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May, Karl: Durchs Wilde Kurdistan. Freiburg (Breisgau), [1892].

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"Ich befürchte sehr, daß wir nicht Gebeine, sondern
nur Asche finden werden!"

"So laßt uns eilen!"

Wir brachen auf, das heißt, sämtliche Priester und
Kawals; die Fakirs aber blieben zur Beaufsichtigung von
Idiz zurück. Als wir oberhalb Scheik Adi bei dem Zelte
des Bey anlangten, sprach dieser mit einem Mann, den
er an den Kaimakam mit der Frage gesendet hatte, ob
die Türken den Priestern der Dschesidi erlauben würden,
den Scheiterhaufen zu untersuchen. Der Offizier hatte be-
jahend geantwortet und nur die Bedingung ausgesprochen,
daß die betreffenden Personen keine Waffen bei sich führen
sollten.

Ali Bey konnte die Scheiks nicht begleiten, da er
stets anderweit zur Disposition sein mußte. Ich bat, mich
anschließen zu dürfen, und das wurde mir gern gestattet.
Fast hätte man die Hauptsache vergessen: ein Gefäß, wel-
ches die Asche des Heiligen aufnehmen sollte. Auf eine
darauf bezügliche Frage zeigte der Bey, daß er auch be-
reits an diesen Umstand gedacht habe.

"Mir Scheik Khan, du weißt, daß der berühmte
Töpfer Rassat in Baazoni meinem Vater Hussein Bey
eine Urne machte, welche einst seinen Staub aufnehmen
soll, wenn es Zeit ist, ihn aus dem Grabe zu entfernen,
damit er nicht mit dem Mehle des Sarges vermengt und
verunreinigt werde. Diese Urne ist ein Meisterstück des
berühmten Töpfers und wohl wert, die Ueberreste des
Heiligen aufzunehmen. Sie steht in meinem Hause zu
Baadri, und ich habe bereits Boten ausgesandt, sie herbei-
zuholen. Sie wird ankommen, noch ehe ihr am Scheiter-
haufen eure Arbeit beendet habt."

Dies war genügend, und so setzte sich die Prozession
nach niederwärts in Bewegung. Wir kamen bei der Batterie

„Ich befürchte ſehr, daß wir nicht Gebeine, ſondern
nur Aſche finden werden!“

„So laßt uns eilen!“

Wir brachen auf, das heißt, ſämtliche Prieſter und
Kawals; die Fakirs aber blieben zur Beaufſichtigung von
Idiz zurück. Als wir oberhalb Scheik Adi bei dem Zelte
des Bey anlangten, ſprach dieſer mit einem Mann, den
er an den Kaimakam mit der Frage geſendet hatte, ob
die Türken den Prieſtern der Dſcheſidi erlauben würden,
den Scheiterhaufen zu unterſuchen. Der Offizier hatte be-
jahend geantwortet und nur die Bedingung ausgeſprochen,
daß die betreffenden Perſonen keine Waffen bei ſich führen
ſollten.

Ali Bey konnte die Scheiks nicht begleiten, da er
ſtets anderweit zur Dispoſition ſein mußte. Ich bat, mich
anſchließen zu dürfen, und das wurde mir gern geſtattet.
Faſt hätte man die Hauptſache vergeſſen: ein Gefäß, wel-
ches die Aſche des Heiligen aufnehmen ſollte. Auf eine
darauf bezügliche Frage zeigte der Bey, daß er auch be-
reits an dieſen Umſtand gedacht habe.

„Mir Scheik Khan, du weißt, daß der berühmte
Töpfer Raſſat in Baazoni meinem Vater Huſſein Bey
eine Urne machte, welche einſt ſeinen Staub aufnehmen
ſoll, wenn es Zeit iſt, ihn aus dem Grabe zu entfernen,
damit er nicht mit dem Mehle des Sarges vermengt und
verunreinigt werde. Dieſe Urne iſt ein Meiſterſtück des
berühmten Töpfers und wohl wert, die Ueberreſte des
Heiligen aufzunehmen. Sie ſteht in meinem Hauſe zu
Baadri, und ich habe bereits Boten ausgeſandt, ſie herbei-
zuholen. Sie wird ankommen, noch ehe ihr am Scheiter-
haufen eure Arbeit beendet habt.“

Dies war genügend, und ſo ſetzte ſich die Prozeſſion
nach niederwärts in Bewegung. Wir kamen bei der Batterie

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[84/0098] „Ich befürchte ſehr, daß wir nicht Gebeine, ſondern nur Aſche finden werden!“ „So laßt uns eilen!“ Wir brachen auf, das heißt, ſämtliche Prieſter und Kawals; die Fakirs aber blieben zur Beaufſichtigung von Idiz zurück. Als wir oberhalb Scheik Adi bei dem Zelte des Bey anlangten, ſprach dieſer mit einem Mann, den er an den Kaimakam mit der Frage geſendet hatte, ob die Türken den Prieſtern der Dſcheſidi erlauben würden, den Scheiterhaufen zu unterſuchen. Der Offizier hatte be- jahend geantwortet und nur die Bedingung ausgeſprochen, daß die betreffenden Perſonen keine Waffen bei ſich führen ſollten. Ali Bey konnte die Scheiks nicht begleiten, da er ſtets anderweit zur Dispoſition ſein mußte. Ich bat, mich anſchließen zu dürfen, und das wurde mir gern geſtattet. Faſt hätte man die Hauptſache vergeſſen: ein Gefäß, wel- ches die Aſche des Heiligen aufnehmen ſollte. Auf eine darauf bezügliche Frage zeigte der Bey, daß er auch be- reits an dieſen Umſtand gedacht habe. „Mir Scheik Khan, du weißt, daß der berühmte Töpfer Raſſat in Baazoni meinem Vater Huſſein Bey eine Urne machte, welche einſt ſeinen Staub aufnehmen ſoll, wenn es Zeit iſt, ihn aus dem Grabe zu entfernen, damit er nicht mit dem Mehle des Sarges vermengt und verunreinigt werde. Dieſe Urne iſt ein Meiſterſtück des berühmten Töpfers und wohl wert, die Ueberreſte des Heiligen aufzunehmen. Sie ſteht in meinem Hauſe zu Baadri, und ich habe bereits Boten ausgeſandt, ſie herbei- zuholen. Sie wird ankommen, noch ehe ihr am Scheiter- haufen eure Arbeit beendet habt.“ Dies war genügend, und ſo ſetzte ſich die Prozeſſion nach niederwärts in Bewegung. Wir kamen bei der Batterie

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Zitationshilfe: May, Karl: Durchs Wilde Kurdistan. Freiburg (Breisgau), [1892], S. 84. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/may_kurdistan_1892/98>, abgerufen am 25.11.2024.