will dir und deinen Truppen jetzt noch die Waffen lassen; aber ich habe einem Verbündeten Gewehre versprochen, und die wird der Gouverneur auf alle Fälle liefern müssen."
"Wer ist dieser Verbündete?"
"Kein Dschesidi verrät seinen Freund. Also du be- hältst deine Waffen, aber alle Munition lieferst du mir ab, und dafür verspreche ich dir, für den Proviant zu sorgen, dessen du bedarfst."
"Gebe ich dir die Munition, so ist es genau so, als ob du auch die Waffen hättest!"
Ali Bey lächelte.
"Wohl, so sollst du auch die Munition behalten; doch sage ich dir: wenn deine Leute Hunger bekommen und du mich um Proviant bittest, so werde ich dir den- selben nur gegen Flinten, Pistolen, Degen und Messer verkaufen. Also auf diese Weise seid ihr nicht kriegsgefan- gen, sondern wir schließen nur einen Waffenstillstand ab."
"So ist es, und darauf kann ich eingehen."
"Du siehst, daß ich sehr nachsichtig bin. Nun aber höre meine Bedingungen: Ihr bleibt im Thale Scheik Adi; ihr bleibt ohne alle Verbindung mit außen; ihr enthaltet euch aller Feindseligkeit gegen die Meinigen; ihr ehrt unsere Heiligtümer und unsere Wohnungen; erstere dürft ihr gar nicht betreten und die letzteren nur mit meiner Erlaubnis; der Waffenstillstand dauert so lange, bis euch ein Befehl des Mutessarif zugeht, und zwar wird dieser Befehl euch in meiner Gegenwart gegeben; jeder Fluchtversuch, auch eines einzelnen, und jede Zuwider- handlung gegen unsere Vereinbarung hebt den Waffen- stillstand sofort auf; ihr behaltet eure gegenwärtige Stel- lung und ich die meinige. Dagegen mache ich mich ver- bindlich, daß ich bis zu der angegebenen Zeit mich aller Feindseligkeiten enthalten werde. Bist du einverstanden?"
will dir und deinen Truppen jetzt noch die Waffen laſſen; aber ich habe einem Verbündeten Gewehre verſprochen, und die wird der Gouverneur auf alle Fälle liefern müſſen.“
„Wer iſt dieſer Verbündete?“
„Kein Dſcheſidi verrät ſeinen Freund. Alſo du be- hältſt deine Waffen, aber alle Munition lieferſt du mir ab, und dafür verſpreche ich dir, für den Proviant zu ſorgen, deſſen du bedarfſt.“
„Gebe ich dir die Munition, ſo iſt es genau ſo, als ob du auch die Waffen hätteſt!“
Ali Bey lächelte.
„Wohl, ſo ſollſt du auch die Munition behalten; doch ſage ich dir: wenn deine Leute Hunger bekommen und du mich um Proviant bitteſt, ſo werde ich dir den- ſelben nur gegen Flinten, Piſtolen, Degen und Meſſer verkaufen. Alſo auf dieſe Weiſe ſeid ihr nicht kriegsgefan- gen, ſondern wir ſchließen nur einen Waffenſtillſtand ab.“
„So iſt es, und darauf kann ich eingehen.“
„Du ſiehſt, daß ich ſehr nachſichtig bin. Nun aber höre meine Bedingungen: Ihr bleibt im Thale Scheik Adi; ihr bleibt ohne alle Verbindung mit außen; ihr enthaltet euch aller Feindſeligkeit gegen die Meinigen; ihr ehrt unſere Heiligtümer und unſere Wohnungen; erſtere dürft ihr gar nicht betreten und die letzteren nur mit meiner Erlaubnis; der Waffenſtillſtand dauert ſo lange, bis euch ein Befehl des Muteſſarif zugeht, und zwar wird dieſer Befehl euch in meiner Gegenwart gegeben; jeder Fluchtverſuch, auch eines einzelnen, und jede Zuwider- handlung gegen unſere Vereinbarung hebt den Waffen- ſtillſtand ſofort auf; ihr behaltet eure gegenwärtige Stel- lung und ich die meinige. Dagegen mache ich mich ver- bindlich, daß ich bis zu der angegebenen Zeit mich aller Feindſeligkeiten enthalten werde. Biſt du einverſtanden?“
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will dir und deinen Truppen jetzt noch die Waffen laſſen;
aber ich habe einem Verbündeten Gewehre verſprochen,
und die wird der Gouverneur auf alle Fälle liefern müſſen.“
„Wer iſt dieſer Verbündete?“
„Kein Dſcheſidi verrät ſeinen Freund. Alſo du be-
hältſt deine Waffen, aber alle Munition lieferſt du mir
ab, und dafür verſpreche ich dir, für den Proviant zu
ſorgen, deſſen du bedarfſt.“
„Gebe ich dir die Munition, ſo iſt es genau ſo, als
ob du auch die Waffen hätteſt!“
Ali Bey lächelte.
„Wohl, ſo ſollſt du auch die Munition behalten;
doch ſage ich dir: wenn deine Leute Hunger bekommen
und du mich um Proviant bitteſt, ſo werde ich dir den-
ſelben nur gegen Flinten, Piſtolen, Degen und Meſſer
verkaufen. Alſo auf dieſe Weiſe ſeid ihr nicht kriegsgefan-
gen, ſondern wir ſchließen nur einen Waffenſtillſtand ab.“
„So iſt es, und darauf kann ich eingehen.“
„Du ſiehſt, daß ich ſehr nachſichtig bin. Nun aber
höre meine Bedingungen: Ihr bleibt im Thale Scheik
Adi; ihr bleibt ohne alle Verbindung mit außen; ihr
enthaltet euch aller Feindſeligkeit gegen die Meinigen; ihr
ehrt unſere Heiligtümer und unſere Wohnungen; erſtere
dürft ihr gar nicht betreten und die letzteren nur mit
meiner Erlaubnis; der Waffenſtillſtand dauert ſo lange,
bis euch ein Befehl des Muteſſarif zugeht, und zwar wird
dieſer Befehl euch in meiner Gegenwart gegeben; jeder
Fluchtverſuch, auch eines einzelnen, und jede Zuwider-
handlung gegen unſere Vereinbarung hebt den Waffen-
ſtillſtand ſofort auf; ihr behaltet eure gegenwärtige Stel-
lung und ich die meinige. Dagegen mache ich mich ver-
bindlich, daß ich bis zu der angegebenen Zeit mich aller
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May, Karl: Durchs Wilde Kurdistan. Freiburg (Breisgau), [1892], S. 78. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/may_kurdistan_1892/92>, abgerufen am 26.11.2024.
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