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Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 1. Leipzig, 1895.

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§ 11. Das Verwaltungsrechtsinstitut und die Scheidung vom Civilrecht.

Von dieser Auffassung aus geht man aber sehr häufig noch einen
Schritt weiter und erklärt den Fiskus für den Staat als Privat-
rechtssubjekt,
den Staat in civilrechtlicher Hinsicht.
Das ist gleichfalls eine wichtige Unterscheidung, aber eine andere als
die zuerst gegebene10. Es fallen dann aus dem Begriff des Fiskus
heraus alle Fälle, in welchen der Staat vermögensrechtlich aber
öffentlichrechtlich dem Einzelnen gegenübertritt. Ferner ist damit
nicht sowohl eine Seite des Staates bezeichnet, als vielmehr ein
Urteil abgegeben dahin, dass die zum Civilrecht neigende Natur dieser
Seite im Einzelfall wirksam werde: Fiskus ist der Staat, sofern er
in civilrechtliche Beziehungen tritt.

Endlich steht daneben noch eine dritte Verwendung dieses Aus-
drucks, die dem Grundgedanken nach mit der letzterwähnten über-
einstimmt, in ihren Folgerungen aber darüber hinausführt. Die An-
wendbarkeit des Civilrechts auf den Staat beruht, wie wir sehen, auf
der Idee, dass das Gleiche auch gleich geordnet sein soll. Wenn aber
der Staat als Subjekt von Vermögensrechten Lebensäusserungen auf-
weist, die denen der Einzelnen gleichartig sind, so fordert er damit
die gleichmässige Anwendung auch anderer Ordnungen heraus, die für
diese bestimmt sind. Auch das öffentliche Recht ist rück-
bezüglich auf den Staat wie das Civilrecht;
die Ver-
waltungsrechtsinstitute richten sich gegen ihn: er wird enteignet, von
Gemeinde oder Provinz besteuert, trägt Schullasten und Wegelasten,
unterliegt polizeilichen Ordnungen und strafrechtlichen Haftbarkeiten.
Wenn man das Urteil abgeben will, dass er im Einzelfall einer solchen
öffentlichrechtlichen Einwirkung unterliegt gleich einem Privaten, so
nennt man ihn wieder Fiskus11.

10 Laband, St.R. II S. 839 ff.; Zorn, St.R. II S. 220.
11 O.V.G. 24. März 1877 (Samml. II S. 132): "dass der Fiskus verpflichtet
sei, zu den Kommunallasten gleich einem Bauern beizutragen". Ebenso O.V.G.
14. Juni 1879, 18. Mai 1881, 21. Juni 1882, 22. Juni 1886, 23. April 1887. --
O.V.G. 29. Nov. 1876: die städtische Polizeiverwaltung nimmt im Zwangsverfahren
den Fiskus in Anspruch, die Strasse bis zur Mitte rein zu halten; O.V.G. 16. Febr.
1884: der Fiskus als Eigentümer des für den öffentlichen Verkehr in Anspruch
genommenen Weges. Über die Enteignung des Fiskus vgl. unten die Lehre von
diesem Rechtsinstitut. Bl. f. adm. Pr. 1877 S. 287: "das Bauärar erscheint renitent
gegenüber der Verpflichtung, das Ufer von allen Hindernissen des Wasserablaufs
freizuhalten" und wird deshalb vom Bezirksamt verurteilt, den störenden Strassen-
durchlass zu ändern. O.V.G. 22. Febr. 1882 (Samml. VIII S. 104): die Reskripte gegen
das "Bauernlegen" beziehen sich auch auf den Fiskus. O.V.G. 5. Sept. 1878
(Samml. V S. 328): der Fiskus bedarf "wie jeder andere Privatmann" des polizei-
lichen Baukonsenses; ebenso eine Schiesspulverfabrik des Militärfiskus; das In-
§ 11. Das Verwaltungsrechtsinstitut und die Scheidung vom Civilrecht.

Von dieser Auffassung aus geht man aber sehr häufig noch einen
Schritt weiter und erklärt den Fiskus für den Staat als Privat-
rechtssubjekt,
den Staat in civilrechtlicher Hinsicht.
Das ist gleichfalls eine wichtige Unterscheidung, aber eine andere als
die zuerst gegebene10. Es fallen dann aus dem Begriff des Fiskus
heraus alle Fälle, in welchen der Staat vermögensrechtlich aber
öffentlichrechtlich dem Einzelnen gegenübertritt. Ferner ist damit
nicht sowohl eine Seite des Staates bezeichnet, als vielmehr ein
Urteil abgegeben dahin, daſs die zum Civilrecht neigende Natur dieser
Seite im Einzelfall wirksam werde: Fiskus ist der Staat, sofern er
in civilrechtliche Beziehungen tritt.

Endlich steht daneben noch eine dritte Verwendung dieses Aus-
drucks, die dem Grundgedanken nach mit der letzterwähnten über-
einstimmt, in ihren Folgerungen aber darüber hinausführt. Die An-
wendbarkeit des Civilrechts auf den Staat beruht, wie wir sehen, auf
der Idee, daſs das Gleiche auch gleich geordnet sein soll. Wenn aber
der Staat als Subjekt von Vermögensrechten Lebensäuſserungen auf-
weist, die denen der Einzelnen gleichartig sind, so fordert er damit
die gleichmäſsige Anwendung auch anderer Ordnungen heraus, die für
diese bestimmt sind. Auch das öffentliche Recht ist rück-
bezüglich auf den Staat wie das Civilrecht;
die Ver-
waltungsrechtsinstitute richten sich gegen ihn: er wird enteignet, von
Gemeinde oder Provinz besteuert, trägt Schullasten und Wegelasten,
unterliegt polizeilichen Ordnungen und strafrechtlichen Haftbarkeiten.
Wenn man das Urteil abgeben will, daſs er im Einzelfall einer solchen
öffentlichrechtlichen Einwirkung unterliegt gleich einem Privaten, so
nennt man ihn wieder Fiskus11.

