Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 1. Leipzig, 1895.Grundzüge der Verwaltungsrechtsordnung. nur die, welche das geltende Recht selbst davon macht. Dieseaber lässt sich überall, wo es darauf ankommt, gar wohl erkennen. Die Sache liegt ja nicht so, dass uns nur eine vereinzelte That- Was zu thun ist, ist einfach. Was nützte uns alle Wissenschaft, Das ist unsere Ausscheidungsweise der beiden grossen Rechts- 6 Insofern mag man sagen: der Staat mache das Verhältnis zu einem öffent-
lichrechtlichen. Jellinek, Subj. öff. R. S. 59 ff., stellt sich das so vor, als wenn der Staat durch einen besonderen Willensakt erklärte: das soll als öffentlich- rechtlich angesehen werden und das nicht. Der Staat kann nach ihm "privatrecht- liche Ansprüche formell in öffentlichrechtliche verwandeln", und hat die Macht, "formell diese Ansprüche zu privat- oder öffentlichrechtlichen zu erklären" (S. 60). Das scheint auf einer Verwechslung zu beruhen mit den gesetzlichen Zuweisungen gewisser Sachen an die Verwaltungsgerichte oder an die Civilgerichte. Daraus lässt sich zwar manchmal vermuten, dass der Gesetzgeber die Sache so oder so an- gesehen hat, aber es kann auch gemeint sein, dass das Civilgericht öffentlichrecht- liche Sachen behandeln soll und umgekehrt. Jellinek setzt auch den Fall, dass gewisse Ansprüche nicht mehr nach Civilrecht, sondern "kraft positiver Anordnung nach öffentlichrechtlichen Normen zu beurteilen sind, mag ihre Natur nun die öffentlicher Rechte sein oder nicht". Wenn wirklich einmal eine derartige Be- stimmung vorläge, wäre es unseres Erachtens dem Theoretiker nicht mehr erlaubt zu zweifeln, ob das nach öffentlichem Rechte zu Beurteilende nun auch wirklich öffentlichrechtlich sei. Grundzüge der Verwaltungsrechtsordnung. nur die, welche das geltende Recht selbst davon macht. Dieseaber läſst sich überall, wo es darauf ankommt, gar wohl erkennen. Die Sache liegt ja nicht so, daſs uns nur eine vereinzelte That- Was zu thun ist, ist einfach. Was nützte uns alle Wissenschaft, Das ist unsere Ausscheidungsweise der beiden groſsen Rechts- 6 Insofern mag man sagen: der Staat mache das Verhältnis zu einem öffent-
lichrechtlichen. Jellinek, Subj. öff. R. S. 59 ff., stellt sich das so vor, als wenn der Staat durch einen besonderen Willensakt erklärte: das soll als öffentlich- rechtlich angesehen werden und das nicht. Der Staat kann nach ihm „privatrecht- liche Ansprüche formell in öffentlichrechtliche verwandeln“, und hat die Macht, „formell diese Ansprüche zu privat- oder öffentlichrechtlichen zu erklären“ (S. 60). Das scheint auf einer Verwechslung zu beruhen mit den gesetzlichen Zuweisungen gewisser Sachen an die Verwaltungsgerichte oder an die Civilgerichte. Daraus läſst sich zwar manchmal vermuten, daſs der Gesetzgeber die Sache so oder so an- gesehen hat, aber es kann auch gemeint sein, daſs das Civilgericht öffentlichrecht- liche Sachen behandeln soll und umgekehrt. Jellinek setzt auch den Fall, daſs gewisse Ansprüche nicht mehr nach Civilrecht, sondern „kraft positiver Anordnung nach öffentlichrechtlichen Normen zu beurteilen sind, mag ihre Natur nun die öffentlicher Rechte sein oder nicht“. Wenn wirklich einmal eine derartige Be- stimmung vorläge, wäre es unseres Erachtens dem Theoretiker nicht mehr erlaubt zu zweifeln, ob das nach öffentlichem Rechte zu Beurteilende nun auch wirklich öffentlichrechtlich sei. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0160" n="140"/><fw place="top" type="header">Grundzüge der Verwaltungsrechtsordnung.