"So hole dir einen Befehl vom Gouverneur. Wenn du mir diesen vorzeigst, werde ich dir den Buluk Emini zurückgeben!"
Ich ritt weiter und kam an lauter finsteren Gesichtern vorüber. Gar manche Hand zuckte nach dem Dolche, aber Nasir Agassi begleitete mich, bis ich in Sicherheit war, dann aber nahm er Abschied.
Der Abschied war kurz, denn die Zeit drängte.
"Effendi, werden wir uns wiedersehen?" fragte Nasir Agassi.
"Allah weiß alles, auch dieses, wir aber nicht."
"Du bist mein Retter; ich werde dich nie vergessen und danke dir. Sollten wir uns einmal wiedersehen, so sage mir dann, ob ich dir dienen kann."
"Gott schütze dich! Vielleicht sehe ich dich einmal als Miralai; dann möge deiner ein besseres Kismet warten, als das des Omar Amed!"
Wir reichten einander die Hände und schieden. Auch ihn habe ich zu einer Zeit wieder gesehen, wo ich am wenigsten an ihn dachte.
Nur wenige Schritte weiter empor trafen wir hinter einem Busche den ersten Dschesidi, welcher sich so weit herangewagt hatte, um beim Wiederbeginn des Kampfes ein sicheres Ziel zu haben. Es war der Sohn Seleks, mein Dolmetscher.
"Emir, bist du wohl erhalten?" rief er mir entgegen.
"Ganz wohl. Hast du das Buch des Pir Kamek bei dir?"
"Nein. Ich habe es an einem Ort versteckt, an dem es keinen Schaden leiden kann."
"Aber wenn du gefallen wärest, so wäre es verloren gewesen!"
„Wir brauchen ihn auch.“
„So hole dir einen Befehl vom Gouverneur. Wenn du mir dieſen vorzeigſt, werde ich dir den Buluk Emini zurückgeben!“
Ich ritt weiter und kam an lauter finſteren Geſichtern vorüber. Gar manche Hand zuckte nach dem Dolche, aber Naſir Agaſſi begleitete mich, bis ich in Sicherheit war, dann aber nahm er Abſchied.
Der Abſchied war kurz, denn die Zeit drängte.
„Effendi, werden wir uns wiederſehen?“ fragte Naſir Agaſſi.
„Allah weiß alles, auch dieſes, wir aber nicht.“
„Du biſt mein Retter; ich werde dich nie vergeſſen und danke dir. Sollten wir uns einmal wiederſehen, ſo ſage mir dann, ob ich dir dienen kann.“
„Gott ſchütze dich! Vielleicht ſehe ich dich einmal als Miralai; dann möge deiner ein beſſeres Kismet warten, als das des Omar Amed!“
Wir reichten einander die Hände und ſchieden. Auch ihn habe ich zu einer Zeit wieder geſehen, wo ich am wenigſten an ihn dachte.
Nur wenige Schritte weiter empor trafen wir hinter einem Buſche den erſten Dſcheſidi, welcher ſich ſo weit herangewagt hatte, um beim Wiederbeginn des Kampfes ein ſicheres Ziel zu haben. Es war der Sohn Seleks, mein Dolmetſcher.
„Emir, biſt du wohl erhalten?“ rief er mir entgegen.
„Ganz wohl. Haſt du das Buch des Pir Kamek bei dir?“
„Nein. Ich habe es an einem Ort verſteckt, an dem es keinen Schaden leiden kann.“
„Aber wenn du gefallen wäreſt, ſo wäre es verloren geweſen!“
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[64/0078]
„Wir brauchen ihn auch.“
„So hole dir einen Befehl vom Gouverneur. Wenn
du mir dieſen vorzeigſt, werde ich dir den Buluk Emini
zurückgeben!“
Ich ritt weiter und kam an lauter finſteren Geſichtern
vorüber. Gar manche Hand zuckte nach dem Dolche, aber
Naſir Agaſſi begleitete mich, bis ich in Sicherheit war,
dann aber nahm er Abſchied.
Der Abſchied war kurz, denn die Zeit drängte.
„Effendi, werden wir uns wiederſehen?“ fragte Naſir
Agaſſi.
„Allah weiß alles, auch dieſes, wir aber nicht.“
„Du biſt mein Retter; ich werde dich nie vergeſſen
und danke dir. Sollten wir uns einmal wiederſehen, ſo
ſage mir dann, ob ich dir dienen kann.“
„Gott ſchütze dich! Vielleicht ſehe ich dich einmal als
Miralai; dann möge deiner ein beſſeres Kismet warten,
als das des Omar Amed!“
Wir reichten einander die Hände und ſchieden. Auch
ihn habe ich zu einer Zeit wieder geſehen, wo ich am
wenigſten an ihn dachte.
Nur wenige Schritte weiter empor trafen wir hinter
einem Buſche den erſten Dſcheſidi, welcher ſich ſo weit
herangewagt hatte, um beim Wiederbeginn des Kampfes
ein ſicheres Ziel zu haben. Es war der Sohn Seleks,
mein Dolmetſcher.
„Emir, biſt du wohl erhalten?“ rief er mir entgegen.
„Ganz wohl. Haſt du das Buch des Pir Kamek
bei dir?“
„Nein. Ich habe es an einem Ort verſteckt, an dem
es keinen Schaden leiden kann.“
„Aber wenn du gefallen wäreſt, ſo wäre es verloren
geweſen!“
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May, Karl: Durchs Wilde Kurdistan. Freiburg (Breisgau), [1892], S. 64. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/may_kurdistan_1892/78>, abgerufen am 23.12.2024.
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