Die Anwendbarkeit des Civilrechts auf den Staat gründet sich nicht mehr auf das Bedürfnis, Recht und Rechtsordnung auch für ihn wirksam zu machen. Dem kann jetzt auch in anderer Weise ent- sprochen werden. Wem heute noch das Civilrecht und der Civil- richter unentbehrlich sind, wo von Recht ernsthaft die Rede sein soll, der ist nur ein Nachzügler aus der vorübergegangenen Welt des Polizeistaates. Deren giebt es allerdings, eingestanden und unein- gestanden, noch viele.
Der Grund dieser Anwendbarkeit ist vielmehr einfach der, dass es der guten Ordnung entspricht und als selbstverständlich gewollt gelten muss, dass das von Natur Gleichartige auch gleich geordnet werde. Deshalb ist es gar nicht nötig, dass das Civilgesetz etwa aus- drücklich ausspreche, es wolle auch auf den Staat zur Anwendung kommen; ein solcher Ausspruch findet sich auch in Wirklichkeit nicht; es versteht sich von selbst, dass das Civilgesetz, der Civilrechtssatz den Staat trifft, sobald dieser thatsächlich die Erscheinungen aufweist, für welche seine Bestimmungen gegeben sind.
Das Civilrecht giebt seine Bestimmungen für die Verhältnisse der Einzelnen unter einander; Voraussetzung für die Anwendbarkeit des Civilrechts auf den Staat ist also, dass er in eine Beziehung tritt, wie sie auch unter den Einzelnen erscheint.
Dabei kann es sich bloss um Anwendung der vermögens- rechtlichen Bestimmungen handeln; denn für Familienrecht, Erb- recht, Personenrecht bietet die Verwaltung niemals die entsprechen- den Beziehungen. Den Satz, dass nur der vermögensrechtliche Teil des Civilrechts möglicher Weise Anwendung auf den Staat finden kann, darf man selbstverständlich nicht dahin verunstalten, dass der Staat überall dem Civilrecht unterliege, wo Vermögen, Geld und Geldwert bei seiner Thätigkeit in Frage ist. Es giebt vermögens- rechtliche Ordnungen des Civilrechts und vermögensrechtliche Ord- nungen des Verwaltungsrechts4. Wenn die ersten zur Anwendung kommen sollen, muss der Staat sich in dem vermögensrechtlich zu ordnenden wirtschaftlichen Verhältnisse benommen haben, wie ein Einzelner: er muss privatwirtschaftlich aufgetreten sein.
Dass der Herrschaftsbereich des Civilrechts gegenüber dem Staat in dieser Weise abgegrenzt ist, darüber ist eigentlich kein Streit. Wir erhalten den Gedanken auf verschiedene Weise ausgedrückt und gewendet; der Kern ist immer der gleiche5.
4 Vgl. oben Note 2.
5 Eine Zusammenstellung solcher Formeln in Arch. f. öff. R. III S. 35. Vgl. auch Brater in Bl. f. adm. Pr. V S. 101: "Ein Rechtsverhältnis, das im Privat-
Grundzüge der Verwaltungsrechtsordnung.
Die Anwendbarkeit des Civilrechts auf den Staat gründet sich nicht mehr auf das Bedürfnis, Recht und Rechtsordnung auch für ihn wirksam zu machen. Dem kann jetzt auch in anderer Weise ent- sprochen werden. Wem heute noch das Civilrecht und der Civil- richter unentbehrlich sind, wo von Recht ernsthaft die Rede sein soll, der ist nur ein Nachzügler aus der vorübergegangenen Welt des Polizeistaates. Deren giebt es allerdings, eingestanden und unein- gestanden, noch viele.
Der Grund dieser Anwendbarkeit ist vielmehr einfach der, daſs es der guten Ordnung entspricht und als selbstverständlich gewollt gelten muſs, daſs das von Natur Gleichartige auch gleich geordnet werde. Deshalb ist es gar nicht nötig, daſs das Civilgesetz etwa aus- drücklich ausspreche, es wolle auch auf den Staat zur Anwendung kommen; ein solcher Ausspruch findet sich auch in Wirklichkeit nicht; es versteht sich von selbst, daſs das Civilgesetz, der Civilrechtssatz den Staat trifft, sobald dieser thatsächlich die Erscheinungen aufweist, für welche seine Bestimmungen gegeben sind.
Das Civilrecht giebt seine Bestimmungen für die Verhältnisse der Einzelnen unter einander; Voraussetzung für die Anwendbarkeit des Civilrechts auf den Staat ist also, daſs er in eine Beziehung tritt, wie sie auch unter den Einzelnen erscheint.
