Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 1. Leipzig, 1895.Grundzüge der Verwaltungsrechtsordnung. 2. Die zweite Art von subjektiven öffentlichen Rechten wird ge- Hier giebt das grossartigste Beispiel das Recht der Selbst- genügt, so ist es erloschen und es besteht wieder bloss die verfassungsmässig ge- schützte Freiheit, die kein Recht ist. Die vorbehaltene Gewerbepolizeierlaubnis darf unter Umständen nicht verweigert werden; bei wem diese zutreffen, für den entsteht mit der Einreichung seines Gesuches ein Recht auf die Bewilligung; ist dieses Recht durch die Bewilligung befriedigt, so erlischt es, die Erweiterung oder Wiederherstellung der Freiheit, die es erzielte, ist ihrerseits kein Recht (Seydel in Annalen 1881 S. 637). 20 Rosin in Annalen 1883 S. 288 ff. 21 Nach Laband, St.R. I S. 308, wäre das Wahlrecht überhaupt kein richtiges
subjektives Recht, sondern nur der Widerschein der öffentlichen Einrichtungen, ein sogenanntes Reflexrecht. Nach Jellinek, Subj. öff. R. S. 152, besteht es "keineswegs in dem Recht zu wählen", sondern in dem Recht auf "Anerkennung der Eigenschaft als Wähler". Radnitzki, Parteiwillkür S. 30 ff., unterscheidet die "Fähigkeit oder Befugnis zu wählen", aus der dann erst durch die obrigkeit- lichen Einrichtungen, welche die Ausübung derselben ermöglichen, ein "subjektives Recht auf Zulassung zur Wahlhandlung" entsteht. -- Die Anerkennung als Wähler, ohne das Recht zu wählen, würde der Lehre von den Orden und Ehrenzeichen angehören; die Zulassung zur Wahlhandlung aber begreift nur die äusserliche Er- scheinung des Wahlrechts. Das Recht zu testieren, ist nicht das Recht, dem Notar ein Testament zu diktieren, sondern die Macht, unter Beobachtung dieser Formen die Wirkungen des Testamentes hervorzubringen. So ist das Wahlrecht nicht das Recht, einen Zettel in die Urne zu legen, sondern die Macht, auf diese Weise mitzuwirken an der Bestellung von Trägern der öffentlichen Gewalt; das ist mittel- bar eine Macht über die öffentliche Gewalt selbst und hat damit seinen guten Gegenstand und Inhalt, als echtes öffentliches Recht. Grundzüge der Verwaltungsrechtsordnung. 2. Die zweite Art von subjektiven öffentlichen Rechten wird ge- Hier giebt das groſsartigste Beispiel das Recht der Selbst- genügt, so ist es erloschen und es besteht wieder bloſs die verfassungsmäſsig ge- schützte Freiheit, die kein Recht ist. Die vorbehaltene Gewerbepolizeierlaubnis darf unter Umständen nicht verweigert werden; bei wem diese zutreffen, für den entsteht mit der Einreichung seines Gesuches ein Recht auf die Bewilligung; ist dieses Recht durch die Bewilligung befriedigt, so erlischt es, die Erweiterung oder Wiederherstellung der Freiheit, die es erzielte, ist ihrerseits kein Recht (Seydel in Annalen 1881 S. 637). 20 Rosin in Annalen 1883 S. 288 ff. 21 Nach Laband, St.R. I S. 308, wäre das Wahlrecht überhaupt kein richtiges
subjektives Recht, sondern nur der Widerschein der öffentlichen Einrichtungen, ein sogenanntes Reflexrecht. Nach Jellinek, Subj. öff. R. S. 152, besteht es „keineswegs in dem Recht zu wählen“, sondern in dem Recht auf „Anerkennung der Eigenschaft als Wähler“. Radnitzki, Parteiwillkür S. 30 ff., unterscheidet die „Fähigkeit oder Befugnis zu wählen“, aus der dann erst durch die obrigkeit- lichen Einrichtungen, welche die Ausübung derselben ermöglichen, ein „subjektives Recht auf Zulassung zur Wahlhandlung“ entsteht. — Die Anerkennung als Wähler, ohne das Recht zu wählen, würde der Lehre von den Orden und Ehrenzeichen angehören; die Zulassung zur Wahlhandlung aber begreift nur die äuſserliche Er- scheinung des Wahlrechts. Das Recht zu testieren, ist nicht das Recht, dem Notar ein Testament zu diktieren, sondern die Macht, unter Beobachtung dieser Formen die Wirkungen des Testamentes hervorzubringen. So ist das Wahlrecht nicht das Recht, einen Zettel in die Urne zu legen, sondern die Macht, auf diese Weise mitzuwirken an der Bestellung von Trägern der öffentlichen Gewalt; das ist mittel- bar eine Macht über die öffentliche Gewalt selbst und hat damit seinen guten Gegenstand und Inhalt, als echtes öffentliches Recht. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0134" n="114"/> <fw place="top" type="header">Grundzüge der Verwaltungsrechtsordnung.</fw><lb/> <p>2. Die zweite Art von subjektiven öffentlichen Rechten wird ge-<lb/> bildet von <hi rendition="#g">öffentlichrechtlichen Besitzständen</hi>. Ein Stück<lb/> der öffentlichen Gewalt, eine Machtäuſserung, die ihr eigentümlich ist,<lb/> ist abgezweigt und in die Hand des Unterthanen gegeben, damit dieser<lb/> darüber Herr sei, für sich in eigenem Namen und eigenem Interesse<lb/> sie ausübe.</p><lb/> <p>Hier giebt das groſsartigste Beispiel das Recht der <hi rendition="#g">Selbst-<lb/> verwaltung</hi> mit allen daran hängenden Nebeninstituten. Der<lb/> Selbstverwaltungskörper ist ausgestattet mit einem <hi rendition="#g">Stück öffent-<lb/> licher Verwaltung,</hi> das er dem Staate und anderen Selbstver-<lb/> waltungskörpern gegenüber zu <hi rendition="#g">eigenem Rechte</hi> besitzt und geltend<lb/> macht gegenüber den anderen Unterthanen in der Weise, wie eben<lb/> die öffentliche Gewalt sich geltend macht<note place="foot" n="20"><hi rendition="#g">Rosin</hi> in Annalen 1883 S. 288 ff.</note>. Die Bestellung der Ver-<lb/> treter eines solchen Körpers, welche namens desselben diese Gewalt<lb/> ausüben sollen, ist selbst wieder ein Akt der öffentlichen Gewalt:<lb/> das den Gemeindegliedern zustehende <hi rendition="#g">Wahlrecht</hi> ist ein öffent-<lb/> liches Recht derselben<note place="foot" n="21">Nach <hi rendition="#g">Laband,</hi> St.R. I S. 308, wäre das Wahlrecht überhaupt kein richtiges<lb/> subjektives Recht, sondern nur der Widerschein der öffentlichen Einrichtungen,<lb/> ein sogenanntes Reflexrecht. Nach <hi rendition="#g">Jellinek,</hi> Subj. öff. R. S. 152, besteht es<lb/> „keineswegs in dem Recht zu wählen“, sondern in dem Recht auf „Anerkennung<lb/> der Eigenschaft als Wähler“. <hi rendition="#g">Radnitzki,</hi> Parteiwillkür S. 30 ff., unterscheidet<lb/> die „Fähigkeit oder Befugnis zu wählen“, aus der dann erst durch die obrigkeit-<lb/> lichen Einrichtungen, welche die Ausübung derselben ermöglichen, ein „subjektives<lb/> Recht auf Zulassung zur Wahlhandlung“ entsteht. — Die Anerkennung als Wähler,<lb/> ohne das Recht zu wählen, würde der Lehre von den Orden und Ehrenzeichen<lb/> angehören; die Zulassung zur Wahlhandlung aber begreift nur die äuſserliche Er-<lb/> scheinung des Wahlrechts. Das Recht zu testieren, ist nicht das Recht, dem Notar<lb/> ein Testament zu diktieren, sondern die Macht, unter Beobachtung dieser Formen<lb/> die Wirkungen des Testamentes hervorzubringen. So ist das Wahlrecht nicht das<lb/> Recht, einen Zettel in die Urne zu legen, sondern die Macht, auf diese Weise<lb/> mitzuwirken an der Bestellung von Trägern der öffentlichen Gewalt; das ist mittel-<lb/> bar eine Macht über die öffentliche Gewalt selbst und hat damit seinen guten<lb/> Gegenstand und Inhalt, als echtes öffentliches Recht.</note>. Die gewählten Vertreter, welche die Ver-<lb/> waltung des Selbstverwaltungskörpers führen, haben an dieser selbst<lb/> kein eignes Recht; sie üben damit nur die Rechte eines andern aus.<lb/><note xml:id="seg2pn_23_2" prev="#seg2pn_23_1" place="foot" n="19">genügt, so ist es erloschen und es besteht wieder bloſs die verfassungsmäſsig ge-<lb/> schützte Freiheit, die kein Recht ist. Die vorbehaltene Gewerbepolizeierlaubnis<lb/> darf unter Umständen nicht verweigert werden; bei wem diese zutreffen, für den<lb/> entsteht mit der Einreichung seines Gesuches ein Recht auf die Bewilligung; ist<lb/> dieses Recht durch die Bewilligung befriedigt, so erlischt es, die Erweiterung oder<lb/> Wiederherstellung der Freiheit, die es erzielte, ist ihrerseits kein Recht (<hi rendition="#g">Seydel</hi><lb/> in Annalen 1881 S. 637).</note><lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [114/0134]
Grundzüge der Verwaltungsrechtsordnung.