10 Laband, St.R. II S. 839 ff.; Zorn, St.R. II S. 220.
11 O.V.G. 24. März 1877 (Samml. II S. 132): „daſs der Fiskus verpflichtet
sei, zu den Kommunallasten gleich einem Bauern beizutragen“. Ebenso O.V.G.
14. Juni 1879, 18. Mai 1881, 21. Juni 1882, 22. Juni 1886, 23. April 1887. —
O.V.G. 29. Nov. 1876: die städtische Polizeiverwaltung nimmt im Zwangsverfahren
den Fiskus in Anspruch, die Straſse bis zur Mitte rein zu halten; O.V.G. 16. Febr.
1884: der Fiskus als Eigentümer des für den öffentlichen Verkehr in Anspruch
genommenen Weges. Über die Enteignung des Fiskus vgl. unten die Lehre von
diesem Rechtsinstitut. Bl. f. adm. Pr. 1877 S. 287: „das Bauärar erscheint renitent
gegenüber der Verpflichtung, das Ufer von allen Hindernissen des Wasserablaufs
freizuhalten“ und wird deshalb vom Bezirksamt verurteilt, den störenden Straſsen-
durchlaſs zu ändern. O.V.G. 22. Febr. 1882 (Samml. VIII S. 104): die Reskripte gegen
das „Bauernlegen“ beziehen sich auch auf den Fiskus. O.V.G. 5. Sept. 1878
(Samml. V S. 328): der Fiskus bedarf „wie jeder andere Privatmann“ des polizei-
lichen Baukonsenses; ebenso eine Schieſspulverfabrik des Militärfiskus; das In-
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[143/0163] § 11. Das Verwaltungsrechtsinstitut und die Scheidung vom Civilrecht. Von dieser Auffassung aus geht man aber sehr häufig noch einen Schritt weiter und erklärt den Fiskus für den Staat als Privat- rechtssubjekt, den Staat in civilrechtlicher Hinsicht. Das ist gleichfalls eine wichtige Unterscheidung, aber eine andere als die zuerst gegebene 10. Es fallen dann aus dem Begriff des Fiskus heraus alle Fälle, in welchen der Staat vermögensrechtlich aber öffentlichrechtlich dem Einzelnen gegenübertritt. Ferner ist damit nicht sowohl eine Seite des Staates bezeichnet, als vielmehr ein Urteil abgegeben dahin, daſs die zum Civilrecht neigende Natur dieser Seite im Einzelfall wirksam werde: Fiskus ist der Staat, sofern er in civilrechtliche Beziehungen tritt. Endlich steht daneben noch eine dritte Verwendung dieses Aus- drucks, die dem Grundgedanken nach mit der letzterwähnten über- einstimmt, in ihren Folgerungen aber darüber hinausführt. Die An- wendbarkeit des Civilrechts auf den Staat beruht, wie wir sehen, auf der Idee, daſs das Gleiche auch gleich geordnet sein soll. Wenn aber der Staat als Subjekt von Vermögensrechten Lebensäuſserungen auf- weist, die denen der Einzelnen gleichartig sind, so fordert er damit die gleichmäſsige Anwendung auch anderer Ordnungen heraus, die für diese bestimmt sind. Auch das öffentliche Recht ist rück- bezüglich auf den Staat wie das Civilrecht; die Ver- waltungsrechtsinstitute richten sich gegen ihn: er wird enteignet, von Gemeinde oder Provinz besteuert, trägt Schullasten und Wegelasten, unterliegt polizeilichen Ordnungen und strafrechtlichen Haftbarkeiten. Wenn man das Urteil abgeben will, daſs er im Einzelfall einer solchen öffentlichrechtlichen Einwirkung unterliegt gleich einem Privaten, so nennt man ihn wieder Fiskus 11. 10 Laband, St.R. II S. 839 ff.; Zorn, St.R. II S. 220. 11 O.V.G. 24. März 1877 (Samml. II S. 132): „daſs der Fiskus verpflichtet sei, zu den Kommunallasten gleich einem Bauern beizutragen“. Ebenso O.V.G. 14. Juni 1879, 18. Mai 1881, 21. Juni 1882, 22. Juni 1886, 23. April 1887. — O.V.G. 29. Nov. 1876: die städtische Polizeiverwaltung nimmt im Zwangsverfahren den Fiskus in Anspruch, die Straſse bis zur Mitte rein zu halten; O.V.G. 16. Febr. 1884: der Fiskus als Eigentümer des für den öffentlichen Verkehr in Anspruch genommenen Weges. Über die Enteignung des Fiskus vgl. unten die Lehre von diesem Rechtsinstitut. Bl. f. adm. Pr. 1877 S. 287: „das Bauärar erscheint renitent gegenüber der Verpflichtung, das Ufer von allen Hindernissen des Wasserablaufs freizuhalten“ und wird deshalb vom Bezirksamt verurteilt, den störenden Straſsen- durchlaſs zu ändern. O.V.G. 22. Febr. 1882 (Samml. VIII S. 104): die Reskripte gegen das „Bauernlegen“ beziehen sich auch auf den Fiskus. O.V.G. 5. Sept. 1878 (Samml. V S. 328): der Fiskus bedarf „wie jeder andere Privatmann“ des polizei- lichen Baukonsenses; ebenso eine Schieſspulverfabrik des Militärfiskus; das In-

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Zitationshilfe: Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 1. Leipzig, 1895, S. 143. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_verwaltungsrecht01_1895/163>, abgerufen am 30.04.2024.