Dabei kann es sich bloſs um Anwendung der vermögens- rechtlichen Bestimmungen handeln; denn für Familienrecht, Erb- recht, Personenrecht bietet die Verwaltung niemals die entsprechen- den Beziehungen. Den Satz, daſs nur der vermögensrechtliche Teil des Civilrechts möglicher Weise Anwendung auf den Staat finden kann, darf man selbstverständlich nicht dahin verunstalten, daſs der Staat überall dem Civilrecht unterliege, wo Vermögen, Geld und Geldwert bei seiner Thätigkeit in Frage ist. Es giebt vermögens- rechtliche Ordnungen des Civilrechts und vermögensrechtliche Ord- nungen des Verwaltungsrechts4. Wenn die ersten zur Anwendung kommen sollen, muſs der Staat sich in dem vermögensrechtlich zu ordnenden wirtschaftlichen Verhältnisse benommen haben, wie ein Einzelner: er muſs privatwirtschaftlich aufgetreten sein.
Daſs der Herrschaftsbereich des Civilrechts gegenüber dem Staat in dieser Weise abgegrenzt ist, darüber ist eigentlich kein Streit. Wir erhalten den Gedanken auf verschiedene Weise ausgedrückt und gewendet; der Kern ist immer der gleiche5.
4 Vgl. oben Note 2.
5 Eine Zusammenstellung solcher Formeln in Arch. f. öff. R. III S. 35. Vgl. auch Brater in Bl. f. adm. Pr. V S. 101: „Ein Rechtsverhältnis, das im Privat-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><pbfacs="#f0158"n="138"/><fwplace="top"type="header">Grundzüge der Verwaltungsrechtsordnung.</fw><lb/><p>Die Anwendbarkeit des Civilrechts auf den Staat gründet sich<lb/>
nicht mehr auf das Bedürfnis, Recht und Rechtsordnung auch für ihn<lb/>
wirksam zu machen. Dem kann jetzt auch in anderer Weise ent-<lb/>
sprochen werden. Wem heute noch das Civilrecht und der Civil-<lb/>
richter unentbehrlich sind, wo von Recht ernsthaft die Rede sein soll,<lb/>
der ist nur ein Nachzügler aus der vorübergegangenen Welt des<lb/>
Polizeistaates. Deren giebt es allerdings, eingestanden und unein-<lb/>
gestanden, noch viele.</p><lb/><p>Der Grund dieser Anwendbarkeit ist vielmehr einfach der, daſs es<lb/>
der guten Ordnung entspricht und als selbstverständlich gewollt gelten<lb/>
muſs, daſs das von Natur <hirendition="#g">Gleichartige</hi> auch <hirendition="#g">gleich geordnet</hi><lb/>
werde. Deshalb ist es gar nicht nötig, daſs das Civilgesetz etwa aus-<lb/>
drücklich ausspreche, es wolle auch auf den Staat zur Anwendung<lb/>
kommen; ein solcher Ausspruch findet sich auch in Wirklichkeit nicht;<lb/>
es versteht sich von selbst, daſs das Civilgesetz, der Civilrechtssatz<lb/>
den Staat trifft, sobald dieser thatsächlich die Erscheinungen aufweist,<lb/>
für welche seine Bestimmungen gegeben sind.</p><lb/><p>Das Civilrecht giebt seine Bestimmungen für die Verhältnisse der<lb/>
Einzelnen unter einander; Voraussetzung für die Anwendbarkeit des<lb/>
Civilrechts auf den Staat ist also, daſs er in eine Beziehung tritt, wie<lb/>
sie auch unter den Einzelnen erscheint.</p><lb/><p>Dabei kann es sich bloſs um Anwendung der <hirendition="#g">vermögens-<lb/>
rechtlichen</hi> Bestimmungen handeln; denn für Familienrecht, Erb-<lb/>
recht, Personenrecht bietet die Verwaltung niemals die entsprechen-<lb/>
den Beziehungen. Den Satz, daſs nur der vermögensrechtliche Teil<lb/>
des Civilrechts möglicher Weise Anwendung auf den Staat finden<lb/>
kann, darf man selbstverständlich nicht dahin verunstalten, daſs der<lb/>
Staat überall dem Civilrecht unterliege, wo Vermögen, Geld und<lb/>
Geldwert bei seiner Thätigkeit in Frage ist. Es giebt vermögens-<lb/>
rechtliche Ordnungen des Civilrechts und vermögensrechtliche Ord-<lb/>
nungen des Verwaltungsrechts<noteplace="foot"n="4">Vgl. oben Note 2.</note>. Wenn die ersten zur Anwendung<lb/>
kommen sollen, muſs der Staat sich in dem vermögensrechtlich zu<lb/>
ordnenden wirtschaftlichen Verhältnisse benommen haben, wie ein<lb/>
Einzelner: er muſs <hirendition="#g">privatwirtschaftlich</hi> aufgetreten sein.</p><lb/><p>Daſs der Herrschaftsbereich des Civilrechts gegenüber dem Staat<lb/>
in dieser Weise abgegrenzt ist, darüber ist eigentlich kein Streit.<lb/>
Wir erhalten den Gedanken auf verschiedene Weise ausgedrückt und<lb/>
gewendet; der Kern ist immer der gleiche<notexml:id="seg2pn_27_1"next="#seg2pn_27_2"place="foot"n="5">Eine Zusammenstellung solcher Formeln in Arch. f. öff. R. III S. 35. Vgl.<lb/>
auch <hirendition="#g">Brater</hi> in Bl. f. adm. Pr. V S. 101: „Ein Rechtsverhältnis, das im Privat-</note>.</p><lb/></div></div></div></body></text></TEI>
[138/0158]
Grundzüge der Verwaltungsrechtsordnung.
Die Anwendbarkeit des Civilrechts auf den Staat gründet sich
nicht mehr auf das Bedürfnis, Recht und Rechtsordnung auch für ihn
wirksam zu machen. Dem kann jetzt auch in anderer Weise ent-
sprochen werden. Wem heute noch das Civilrecht und der Civil-
richter unentbehrlich sind, wo von Recht ernsthaft die Rede sein soll,
der ist nur ein Nachzügler aus der vorübergegangenen Welt des
Polizeistaates. Deren giebt es allerdings, eingestanden und unein-
gestanden, noch viele.
Der Grund dieser Anwendbarkeit ist vielmehr einfach der, daſs es
der guten Ordnung entspricht und als selbstverständlich gewollt gelten
muſs, daſs das von Natur Gleichartige auch gleich geordnet
werde. Deshalb ist es gar nicht nötig, daſs das Civilgesetz etwa aus-
drücklich ausspreche, es wolle auch auf den Staat zur Anwendung
kommen; ein solcher Ausspruch findet sich auch in Wirklichkeit nicht;
es versteht sich von selbst, daſs das Civilgesetz, der Civilrechtssatz
den Staat trifft, sobald dieser thatsächlich die Erscheinungen aufweist,
für welche seine Bestimmungen gegeben sind.
Das Civilrecht giebt seine Bestimmungen für die Verhältnisse der
Einzelnen unter einander; Voraussetzung für die Anwendbarkeit des
Civilrechts auf den Staat ist also, daſs er in eine Beziehung tritt, wie
sie auch unter den Einzelnen erscheint.
Dabei kann es sich bloſs um Anwendung der vermögens-
rechtlichen Bestimmungen handeln; denn für Familienrecht, Erb-
recht, Personenrecht bietet die Verwaltung niemals die entsprechen-
den Beziehungen. Den Satz, daſs nur der vermögensrechtliche Teil
des Civilrechts möglicher Weise Anwendung auf den Staat finden
kann, darf man selbstverständlich nicht dahin verunstalten, daſs der
Staat überall dem Civilrecht unterliege, wo Vermögen, Geld und
Geldwert bei seiner Thätigkeit in Frage ist. Es giebt vermögens-
rechtliche Ordnungen des Civilrechts und vermögensrechtliche Ord-
nungen des Verwaltungsrechts 4. Wenn die ersten zur Anwendung
kommen sollen, muſs der Staat sich in dem vermögensrechtlich zu
ordnenden wirtschaftlichen Verhältnisse benommen haben, wie ein
Einzelner: er muſs privatwirtschaftlich aufgetreten sein.
Daſs der Herrschaftsbereich des Civilrechts gegenüber dem Staat
in dieser Weise abgegrenzt ist, darüber ist eigentlich kein Streit.
Wir erhalten den Gedanken auf verschiedene Weise ausgedrückt und
gewendet; der Kern ist immer der gleiche 5.
4 Vgl. oben Note 2.
5 Eine Zusammenstellung solcher Formeln in Arch. f. öff. R. III S. 35. Vgl.
auch Brater in Bl. f. adm. Pr. V S. 101: „Ein Rechtsverhältnis, das im Privat-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 1. Leipzig, 1895, S. 138. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_verwaltungsrecht01_1895/158>, abgerufen am 26.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.