2. Die zweite Art von subjektiven öffentlichen Rechten wird ge-
bildet von öffentlichrechtlichen Besitzständen. Ein Stück
der öffentlichen Gewalt, eine Machtäuſserung, die ihr eigentümlich ist,
ist abgezweigt und in die Hand des Unterthanen gegeben, damit dieser
darüber Herr sei, für sich in eigenem Namen und eigenem Interesse
sie ausübe.
Hier giebt das groſsartigste Beispiel das Recht der Selbst-
verwaltung mit allen daran hängenden Nebeninstituten. Der
Selbstverwaltungskörper ist ausgestattet mit einem Stück öffent-
licher Verwaltung, das er dem Staate und anderen Selbstver-
waltungskörpern gegenüber zu eigenem Rechte besitzt und geltend
macht gegenüber den anderen Unterthanen in der Weise, wie eben
die öffentliche Gewalt sich geltend macht 20. Die Bestellung der Ver-
treter eines solchen Körpers, welche namens desselben diese Gewalt
ausüben sollen, ist selbst wieder ein Akt der öffentlichen Gewalt:
das den Gemeindegliedern zustehende Wahlrecht ist ein öffent-
liches Recht derselben 21. Die gewählten Vertreter, welche die Ver-
waltung des Selbstverwaltungskörpers führen, haben an dieser selbst
kein eignes Recht; sie üben damit nur die Rechte eines andern aus.
19
20 Rosin in Annalen 1883 S. 288 ff.
21 Nach Laband, St.R. I S. 308, wäre das Wahlrecht überhaupt kein richtiges
subjektives Recht, sondern nur der Widerschein der öffentlichen Einrichtungen,
ein sogenanntes Reflexrecht. Nach Jellinek, Subj. öff. R. S. 152, besteht es
„keineswegs in dem Recht zu wählen“, sondern in dem Recht auf „Anerkennung
der Eigenschaft als Wähler“. Radnitzki, Parteiwillkür S. 30 ff., unterscheidet
die „Fähigkeit oder Befugnis zu wählen“, aus der dann erst durch die obrigkeit-
lichen Einrichtungen, welche die Ausübung derselben ermöglichen, ein „subjektives
Recht auf Zulassung zur Wahlhandlung“ entsteht. — Die Anerkennung als Wähler,
ohne das Recht zu wählen, würde der Lehre von den Orden und Ehrenzeichen
angehören; die Zulassung zur Wahlhandlung aber begreift nur die äuſserliche Er-
scheinung des Wahlrechts. Das Recht zu testieren, ist nicht das Recht, dem Notar
ein Testament zu diktieren, sondern die Macht, unter Beobachtung dieser Formen
die Wirkungen des Testamentes hervorzubringen. So ist das Wahlrecht nicht das
Recht, einen Zettel in die Urne zu legen, sondern die Macht, auf diese Weise
mitzuwirken an der Bestellung von Trägern der öffentlichen Gewalt; das ist mittel-
bar eine Macht über die öffentliche Gewalt selbst und hat damit seinen guten
Gegenstand und Inhalt, als echtes öffentliches Recht.
19 genügt, so ist es erloschen und es besteht wieder bloſs die verfassungsmäſsig ge-
schützte Freiheit, die kein Recht ist. Die vorbehaltene Gewerbepolizeierlaubnis
darf unter Umständen nicht verweigert werden; bei wem diese zutreffen, für den
entsteht mit der Einreichung seines Gesuches ein Recht auf die Bewilligung; ist
dieses Recht durch die Bewilligung befriedigt, so erlischt es, die Erweiterung oder
Wiederherstellung der Freiheit, die es erzielte, ist ihrerseits kein Recht (Seydel
in Annalen 1881 S. 637).
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |