="17">Die Fälle des bayr. V.G. Ges. Art. 10 durchlaufen die unteren Instanzen<lb/> als reine Verwaltungssachen, um erst zuletzt vor dem Verwaltungsgerichtshofe<lb/> Gegenstand der Verwaltungsrechtspflege zu werden; <hi rendition="#g">Krais,</hi> Kom. S. 204. — Nach<lb/> preuſs. Recht nimmt ein Streit über die Wegeunterhaltung gemäſs § 56 Zust.Ges.<lb/> folgenden Gang. Die Wegepolizeibehörde ordnet an; der Belastete erhebt Ein-<lb/> spruch, über welchen die Behörde beschlieſst. Gegen den Beschluſs findet die<lb/> Klage im Verwaltungsstreitverfahren statt. Weder die Anordnung, noch der Be-<lb/> schluſs sind Verwaltungsrechtspflege, das Urteil auf die Klage wohl. Wo ist der<lb/> Unterschied? Das subjektive Recht, die Rechtsordnung, die Rechtsprechung sind<lb/> doch in allen drei Fällen die nämlichen.</note>. Je höher wir<lb/> den Wert dieser Rechtsschutzeinrichtung schätzen, desto bedeutsamer<lb/> ist die Umwandlung, die damit vor sich gegangen ist; sie kann aber<lb/> natürlich nicht auf dem Inhalte beruhen, welcher ja der gleiche ge-<lb/> blieben ist, sondern nur auf dem, was gewechselt hat, auf der Form<note place="foot" n="18">Man sucht sich auch auf eine Verschiedenheit des Zweckes, der Absicht,<lb/> des Interesses zu berufen, welche staatlicherseits dabei verfolgt würden (<hi rendition="#g">Bernatzik,</hi><lb/> Rechtskraft S. 63; v. <hi rendition="#g">Sarwey,</hi> Öff. R. u. V.R.Pfl. S. 73 ff.; <hi rendition="#g">Laband,</hi> St.R. II<lb/> S. 345, 346). Das alles bedeutet nichts für uns, sofern nicht auch die Rechts-<lb/> gestalt des Aktes danach sich ändert; dann aber ist diese allein das Unter-<lb/> scheidende.</note>.</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [170/0190]
Der Rechtsschutz in Verwaltungssachen.
Noch viel weniger kann der umgekehrte Satz gelten, wonach
etwa jeder Verwaltungsakt Verwaltungsrechtspflege wäre, der eine
Rechtsprechung, eine Entscheidung enthält. Bei der Justiz trifft das
ja wieder äuſserlich zusammen; aber die Verwaltung weist uns Akte
solchen Inhalts auſserhalb der Verwaltungsrechtspflege als eine ganz ge-
wöhnliche Erscheinung auf. Bei der Art, wie so häufig die Gesetz-
gebung das Gebiet der Verwaltungsrechtspflege abgrenzt, indem sie
nämlich die ihr zugehörigen Arten von Sachen einzeln aufzählt, kann
es gar nicht fehlen, daſs die eine oder andere Entscheidung drauſsen
bleibt, überhaupt nie in die Verwaltungsrechtspflege gelangt 16.
Deutlich wird der Gegensatz namentlich da, wo die Verwaltungs-
gerichte nur über die Verwaltungsbehörden gestellt sind zu einer
Nachprüfung ihrer Akte auf Beschwerde oder Klage, wobei ganz der
gleiche Akt bei ihnen nochmals in Frage kommt, ob und wie er er-
lassen werden soll. Da war er dann erst, obwohl Entscheidung und
in diesem Sinne Rechtsprechung, ein einfacher Verwaltungsakt, nach-
her ein Akt der Verwaltungsrechtspflege, ein Urteil 17. Je höher wir
den Wert dieser Rechtsschutzeinrichtung schätzen, desto bedeutsamer
ist die Umwandlung, die damit vor sich gegangen ist; sie kann aber
natürlich nicht auf dem Inhalte beruhen, welcher ja der gleiche ge-
blieben ist, sondern nur auf dem, was gewechselt hat, auf der Form 18.
16 Die sog. Enumerationsmethode vgl. unten § 14. Zu der Aufzählung von
solchen Sachen (Verwaltungsrechtssachen), welche das bayrische Gesetz giebt, be-
merkt Krais, Kom. S. 47: „Andere als die in den erwähnten Artikeln aufgeführten
Angelegenheiten sind daher, auch wenn sie ihrem Wesen nach als Verwaltungs-
rechtssachen betrachtet werden könnten, nicht als solche zu behandeln“. Daraus
mag man ersehen, wie wenig es dem Begriff der Verwaltungsrechtsprechung hilft,
daſs man ihn für „von selbst gegeben“ erklärt.
17 Die Fälle des bayr. V.G. Ges. Art. 10 durchlaufen die unteren Instanzen
als reine Verwaltungssachen, um erst zuletzt vor dem Verwaltungsgerichtshofe
Gegenstand der Verwaltungsrechtspflege zu werden; Krais, Kom. S. 204. — Nach
preuſs. Recht nimmt ein Streit über die Wegeunterhaltung gemäſs § 56 Zust.Ges.
folgenden Gang. Die Wegepolizeibehörde ordnet an; der Belastete erhebt Ein-
spruch, über welchen die Behörde beschlieſst. Gegen den Beschluſs findet die
Klage im Verwaltungsstreitverfahren statt. Weder die Anordnung, noch der Be-
schluſs sind Verwaltungsrechtspflege, das Urteil auf die Klage wohl. Wo ist der
Unterschied? Das subjektive Recht, die Rechtsordnung, die Rechtsprechung sind
doch in allen drei Fällen die nämlichen.
18 Man sucht sich auch auf eine Verschiedenheit des Zweckes, der Absicht,
des Interesses zu berufen, welche staatlicherseits dabei verfolgt würden (Bernatzik,
Rechtskraft S. 63; v. Sarwey, Öff. R. u. V.R.Pfl. S. 73 ff.; Laband, St.R. II
S. 345, 346). Das alles bedeutet nichts für uns, sofern nicht auch die Rechts-
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