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Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 1. Leipzig, 1895.

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Grundzüge der Verwaltungsrechtsordnung.
von Steuern, wie umgekehrt Zahlung von Gehältern und öffentlich-
rechtlichen Entschädigungen schaffen einen rechtlichen Zustand, mit
dessen Begründung das öffentlichrechtliche Rechtsinstitut zu Ende ist;
der Zustand selbst, wie er nunmehr nach allen Seiten wirksam be-
steht, ist fortan nach den Regeln des civilrechtlichen Eigentums zu
beurteilen15.

3. Manche Rechtsinstitute sind geradezu darauf gerichtet, durch
die Einwirkung der öffentlichen Gewalt eine Änderung
civilrechtlicher Verhältnisse zwischen den Unter-
thanen hervorzubringen
. Das macht die Justiz im Teilungs-
und Aufgebotsverfahren, die Verwaltung, indem sie Grundlasten auf-
hebt, Grundstücke zusammenlegt, Nutzungsrechte an fremden Wasser-
läufen begründet u. s. w. Der Akt selbst ist öffentlichrechtlicher
Natur, so gut wie das Teilungsurteil auch, die begründeten Rechte
sind civilrechtlich, und die Rechtsinstitute im Gegensatz zu den bis-
herigen gehören zum Gebiete des Civilrechts16.

4. An die Wirkungen des öffentlichen Rechtsinstituts zwischen
dem Staat und dem Unterthan können sich civilrechtliche Rechts-
verhältnisse des letzteren anknüpfen, bedingt
durch jene,
aber auf dieser Voraussetzung selbständig begründet nach einem

15 Über die Natur dieses Umschlags dinglicher Rechte vgl. unten die Lehre
von der Enteignung. Der Unterschied gegenüber dem vorigen Fall ist der, dass
der Zustand eines öffentlichen Rechts gar nicht erst begründet wird; sobald das
öffentlichrechtliche Rechtsinstitut gewirkt hat und abgeschlossen ist, wird das
Civilrecht Herr. Unrichtig ist die Unterscheidung Mittermeiers in Civil.Arch. III
S. 323: Die Wegnahme von Eigentum durch die Enteignung ist öffentlichrechtlich,
"aber die Wirkungen für den enteigneten Eigentümer sind privatrechtlich". Wenn
die Wegnahme des Eigentums fertig ist, ist keine weitere Wirkung auf seiten des
bisherigen Eigentümers zu verspüren.
16 G. Meyer, V.R. I § 101 und 103, fasst die wichtigsten Arten solcher
Akte zusammen unter der Überschrift "Ordnung der Agrarverhältnisse"; in § 108
kommen dann noch ähnliche Akte für die Ordnung der Benützung des Wassers.
Er nennt sie "rechtsaufhebende und rechtsbegründende Verfügungen" und stellt sie
der Enteignung gleich. Das letztere ist nicht richtig. Die Enteignung nimmt das
Grundstück für die eigenen Zwecke der Verwaltung in Anspruch. Wenn aber die
öffentliche Gewalt sich dafür einsetzt, die Agrarverhältnisse und die Wassernutzungen
in der hier fraglichen Weise zu ordnen, so erzeugt sie civilrechtliche Wirkungen
zwischen den Unterthanen und begnügt sich damit. Was weiter daraus wird, ist
dem freien Spiel civilrechtlicher juristischer Thatsachen zwischen diesen überlassen.
Geradeso macht es das Civilgesetz. Jene Akte sind Hülfsthätigkeiten der
Verwaltungsbehörden für das Civilrecht,
geradeso wie sie solche im
Standesamt, im Patentamt und ähnlichen Anstalten entwickeln.

Grundzüge der Verwaltungsrechtsordnung.
von Steuern, wie umgekehrt Zahlung von Gehältern und öffentlich-
rechtlichen Entschädigungen schaffen einen rechtlichen Zustand, mit
dessen Begründung das öffentlichrechtliche Rechtsinstitut zu Ende ist;
der Zustand selbst, wie er nunmehr nach allen Seiten wirksam be-
steht, ist fortan nach den Regeln des civilrechtlichen Eigentums zu
beurteilen15.

3. Manche Rechtsinstitute sind geradezu darauf gerichtet, durch
die Einwirkung der öffentlichen Gewalt eine Änderung
civilrechtlicher Verhältnisse zwischen den Unter-
thanen hervorzubringen
. Das macht die Justiz im Teilungs-
und Aufgebotsverfahren, die Verwaltung, indem sie Grundlasten auf-
hebt, Grundstücke zusammenlegt, Nutzungsrechte an fremden Wasser-
läufen begründet u. s. w. Der Akt selbst ist öffentlichrechtlicher
Natur, so gut wie das Teilungsurteil auch, die begründeten Rechte
sind civilrechtlich, und die Rechtsinstitute im Gegensatz zu den bis-
herigen gehören zum Gebiete des Civilrechts16.

4. An die Wirkungen des öffentlichen Rechtsinstituts zwischen
dem Staat und dem Unterthan können sich civilrechtliche Rechts-
verhältnisse des letzteren anknüpfen, bedingt
durch jene,
aber auf dieser Voraussetzung selbständig begründet nach einem

15 Über die Natur dieses Umschlags dinglicher Rechte vgl. unten die Lehre
von der Enteignung. Der Unterschied gegenüber dem vorigen Fall ist der, daſs
der Zustand eines öffentlichen Rechts gar nicht erst begründet wird; sobald das
öffentlichrechtliche Rechtsinstitut gewirkt hat und abgeschlossen ist, wird das
Civilrecht Herr. Unrichtig ist die Unterscheidung Mittermeiers in Civil.Arch. III
S. 323: Die Wegnahme von Eigentum durch die Enteignung ist öffentlichrechtlich,
„aber die Wirkungen für den enteigneten Eigentümer sind privatrechtlich“. Wenn
die Wegnahme des Eigentums fertig ist, ist keine weitere Wirkung auf seiten des
bisherigen Eigentümers zu verspüren.
16 G. Meyer, V.R. I § 101 und 103, faſst die wichtigsten Arten solcher
Akte zusammen unter der Überschrift „Ordnung der Agrarverhältnisse“; in § 108
kommen dann noch ähnliche Akte für die Ordnung der Benützung des Wassers.
Er nennt sie „rechtsaufhebende und rechtsbegründende Verfügungen“ und stellt sie
der Enteignung gleich. Das letztere ist nicht richtig. Die Enteignung nimmt das
Grundstück für die eigenen Zwecke der Verwaltung in Anspruch. Wenn aber die
öffentliche Gewalt sich dafür einsetzt, die Agrarverhältnisse und die Wassernutzungen
in der hier fraglichen Weise zu ordnen, so erzeugt sie civilrechtliche Wirkungen
zwischen den Unterthanen und begnügt sich damit. Was weiter daraus wird, ist
dem freien Spiel civilrechtlicher juristischer Thatsachen zwischen diesen überlassen.
Geradeso macht es das Civilgesetz. Jene Akte sind Hülfsthätigkeiten der
Verwaltungsbehörden für das Civilrecht,
geradeso wie sie solche im
Standesamt, im Patentamt und ähnlichen Anstalten entwickeln.
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[146/0166] Grundzüge der Verwaltungsrechtsordnung. von Steuern, wie umgekehrt Zahlung von Gehältern und öffentlich- rechtlichen Entschädigungen schaffen einen rechtlichen Zustand, mit dessen Begründung das öffentlichrechtliche Rechtsinstitut zu Ende ist; der Zustand selbst, wie er nunmehr nach allen Seiten wirksam be- steht, ist fortan nach den Regeln des civilrechtlichen Eigentums zu beurteilen 15. 3. Manche Rechtsinstitute sind geradezu darauf gerichtet, durch die Einwirkung der öffentlichen Gewalt eine Änderung civilrechtlicher Verhältnisse zwischen den Unter- thanen hervorzubringen. Das macht die Justiz im Teilungs- und Aufgebotsverfahren, die Verwaltung, indem sie Grundlasten auf- hebt, Grundstücke zusammenlegt, Nutzungsrechte an fremden Wasser- läufen begründet u. s. w. Der Akt selbst ist öffentlichrechtlicher Natur, so gut wie das Teilungsurteil auch, die begründeten Rechte sind civilrechtlich, und die Rechtsinstitute im Gegensatz zu den bis- herigen gehören zum Gebiete des Civilrechts 16. 4. An die Wirkungen des öffentlichen Rechtsinstituts zwischen dem Staat und dem Unterthan können sich civilrechtliche Rechts- verhältnisse des letzteren anknüpfen, bedingt durch jene, aber auf dieser Voraussetzung selbständig begründet nach einem 15 Über die Natur dieses Umschlags dinglicher Rechte vgl. unten die Lehre von der Enteignung. Der Unterschied gegenüber dem vorigen Fall ist der, daſs der Zustand eines öffentlichen Rechts gar nicht erst begründet wird; sobald das öffentlichrechtliche Rechtsinstitut gewirkt hat und abgeschlossen ist, wird das Civilrecht Herr. Unrichtig ist die Unterscheidung Mittermeiers in Civil.Arch. III S. 323: Die Wegnahme von Eigentum durch die Enteignung ist öffentlichrechtlich, „aber die Wirkungen für den enteigneten Eigentümer sind privatrechtlich“. Wenn die Wegnahme des Eigentums fertig ist, ist keine weitere Wirkung auf seiten des bisherigen Eigentümers zu verspüren. 16 G. Meyer, V.R. I § 101 und 103, faſst die wichtigsten Arten solcher Akte zusammen unter der Überschrift „Ordnung der Agrarverhältnisse“; in § 108 kommen dann noch ähnliche Akte für die Ordnung der Benützung des Wassers. Er nennt sie „rechtsaufhebende und rechtsbegründende Verfügungen“ und stellt sie der Enteignung gleich. Das letztere ist nicht richtig. Die Enteignung nimmt das Grundstück für die eigenen Zwecke der Verwaltung in Anspruch. Wenn aber die öffentliche Gewalt sich dafür einsetzt, die Agrarverhältnisse und die Wassernutzungen in der hier fraglichen Weise zu ordnen, so erzeugt sie civilrechtliche Wirkungen zwischen den Unterthanen und begnügt sich damit. Was weiter daraus wird, ist dem freien Spiel civilrechtlicher juristischer Thatsachen zwischen diesen überlassen. Geradeso macht es das Civilgesetz. Jene Akte sind Hülfsthätigkeiten der Verwaltungsbehörden für das Civilrecht, geradeso wie sie solche im Standesamt, im Patentamt und ähnlichen Anstalten entwickeln.

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Zitationshilfe: Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 1. Leipzig, 1895, S. 146. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_verwaltungsrecht01_1895/166>, abgerufen am 30.04.2024.