</fw><lb/> nur die, welche das <hi rendition="#g">geltende Recht</hi> selbst davon macht. Diese<lb/> aber läſst sich überall, wo es darauf ankommt, gar wohl erkennen.</p><lb/> <p>Die Sache liegt ja nicht so, daſs uns nur eine vereinzelte That-<lb/> sache vorgelegt würde und wir nun zu sagen hätten, so oder so muſs<lb/> es weiter gehen. Sondern wie die Verhältnisse in Wirklichkeit ge-<lb/> staltet sind, das steht uns mit allen Einzelheiten vor Augen; es ist<lb/> eine feste gleichmäſsige Gesamtheit von Erscheinungen, welche die<lb/> Wirklichkeit des geltenden Rechtes uns bietet und die wir nur zu<lb/> beurteilen haben. Wie es auf dem Boden des Civilrechts hergeht,<lb/> das wissen wir; wie sich im Gegensatze dazu die Einzelheiten eines<lb/> Verhältnisses vom Boden des öffentlichen Rechtes aus entwickeln, das<lb/> behaupten wir auch zu wissen. Das gegenwärtige Buch soll dazu bei-<lb/> tragen, diese Erkenntnis der besonderen Natur der Verwaltungsrechts-<lb/> institute noch weiter zu fördern.</p><lb/> <p>Was zu thun ist, ist einfach. Was nützte uns alle Wissenschaft,<lb/> wenn sie nicht dazu diente, die Wirklichkeit des Rechtes besser ver-<lb/> ständlich zu machen? Wir legen also, wo es zweifelhaft ist, ob ein<lb/> civilrechtliches oder ein öffentlichrechtliches Rechtsinstitut gegeben ist,<lb/> an die Wirklichkeit seiner Erscheinung die beiden bekannten Maſs-<lb/> stäbe an. <hi rendition="#g">Mit welchem von beiden alle gegebenen Einzel-<lb/> heiten natürlicher, unmittelbarer, widerspruchsloser<lb/> sich erklären lassen, das ist der richtige</hi>. Das geltende<lb/> Recht hat uns je nachdem ein civilrechtliches oder ein öffentlichrecht-<lb/> liches Rechtsinstitut geliefert<note place="foot" n="6">Insofern mag man sagen: der Staat mache das Verhältnis zu einem öffent-<lb/> lichrechtlichen. <hi rendition="#g">Jellinek,</hi> Subj. öff. R. S. 59 ff., stellt sich das so vor, als<lb/> wenn der Staat durch einen besonderen Willensakt erklärte: das soll als öffentlich-<lb/> rechtlich angesehen werden und das nicht. Der Staat kann nach ihm „privatrecht-<lb/> liche Ansprüche formell in öffentlichrechtliche verwandeln“, und hat die Macht,<lb/> „formell diese Ansprüche zu privat- oder öffentlichrechtlichen zu erklären“ (S. 60).<lb/> Das scheint auf einer Verwechslung zu beruhen mit den gesetzlichen Zuweisungen<lb/> gewisser Sachen an die Verwaltungsgerichte oder an die Civilgerichte. Daraus<lb/> läſst sich zwar manchmal vermuten, daſs der Gesetzgeber die Sache so oder so an-<lb/> gesehen hat, aber es kann auch gemeint sein, daſs das Civilgericht öffentlichrecht-<lb/> liche Sachen behandeln soll und umgekehrt. Jellinek setzt auch den Fall, daſs<lb/> gewisse Ansprüche nicht mehr nach Civilrecht, sondern „kraft positiver Anordnung<lb/> nach öffentlichrechtlichen Normen zu beurteilen sind, mag ihre Natur nun die<lb/> öffentlicher Rechte sein oder nicht“. Wenn wirklich einmal eine derartige Be-<lb/> stimmung vorläge, wäre es unseres Erachtens dem Theoretiker nicht mehr erlaubt<lb/> zu zweifeln, ob das nach öffentlichem Rechte zu Beurteilende nun auch wirklich<lb/> öffentlichrechtlich sei.</note>.</p><lb/> <p>Das ist unsere Ausscheidungsweise der beiden groſsen Rechts-<lb/> gebiete. Sie hängt aufs innigste zusammen mit der in unserem be-<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [140/0160]
Grundzüge der Verwaltungsrechtsordnung.
nur die, welche das geltende Recht selbst davon macht. Diese
aber läſst sich überall, wo es darauf ankommt, gar wohl erkennen.
