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May, Karl: Durchs Wilde Kurdistan. Freiburg (Breisgau), [1892].

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"Mir und meinen Dienern?"

"Ja."

"Was soll ich ihm sagen?"

"Daß er die Waffen strecken und zum Gehorsam
gegen den Mutessarif zurückkehren möge."

"Und dann?" fragte ich, neugierig, was noch kommen
werde.

"Dann soll die Buße, welche der Gouverneur über
ihn verhängt, so gnädig wie möglich sein."

"Du bist der Makredsch von Mossul, und dieser
Mann ist Kaimakam und Befehlshaber der Truppen,
welche hier stehen. Er ist es, welcher mir seine Aufträge
zu erteilen hat, nicht aber du."

"Ich bin bei ihm als Beauftragter des Mutessarif."

Der Mann mit der Stößerphysiognomie warf sich
bei diesen Worten so viel wie möglich in die Brust.

"Hast du schriftliche Vollmacht?"

"Nein."

"So giltst du hier so wenig wie jeder andere!"

"Der Kaimakam wird es mir bezeugen!"

"Nur eine schriftliche Vollmacht kann dich legitimieren,
sonst nichts. Gehe und hole dir dieselbe. Der Mutessarif
von Mossul wird nur einem Manne von Kenntnissen er-
lauben, ihn zu vertreten."

"Willst du mich beleidigen?"

"Nein. Ich will nur bestätigen, daß du kein Offizier
bist, von militärischen Dingen nichts verstehst und hier
also schweigst."

"Emir!" rief er, indem er mir einen wütenden Blick
zuwarf.

"Soll ich dir die Wahrheit meiner Worte beweisen?
Ihr seid so eingeschlossen, daß kein einziger von euch
entkommen kann; es bedarf nur einer kleinen halben Stunde,

„Mir und meinen Dienern?“

„Ja.“

„Was ſoll ich ihm ſagen?“

„Daß er die Waffen ſtrecken und zum Gehorſam
gegen den Muteſſarif zurückkehren möge.“

„Und dann?“ fragte ich, neugierig, was noch kommen
werde.

„Dann ſoll die Buße, welche der Gouverneur über
ihn verhängt, ſo gnädig wie möglich ſein.“

„Du biſt der Makredſch von Moſſul, und dieſer
Mann iſt Kaimakam und Befehlshaber der Truppen,
welche hier ſtehen. Er iſt es, welcher mir ſeine Aufträge
zu erteilen hat, nicht aber du.“

„Ich bin bei ihm als Beauftragter des Muteſſarif.“

Der Mann mit der Stößerphyſiognomie warf ſich
bei dieſen Worten ſo viel wie möglich in die Bruſt.

„Haſt du ſchriftliche Vollmacht?“

„Nein.“

„So giltſt du hier ſo wenig wie jeder andere!“

„Der Kaimakam wird es mir bezeugen!“

„Nur eine ſchriftliche Vollmacht kann dich legitimieren,
ſonſt nichts. Gehe und hole dir dieſelbe. Der Muteſſarif
von Moſſul wird nur einem Manne von Kenntniſſen er-
lauben, ihn zu vertreten.“

„Willſt du mich beleidigen?“

„Nein. Ich will nur beſtätigen, daß du kein Offizier
biſt, von militäriſchen Dingen nichts verſtehſt und hier
alſo ſchweigſt.“

„Emir!“ rief er, indem er mir einen wütenden Blick
zuwarf.

„Soll ich dir die Wahrheit meiner Worte beweiſen?
Ihr ſeid ſo eingeſchloſſen, daß kein einziger von euch
entkommen kann; es bedarf nur einer kleinen halben Stunde,

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[60/0074] „Mir und meinen Dienern?“ „Ja.“ „Was ſoll ich ihm ſagen?“ „Daß er die Waffen ſtrecken und zum Gehorſam gegen den Muteſſarif zurückkehren möge.“ „Und dann?“ fragte ich, neugierig, was noch kommen werde. „Dann ſoll die Buße, welche der Gouverneur über ihn verhängt, ſo gnädig wie möglich ſein.“ „Du biſt der Makredſch von Moſſul, und dieſer Mann iſt Kaimakam und Befehlshaber der Truppen, welche hier ſtehen. Er iſt es, welcher mir ſeine Aufträge zu erteilen hat, nicht aber du.“ „Ich bin bei ihm als Beauftragter des Muteſſarif.“ Der Mann mit der Stößerphyſiognomie warf ſich bei dieſen Worten ſo viel wie möglich in die Bruſt. „Haſt du ſchriftliche Vollmacht?“ „Nein.“ „So giltſt du hier ſo wenig wie jeder andere!“ „Der Kaimakam wird es mir bezeugen!“ „Nur eine ſchriftliche Vollmacht kann dich legitimieren, ſonſt nichts. Gehe und hole dir dieſelbe. Der Muteſſarif von Moſſul wird nur einem Manne von Kenntniſſen er- lauben, ihn zu vertreten.“ „Willſt du mich beleidigen?“ „Nein. Ich will nur beſtätigen, daß du kein Offizier biſt, von militäriſchen Dingen nichts verſtehſt und hier alſo ſchweigſt.“ „Emir!“ rief er, indem er mir einen wütenden Blick zuwarf. „Soll ich dir die Wahrheit meiner Worte beweiſen? Ihr ſeid ſo eingeſchloſſen, daß kein einziger von euch entkommen kann; es bedarf nur einer kleinen halben Stunde,

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Zitationshilfe: May, Karl: Durchs Wilde Kurdistan. Freiburg (Breisgau), [1892], S. 60. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/may_kurdistan_1892/74>, abgerufen am 05.05.2024.