Die Sache liegt ja nicht so, daſs uns nur eine vereinzelte That-
sache vorgelegt würde und wir nun zu sagen hätten, so oder so muſs
es weiter gehen. Sondern wie die Verhältnisse in Wirklichkeit ge-
staltet sind, das steht uns mit allen Einzelheiten vor Augen; es ist
eine feste gleichmäſsige Gesamtheit von Erscheinungen, welche die
Wirklichkeit des geltenden Rechtes uns bietet und die wir nur zu
beurteilen haben. Wie es auf dem Boden des Civilrechts hergeht,
das wissen wir; wie sich im Gegensatze dazu die Einzelheiten eines
Verhältnisses vom Boden des öffentlichen Rechtes aus entwickeln, das
behaupten wir auch zu wissen. Das gegenwärtige Buch soll dazu bei-
tragen, diese Erkenntnis der besonderen Natur der Verwaltungsrechts-
institute noch weiter zu fördern.
Was zu thun ist, ist einfach. Was nützte uns alle Wissenschaft,
wenn sie nicht dazu diente, die Wirklichkeit des Rechtes besser ver-
ständlich zu machen? Wir legen also, wo es zweifelhaft ist, ob ein
civilrechtliches oder ein öffentlichrechtliches Rechtsinstitut gegeben ist,
an die Wirklichkeit seiner Erscheinung die beiden bekannten Maſs-
stäbe an. Mit welchem von beiden alle gegebenen Einzel-
heiten natürlicher, unmittelbarer, widerspruchsloser
sich erklären lassen, das ist der richtige. Das geltende
Recht hat uns je nachdem ein civilrechtliches oder ein öffentlichrecht-
liches Rechtsinstitut geliefert 6.
Das ist unsere Ausscheidungsweise der beiden groſsen Rechts-
gebiete. Sie hängt aufs innigste zusammen mit der in unserem be-
6 Insofern mag man sagen: der Staat mache das Verhältnis zu einem öffent-
lichrechtlichen. Jellinek, Subj. öff. R. S. 59 ff., stellt sich das so vor, als
wenn der Staat durch einen besonderen Willensakt erklärte: das soll als öffentlich-
rechtlich angesehen werden und das nicht. Der Staat kann nach ihm „privatrecht-
liche Ansprüche formell in öffentlichrechtliche verwandeln“, und hat die Macht,
„formell diese Ansprüche zu privat- oder öffentlichrechtlichen zu erklären“ (S. 60).
Das scheint auf einer Verwechslung zu beruhen mit den gesetzlichen Zuweisungen
gewisser Sachen an die Verwaltungsgerichte oder an die Civilgerichte. Daraus
läſst sich zwar manchmal vermuten, daſs der Gesetzgeber die Sache so oder so an-
gesehen hat, aber es kann auch gemeint sein, daſs das Civilgericht öffentlichrecht-
liche Sachen behandeln soll und umgekehrt. Jellinek setzt auch den Fall, daſs
gewisse Ansprüche nicht mehr nach Civilrecht, sondern „kraft positiver Anordnung
nach öffentlichrechtlichen Normen zu beurteilen sind, mag ihre Natur nun die
öffentlicher Rechte sein oder nicht“. Wenn wirklich einmal eine derartige Be-
stimmung vorläge, wäre es unseres Erachtens dem Theoretiker nicht mehr erlaubt
zu zweifeln, ob das nach öffentlichem Rechte zu Beurteilende nun auch wirklich
öffentlichrechtlich sei.
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